Während vereinzelte Amazon-Mitarbeiter jetzt einen Betriebsrat wählen dürfen, beklagen sie woanders, dass ihnen als Saisonkräfte im Weihnachtsgeschäft falsche Hoffnungen auf Festanstellungen gemacht wurden.

Acht Logistikzentren betreibt der Versender Amazon in Deutschland - aber an nur zwei Standorten gibt es bisher Betriebsräte. Doch nach Bad Hersfeld und Leipzig wird nun Rheinberg nachziehen: Am Dienstag wurden die rund 2.000 Mitarbeiter über das Wahlverfahren informiert, am Donnerstag dieser Woche soll nach Informationen des "Westdeutschen Rundfunks" (WDR) der Wahlvorstand gewählt werden.

Die Gewerkschaft Verdi wertet es als Erfolg, dass auch die Rheinberger Beschäftigten nun eine Vertretung bekommen sollen. Im Gespräch mit dem "WDR" sagte eine Sprecherin, dass sie für den neuen Betriebsrat mit 21 Mitgliedern rechne. Sie hoffe, dass mit diesem Gremium umfassende Mitbestimmungsrechte einziehen werden.

Eindeutig befristet

Ein paar Hundert Kilometer weiter südlich hingegen steht ein Amazon-Standort in der Kritik. Es geht um das erst im September 2012 eröffnete Versandzentrum in Pforzheim, und es geht um die vielen Mitarbeiter, die eigens für das Weihnachtsgeschäft eingestellt worden sind - so wie an den anderen sieben Standorten auch. In der Spitze waren in Pforzheim laut Verdi gut 2.300 Menschen beschäftigt, etwa 800 Verträge wurden und werden nicht verlängert.

Dass die Arbeitsverträge eindeutig als befristet ausgewiesen waren, bestreitet die Karlsruher Verdi-Sekretärin Melanie Rechkemmer im Gespräch mit derhandel.de keineswegs. Doch sie berichtet davon, dass den Saisonkräften in den Bewerbungsgesprächen mitgeteilt worden sei, dass sie sich während ihrer befristeten Tätigkeit bewähren könnten - mit der Aussicht auf unbefristete Arbeitsverträge.

Zeit der Bewährung

Amazon-Sprecherin Christine Höger sagt auf Anfrage von derhandel.de, der Versender rekrutiere aus dem Saisonpersonal für Weihnachten auch langfristige Mitarbeiter. "Jeder Mitarbeiter hat die Möglichkeit sich zu beweisen."

Wieviele Pforzheimer im zurückliegenden Weihnachtsgeschäft diesen Anspruch erfüllt haben, vermochte Höger freilich nicht zu sagen: "Wir brechen die Zahlen nicht auf einzelne Standorte herunter".

Deutschlandweit habe Amazon zu Weihnachten 2012 etwas über 10.000 Saisonkräfte eingestellt - gut 2.000 davon seien 2013 unbefristet übernommen worden. Insgesamt beschäftige der Versender rund 8.000 Vollzeitmitarbeiter, "und das ist eine deutliche Steigerung zum Vorjahr".

Alles tun für einen festen Job

Es ist freilich die Frage, wie der Begriff "bewähren" definiert wird. Und wie realistisch die Chancen auf Festanstellungen waren, die den Mitarbeitern verkauft wurden. Glaubt man der Darstellung der Gewerkschafterin Rechkemmer, dann sollen die Mitarbeiter mit der Aussicht auf einen festen Job regelrecht zu hohen Stückzahlen getrieben worden.

Sie spricht von einem hohen Druck, der auf dem Personal gelastet habe. Wer eine unbefristete Anstellung will, der tut offenbar mehr, als nötig. Kalkül einer cleveren Personalstrategie? Die "Pforzheimer Zeitung" schreibt, dass auch die örtliche Arbeitsagentur mit einer höheren Übernahmequote für das Versandzentrum Pforzheim gerechnet habe.

"Diffiziele Angelegenheit"

Mittlerweile hat sich sogar der Chef aller deutschen Amazon-Logistikzentren in die Angelegenheit Pforzheim eingeschaltet. So versteht Eric Malitzke die Enttäuschung der Mitarbeiter, die nun wieder ohne Anstellung sind. Aktuell beträgt die Arbeitslosenquote in der "Goldstadt" 7,5 Prozent - das ist der schlechteste Wert im Badischen.

Es ist daher kein Zufall, dass Amazon im September 2012 sein achtes Logistikentrum ausgerechnet hier eröffnet hat: "Für einen Standort entscheiden wir uns auch, wenn es dort ein entsprechendes Arbeitskräftepotenzial gibt", sagte Unternehmenssprecherin Höger zu derhandel.de.

Der oberste Amazon-Logistiker spricht in der "Pforzheimer Zeitung" von Kommunikationsdefiziten beim Thema Saisonkräfte. Künftig wolle er der "diffizilen Angelegenheit", die Personalschwankungen zu vermitteln, größere Aufmerksamkeit schenken. So sei vorgesehen, er auf Mitarbeiterversammlungen die Strategie des Unternehmens zu vermitteln.

Selbst der Handelsverband kritisiert Amazon-Löhne

Verdi kritisiert auch die Entlohung in Pforzheim - und wird dabei sogar vom Baden-Württembergischen Einzelhandelsverband unterstützt. So bekomme ein Logistikmitarbeiter 9,65 die Stunde, laut Tarifvertrag seien aber 12 Euro die Stunde üblich, sagt Gewerkschafts-Sekretärin Rechkemmer.

Doch so einfach ist es nicht. Gewiss, der Tariflohn für einen einfachen Packer beträgt in Baden-Württemberg 12 Euro, schwere Packtätigkeiten werden gar mit 12,71 die Stunde entlohnt, sagt Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbandes Baden-Württemberg. Deutlich weniger würden lediglich ungelernte Handelsmitarbeiter zum Regalauffüllen bezahlt - hier beträgt der Lohn 9,26 Euro die Stunde.

Für Sabine Hagmann ist die Logistiktätigkeit bei Amazon  jedoch kein einfaches Regalauffüllen, es ist klassisches Kommissionieren, "und das ist ein Knochenjob", betont sie im Gespräch mit derhandel.de. Amazon ist nicht Mitglied im Einzelhandelsverband Baden-Württemberg.

Logistik, kein Einzelhandel

Für Amazon sind die besagten Jobs in den Versandzentren Logistiktätigkeiten. "Wir ordnen diese nicht dem Einzelhandel zu", sagt Unternehmenssprecherin Höger. Bei der Höhe der Löhne richte man sich am ortsüblichen Niveau der Logistikbranche. Falsch sei auch der Verdi-Vorwurf, in Pforzheim würden keine Nachtzuschläge gezahlt. "Wir zahlen Nachtzuschläge im gesetzlichen Rahmen", betont Christine Höger.

Eine Sorge von Verdi-Sekretärin Rechkemmer wird sich wohl vorerst nicht bewahrheiten. Denn sie befürchtet, dass die Niedriglöhne von Amazon zur Folge haben, dass auch Klingel und Bader, zwei alteingesessene Versender in Pforzheim, ebenfalls ihre Bezahlung nach unten korrigieren. Noch zahlen beide Unternehmen nach Tarif.

Zumindest bei Bader wird sich daran so schnell nichts ändern, versichert Unternehmens-Sprecherin Laura Bader auf Anfrage von derhandel.de: "Unsere Löhne werden wir nicht denen von Amazon anpassen, sondern weiterhin nach Tarif bezahlen. "