Was bereits Buchhändler, Metzger und Kiosk-Besitzer an der Ecke wussten, funktioniert auch im Digital Commerce. Mit persönlichen Empfehlungen verkauft es sich einfach leichter. So genannte "Recommendations-Engines" schaffen die Grundlagen für personalisierte Inhalte. Und können mehr, als Produktempfehlungen aussprechen.
Personalisierung kann mehr als Produkte empfehlen
Der individuelle Produkt-Tipp ist ohne Zweifel das naheliegende und bekannteste Beispiel für Personalisierung im Handel oder einem Online-Shop. Es gibt aber sehr viel mehr Ansatzpunkte, um das Kundenerlebnis zu individualisieren.- Navigation in Shop oder App: Ausgehend von der Einkaufshistorie des Kunden oder durch Analyse des Verhaltens anderer Nutzer kann die Navigation innerhalb eines Shops angepasst werden. Die Menüeinträge, die der Kunde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als nächstes wählen wird, wandern an eine andere Stelle oder müssen explizit eingeblendet werden.
- Werbemittel: Es werden nur solche Werbemittel aus dem Inventar genutzt, die anhand der ermittelten Wahrscheinlichkeit auch von Interesse für den Kunden sind.
- Coupons und Rabatte: Der Kunde erhält nur Rabatte oder Sonderangebote aus Kategorien, die ihn interessieren. © Screenshot vom AutorBei Görtz beginnt die Personalisierung mit der einfachen Frage nach Geschlecht bzw. Alter
Empfehlungsmaschinen decken viele Dimensionen ab
Hinter der Personalisierung steckt üblicherweise eine Empfehlungsmaschine (Recommendations-Engine). Dabei greifen moderne Systeme wie zum Beispiel die prudsys Realtime Decisioning Engine (prudsys RDE) nicht ausschließlich auf historische Informationen, etwa die Kaufhistorie, zurück. Vielmehr wird das Verhalten jedes einzelnen Nutzers in die Berechnungen einbezogen.Automatisiert spielt sie die passenden Inhalte aus, analysiert das Verhalten der Nutzer darauf und lernt daraus, um die eigene Strategie zu optimieren. Das System verändert die Inhalte auf Basis verschiedener "Schlüsselreize". Zu diesen Dimensionen zählen, u.a.:
- Produktbezug: In Abhängigkeit der gewählten oder betrachteten Produkte werden Empfehlungen gegeben. Dabei geht es um mehr als das bekannte "Andere Kunden kauften auch". Je nachdem welche weiteren Daten herangezogen werden, sieht Kunde A beispielsweise ein Batteriepack, nachdem er sich einen Lautsprecher angesehen hat, während Kunde B dagegen auf Kabel hingewiesen wird, obwohl er zuvor den gleichen Artikel betrachtet hatte.
- Kategoriebezug: Funktioniert analog den Produkten.
- Nutzerbezug: Bei wiederkehrenden Besuchern bzw. dem System bereits bekannten Kunden können Inhalte und Produkte auf Basis von Aktionen, Warenkörben, Wunschlisten und Vorlieben aus Newslettern zusammengestellt werden.
- Bezug auf Suchbegriffe: Dabei wird das System die seiner Meinung nach am besten zum Suchbegriff passenden Inhalte ausspielen.
Dank der vielen verschiedenen Metriken und Dimensionen, auf deren Basis die Empfehlungsengine die Inhalte personalisieren kann, bieten die Werkzeuge dem Händler vielfältige Einsatzmöglichkeiten.
Hier können Sie individualisieren!
Metriken, Optionen und Schnittstellen – wer sich eine Recommendations-Engine leistet, sieht plötzlich eine riesige Palette an Möglichkeiten vor sich. Wie bei den meisten Werkzeugen im Online-Marketing ist es ratsam, schrittweise vorzugehen. Also nicht gleich eine Vielzahl an Projekten zu starten, sondern sich zunächst auf ein oder zwei Einsatzgebiete zu beschränken, um damit Erfahrungen zu sammeln. Ausbauen lässt sich der Grad der Personalisierung dann immer noch.Ein paar potentielle Projekte für die Personalisierung:
- Fehlerseiten: Selbst die beste Suchlogik im Shop kann nicht verhindern, dass es das vom Kunden gewünschte Produkt nicht gibt. Der Kunde steht jetzt vor der Entscheidung, nach einer Alternative zu suchen oder den nächsten Händler aufzusuchen. Jetzt können Sie mit Empfehlungen punkten, die sich auf die Vorlieben des Nutzers beziehen, oder den Suchbegriff aufgreifen.
- Wunschlisten oder Warenkörbe ergänzen: Hat der Kunde ein Produkt in den Warenkorb gelegt, wäre es fast schon fahrlässig, wenn jetzt keine weiteren Empfehlungen ausgesprochen werden, etwa Zubehör oder ergänzende Produkte. Oder der Kunde hat mal wieder nach einem Artikel auf seiner Wunschliste geschaut, ihn aber erneut nicht in den Korb gelegt. Vielleicht tut es auch eine preiswertere Alternative? Das Instrument der individuellen Empfehlungen sollte auch eingesetzt werden, wenn der Besucher ein Produkt auf die Wunschliste setzt. Eine weitere Option ist in diesem Moment, ein Produktbundle zu schnüren, und es zu einem attraktiven Gesamtpreis anzubieten.
- Alternative zu Out of Stock: Auch bei bester Warendisposition lässt es sich nicht vermeiden, dass ein Produkt nicht lieferbar ist. Das ist für den Kunden natürlich frustrierend. Deswegen sollten unbedingt Alternativen empfohlen werden. Auch in diesem Fall könnten produkt- und nutzerbezogene Empfehlungen kombiniert werden. Die gewünschte Jeans in der Farbe Anthrazit gibt es nicht mehr? Dann werden beispielsweise höherpreisige andere Modelle in der gleichen Farbe dargestellt. Oder hat der Kunde vorher sich eher nach Modellen mit dem gleichen Schnitt umgesehen? Dann scheint die Farbe nicht entscheidend zu sein. Dann bieten sich ähnlich geschnittene Hosen an. Die direkten Empfehlungen minimieren die Frustration und laden zum weiteren Stöbern ein. Abgerundet wird das positive Erlebnis mit einer Möglichkeit, sich bei Wiederverfügbarkeit des Artikels benachrichtigen zu lassen.
- Individuelle Produktfeeds: AboutYou und Zalando machen es vor. Ein personalisierter Feed von Produkten unterstreicht beim Kunden das Gefühl, dass hier auf seine Bedürfnisse eingegangen wird. Und man kann den Nutzer im Shop und App auch mitbestimmen lassen, in dem zunächst eher allgemeine Vorschläge bewertet werden müssen. Das reizt den Spieltrieb und verbessert die Recommendations-Engine. Auch die einzelnen Empfehlungen lassen sich idealerweise bewerten, um sie zu verbessern. © Screenshot vom AutorDem Kunden konzentriert anbieten, was ihm gefallen könnte. Ein Produktfeed, wie bei AboutYou, wird durch das Feedback des Kunden immer passgenauer.
- Content zum Produkt: Produktbezogene Empfehlungen können auch Inhalte zum Produkt oder der Kategorie umfassen. Styling-Tipps, Ratgeber-Videos zum richtigen Umgang mit dem Produkt oder Erklärstücke. Wer sich auf der Seite eines teuren Smartphones befindet, interessiert sich wahrscheinlich sehr dafür, wie es am besten gepflegt wird. Und ein Kunde, der sich auf der Seite mit Schutzhüllen befindet, dürfte einen Ratgeber, der verschiedene Displayschutzfolien vergleicht, interessant finden.
- Individualisierte Beileger: Schließen Sie die Reise des Kunden mit optimiertem Promotion-Material ab. Je stärker die Paketbeileger mit den Interessen des Kunden übereinstimmen, umso höher ist seine Bereitschaft, sich mit dem Inhalt zu beschäftigen. Gerade auch bei solchen Marketingmaterialien spielen Recommendations-Engines ihrem großen Nutzen aus.
Empfehlungen am POS
Neue digitale Technologien direkt im Laden erweitern auch die Einsatzmöglichkeiten von Empfehlungsengines.Auch in Smart-Fitting-Rooms können Recommendations-Engines genutzt werden, auch im Self-Service des Kunden. Dazu werden entweder nutzerbezogene (sofern möglich) oder globale Empfehlungen eingesetzt. Auch der Einsatz in Digital-Signage-Lösungen ist möglich. In diesem Segment könnten Empfehlungen und künstliche Intelligenz sinnvoll kombiniert werden. Das Display scannt mit der integrierten Optik den Kunden und kann so Geschlecht und Alter schätzen. Basierend darauf werden erste Produktvorschläge aufgespielt. Gibt es einen Rückkanal, kann der Kunde also die Vorschläge bewerten, lässt sich so ein individuelles Outfit zusammenstellen.