Wie auch unser Newsletter "Kurz vor 9" vor einigen Tagen vermeldete, hat Rakuten, gern als Amazon-Herausforderer tituliert, die virtuelle Umkleide Fits.me übernommen. Aber was wollen die eigentlich damit? Und wie funktioniert das bei Fits.me?

Abenteuer Kleidungskauf online - Lust und Frust beim Kunden

Jedem, der schon einmal Kleidung online gekauft hat, dürfte schon einmal in dieser Situation gewesen sein: Da kommt die ersehnte Ware ins Haus und dann passen Hose, Bluse oder Hemd nicht. Nein, nicht weil die falsche Größe bestellt wurde. Nominell ist alles korrekt. Aber irgendwie zwickt es dann an den Problemzonen doch. Oder es sieht einfach insgesamt bescheiden aus. Leider ist der Kauf des gleichen Artikels in der nächsten Größe keine Lösung, sondern verschlimmert die Situation eher.

So landet also der Artikel wieder im Karton. Schade und frustrierend.

Das spannende Bäuchlein schmeichelt vielleicht nicht, bewahrt aber so vor Fehlkauf
Das spannende Bäuchlein schmeichelt vielleicht nicht, bewahrt aber so vor Fehlkauf
Im stationären Handel kommentieren Verkäufer dieses Phänomen gern lapidar mit einem Satz: "Das fällt leider je nach Hersteller unterschiedlich aus." Klingt trivial, ist aber tatsächlich so. Denn die internationalen Größen versuchen eben, es jedem Menschen recht zu machen. Nur das klappt eben nicht (immer).

Wir sind ja alle glücklicherweise verschieden. Aber die Verschiedenheit betrifft auch statistisch ganze Regionen. So sind deutsche Frauen eben im internationalen Vergleich oft etwas kleiner. Dafür besitzen sie wiederum rundere Hüften.

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Die deutsche Frau ist nicht generell zu dick. Doch selbst wenn Sie nach Ansicht ihrer Mitmenschen eine tolle Figur hat, weicht sie eben auch in gesuchten kleinen Größen vom internationalen Durchschnitt ab.

Und wie viele Menschen mit einer absolut perfekten Figur kennen Sie? Persönlich? - Eben!

Die Ware landet also wieder im Karton und tritt die Reise zurück zum Händler an.

Viel Frust beim Händler

Das ist nicht nur schädlich für die Umwelt, sondern auch schädlich für den Händler. Denn schließlich erwarten die Kunden, unpassende Ware einfach kostenlos zurücksenden zu können. Und da DHL, Hermes & Co ihre Dienste nicht gratis anbieten wollen, drücken den Händler die Kosten für die Retoure. Schlimmstenfalls leidet auch noch seine Reputation, weil der frustrierte Kunde online etwas über die mangelnde Passform geschrieben hat.

Den Frust von Kunden und Händler will Fits.me beseitigen. Das kostet den Händler zwar etwas, dafür soll aber seine Retourenquote sinken und die Zufriedenheit seiner Kunden steigen.

So geht Fits.me die Probleme an

Und das funktioniert rein technisch gesehen so. Der Kunde gibt in der virtuellen Umkleidekabine nach einem Schema von Fits.me entweder seine exakten Maße ein (Brustumfang, Hüftumfang etc.), oder nutzt eher allgemeine Angaben und einen Dialog mit Schiebereglern. Fits.me zeigt ihm dann in der virtuellen Ankleide das gewählte Kleidungsstück. Und zwar so, wie es später auch tatsächlich auf seinem Körper aussehen wird.

Der Kunde gibt in der virtuellen Umkleide entweder seine Maße ein
Der Kunde gibt in der virtuellen Umkleide entweder seine Maße ein

Damit das funktioniert, benötigt die dahinterstehende Software einige Tausend Aufnahmen des Artikels. Und diese werden mithilfe von "Robotern" gefertigt. Eigentlich eher so etwas wie feinmechanisch und feinmotorisch besonders ausgestattete Schaufensterpuppen. Im Gegensatz zu den bekannten und einfachen Kollegen sind die Torsos von Fits.me in der Lage, veränderliche Konturen anzunehmen. Mit mehr Bauch und schmalen Schultern oder flachem Bauch und starken Brustmuskeln oder beliebigen Variationen davon.

Das optische Ergebnis ist oft genug ernüchternd (zumindest wenn es reichlich Problemzonen gibt), hält dann aber doch davon ab, einen Artikel zu optimistisch in der kleineren Größe in den Warenkorb zu legen.

Oder nutzt Schieberegler, um eine ungefähre Anmutung zu schaffen
Oder nutzt Schieberegler, um eine ungefähre Anmutung zu schaffen
Warum wir jetzt noch nicht in jedem Online-Shop über die virtuelle Anprobe von Fits.me stolpern, dürfte an mehreren Faktoren liegen. Auf der einen Seite kann sich schlicht nicht jeder Händler die fälligen (individuellen) Gebühren leisten. Zum anderen werden die Prozesse umso anspruchsvoller, je mehr unterschiedliche Artikel im Sortiment vorgehalten werden. Denn die Kleidungsstücke müssen ja zumindest einmal in der realen Welt dem Dienstleister vorgelegen haben.

Dass Rakuten für seine Marktplätze im Zukunft Fits.me anbieten kann, ist mit Sicherheit kein leichtgewichtiges Argument, um Händler anzuziehen. So ist die Übernahme also durchaus sinnvoll und strategisch ein kluger Schachzug.