Philipp Rösler hat seine Liebe zum Mittelstand entdeckt. Auf dem Peak-Symposium für Verbundgruppen sang der Bundeswirtschaftsminister ein hohes Lied auf diesen Wirtschaftszweig - und versprach Unterstützung.

Einem FDP-Politiker in diesen Tagen Kopfschmerztabletten und eine Flasche Schnaps zu schenken, kann man verschieden interpretieren. Wilfried Hollmann wollte aber nur aufmerksam sein und sich angemessen bei Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler für seine Rede beim sechsten Peak-Symposium für Verbundgruppen und Franchisesysteme bedanken.

Hollmann ist nicht nur Präsident von "Der Mittelstandsverbund", der in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsmagazin Der Handel diesen Kongress ausrichtet - er führt auch die Apothekergenossenschaft Noweda als Vorstandsvorsitzender. Das erklärt die Tabletten. Und weil er als Münsterländer gerne Korn trinkt, bekam auch Rösler eine Flasche.

Freier Wettbewerb - nicht nur mit Großunternehmen

Für eine gute Dreiviertelstunde war Rösler hinauf gekommen auf Schloss Montabaur, wo die Peak-Teilnehmer für Dienstag und Mittwoch diesmal zusammengekommen sind. Klicken Sie hier für eine Bildergalerie des Kongresses.

Und der Minister wusste zu sagen, was in einem solchen Kreis zu sagen ist: Bürokratieabbau, Kampf für den Euro, mehr Einsatz gegen den Fachkräftemangel und für eine maßvolle Regulierung der Finanzmärkte sowie faire Wettbewerbschancen für mittelständische Unternehmen waren seine Themen - FDP-Klassiker, sozusagen.

"Unser Ziel ist ein freier Wettbewerb, dafür brauchen wir nicht nur die großen Unternehmen", sagte der Minister und Vorsitzende der Liberalen, der anfügte, dass der deutsche Mittelstand weiß Gott nicht verantwortlich war für die Weltwirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009.

Rösler kämpft dafür, "dass wir in Deutschland das beste Wettbewerbsrecht haben, das es auf europäischer Ebene gibt", und das vor allem Verbundgruppen nicht ständig in Verdacht setzt, gegen kartellrechtliche Bestimmungen zu verstoßen. Zudem müsse alles daran gesetzt werden, dass das deutsche Finanzierungssystem für mittelständische Unternehmen "nicht unter die Räder gerät".

Ein Gütesiegel, das keiner kennt

Der Minister hat seit geraumer Zeit den Mittelstand entdeckt, so scheint es. Im Februar rief er eine Dachmarke mit dem kruden Titel "German Mittelstand" ins Leben, ein Gütesiegel, das international für deutsche Wirtschaftskraft werben soll.

Innerhalb der Zielgruppe ist der Bekanntheitsgrad dieser konstruierten Dachmarke noch bescheiden. Und vergangene Woche dann mahnte Rösler die mittelständischen Unternehmen, mehr auf ihre IT-Sicherheit zu achten.

Auch auf Schloss Montabaur war zu spüren, dass der FDP-Chef dem Mittelstand sagen wollte: Ich bin einer von euch, für euch. Beim Thema Fachkräftemangel erntete er folglich viel Beifall für sein Klagen, dass immer wenige junge Leute ausbildungsfähig seien, weil die Lehrpläne in den Schulen von Modeströmungen beeinflusst seien. Dabei gelte es vielmehr, altes Wissen zu vermitteln, wie den Dreisatz.

Ältere Mitarbeiter hingegen sollen länger in den Betrieben gehalten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie müsse zudem verbessert werden. Und: Es gebe ein klares Signal dafür, "dass wir qualifizierte Zuwanderung" von Erwerbstätigen brauchen. So plädiert Rösler auch für gezielte Anwerbung von ausländischen arbeitslosen Jugendlichen.

Frankreich und Griechenland machen Rösler Sorgen

Eher sorgenvoll blickt Rösler nach Frankreich und Griechenland, wo die am Sonntag gewählten neuen Regierungen eurokritische Positionen beziehen. Staatsverschuldung, um Wachstum zu fördern, wie es der neue französische Präsident Hollande vor hat, lehnt Rösler ab. "Wachstum kann nicht gekauft werden."

Mit solchen Forderungen punktet ein Minister bei Wilfried Hollmann. Der Mittelstandsverbunds-Präsident bedankte sich bei Rösler für dessen "einzig richtige Haltung", der angeschlagenen Drogeriekette Schlecker mit Staatshilfe eine Transfergesellschaft für die entlassenen Mitarbieter zu finanzieren.

Wie wichtig der Kampf gegen den Fachkräftemangel ist, verdeutlicht Hollmanns Statistik: In den 230.000 Anschlusshäusern des Mittelstandsverbundes könne jede dritte neue Stelle nicht mehr besetzt werden, weil es nicht genug qualifizierte Mitarbeiter gebe.

"Das wäre Verrat gewesen"

"Netzwerk-Tradition trifft Zukunft" heißt das Motto des Peak-Symposiums 2012, bei dem sich die Verbundgruppen präsentieren, als hätten sie verstanden, wie sie im modernem Handelszeitalter bestehen können.

So wies der Chef des Textileinkaufsverbunds Katag, Daniel Terberger, darauf hin, dass auch seine Kooperation am 5. April einen Onlineshop geöffnet hat. Und Carel Halff, Chef der Verlagsgruppe Weltbild, referierte darüber, wie ein Unternehmen mit Multichannel erfolgreich sein kann, ohne dass sich stationäre Handel und das Internetgeschäft gegenseitig kannibalisieren.

Terberger betonte in seinem kraftvollen Vortrag aber auch, dass sich der Kunde herzlich wenig dafür interessiere, ob er gerade in einem mittelständischen Unternehmen einkauft. Er wolle Qualität und Service. Und dieser Anspruch verschiebt auch den Horizont eines Familienbetriebes wie Katag, das nun mit dem großen Otto Versand zusammenarbeitet. Für den Großvater von Terberger "wäre das Verrat gewesen".

Steffen Gerth, Montabaur