Am Mittwoch starten die Verhandlungen um den Jobabbau bei Neckermann. Während Konkurrent Otto eine Marketingoffensive ankündigt, ist der Frankfurter Versender dabei, sich selbst überflüssig zu machen.
Der Versender aus Frankfurt hat angekündigt, mehr als jede zweite Stelle im Konzern zu streichen. Zudem werden die Bestellkataloge endgültig eingestellt, genauso wie die eigenen Textilkollektionen. Die Versandabteilung, die vor wenigen Wochen für ihre Flexibilität sogar einen internen Preis erhielt, wird geschlossen.
Der Betriebsrat werde der Unternehmensleitung bei ersten Gesprächen an diesem Mittwoch die Grundzüge eines Alternativkonzepts vorstellen, sagte Neckermann-Betriebsrat Thomas Schmidt der Nachrichtenagentur dpa. Ziel sei es, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten.
Abhängigkeit von Vertriebspartnern
Mit dem neuen Konzept verabschiedet sich Neckermann womöglich von der eigenen Existenzberechtigung. Ein Versender, der nicht mehr viel versendet, sondern auf Vertriebspartner aufbaut - so lautet das neue Geschäftsmodell. Vor allem im Textil-Bereich dürfte das aber problematisch werden.Neckermann.de will im Modesortiment künftig ausschließlich Markenprodukte von Partnern anbieten. Damit macht sich der nun reine Onlinehändler endgültig verwechselbar. Denn Markenprodukte und -shops hat auch längst die Konkurrenz.
Die Sortimente Technik und Möbel sollen bei Neckermann ebenfalls "durch Sortimente unserer Vertriebspartner" ergänzt werden. Damit marschiert der Konzern Richtung reine Verkaufsplattform, von denen es im Netz bereits etliche gibt. Die Vergleichbarkeit erhöht die Preistransparenz - und verringert die Marge.
Was bleibt letzlich von Neckermann? Der Markenname des drittgrößten deutschen Online-Anbieters ist zwar bekannt. Die Marke Quelle war aber noch bekannter - doch das schützte den Versender aus Fürth nicht davor, pleite zu gehen.
Neckermann muss sich zur Zeit nicht nur mit strategischen Fragen, sondern auch mit ganz konkreten Problemen beschäftigen - etwa die langjährige Mietverpflichtung am Frankfurter Standort Hanauer Landstraße. Ein Sozialplan für entlassene Mitarbeiter dürfte das Unternehmen zudem mit einem zweistelligen Millionenbetrag belasten, schätzen Branchenkenner.
Otto geht in die Offensive
Wettbewerber Otto, der gerade in der Restrukturierung steckt, kündigte nun eine "millionenschwere Multimedia-Kampagne" an, um die Print- und Online-Umsätze anzukurbeln.Damit will Otto auch von der Schwäche des Konkurrenten aus Frankfurt profitieren: Die entsprechende Pressemitteilung über die Kampagne wurde nur wenige Stunden nach der offiziellen Bekanntgabe der Neckermann-Krise herausgegeben.
Otto-Chef Rainer Hillebrand will damit Zuversicht wecken - und die Marke stärken. "Wir haben eine weiter wachsende Kundschaft, steigende Weiterempfehlungsquoten, einen mehrfach prämierten Onlineshop, setzen rund 75 Prozent unserer Umsätze im Onlinebusiness um und haben im letzten Jahr das beste Geschäftsergebnis seit Jahren erzielt", betonte er.
Dass Hillebrand dermaßen auf die Pauke hauen muss, ist natürlich auch ein Beweis dafür, dass die Unsicherheit über die Zukunft der Versender insgesamt wächst. Im Kampf um die Online-Kunden hat Otto trotzdem noch die besseren Karten gegen aggressive Wettbewerber wie Zalando, da die Hamburger noch Luft haben, um strategisch zu agieren.
Neckermann dagegen verkauft seine hektischen Notmaßnahmen als "Beschleunigung der E-Commerce-Ausrichtung". Man könnte sie aber genauso gut "letzter Ausweg" nennen.
Marcelo Crescenti
Auf einem Klick: Die wechselhafte Geschichte von Neckermann.