Mister Spex feiert ein Jahrzehnt seines Bestehens - und den Beweis, dass man im Internet Brillen verkaufen kann. Das Unternehmen gibt sich kraftvoll, die Zeichen stehen auf Wachstum, online wie stationär. Für den Rest der Branche werden aber düstere Zeiten vorhergesagt.
Den Gemütszustand von Mirko Caspar dürften viele seiner Kollegen kennen, die mit einem kleinen Start-up angefangen haben und nun merken, in welcher Liga sie mittlerweile spielen. Caspar wirkt, als würde er über sich und sein Unternehmen staunen, das dieser Tage zehn Jahre Jubiläum feiert - was im Internetzeitalter eine Ewigkeit ist.
Caspar bildet heute zusammen mit Dirk Graber die Geschäftsführung von Mister Spex, dem führenden Onlinebrillenhändler. Was im Dezember 2007 gegründet von Graber und Kollegen mit vier Mitarbeitern begann, ist heute Europas führender Optiker im Netz, vertreten in zehn Ländern, mit insgesamt 450 Beschäftigten, 3 Millionen Kunden und einem Jahresumsatz von 100 Millionen Euro (2017). Rohlinge aus Asien, zurechtgeschnitten in Berlin
"Wir sind jetzt eine richtige Firma", sagt Caspar, als er durch das 2016 eröffnete Logistikzentrum von Mister Spex führt, das in der Berlin Siemensstadt auf 10.000 Quadratmeter rund 9.000 verschiedene Brillenmodelle lagert, was in der Summe mehr als 200.000 Brillen bedeutet.
Zudem ist Mister Spex heute quasi Produzent, mindestens aber Veredler. Denn aus Asien kommen zwar noch die meisten Gläser, gefertigt übrigens von deutschen Maschinen, aber als Rohlinge. 100.000 Stück hat Mister Spex bei sich eingelagert, schneidet und schleift sie mit eigenen, neuen Maschinen zurecht und fügt diese dann in die Gestelle ein. Das sorgt für eine enorme Zeitersparnis, die Kunden bekommen früher ihre Brillen. Ziel ist, dass eines Tages 90 Prozent aller Brillen auf diesem Weg versandfertig gemacht werden. Platz zum Wachsen
Das Logistikzentrum macht noch etwas deutlich: hier ist viel Platz. Das ist keine Fehlplanung, sondern soll das weitere Wachstum des Unternehmens ermöglichen. "Wir haben bewiesen, dass man Brillen im Internet verkaufen kann", sagt Graber. Bei der Markenbekanntheit in Deutschland wird sein Unternehmen nur noch von den stationären Giganten Apollo und erst Recht Fielmann geschlagen.
Davon profitiert auch das kleine und langsam größer werdende stationäre Geschäft. Sechs Filialen betreibt Mister Spex derzeit erfolgreich, für keines wurde verstärkt Marketing betrieben, wie Mirko Caspar betont, trotzdem "haben wir enormen Traffic in den Läden. Unsere Marke ist mittlerweile sehr stark". Vier neue stationäre Läden
In den kommenden Monaten kommen vier weitere Geschäfte hinzu. Den Auftakt macht ein Laden im Main-Taunus-Zentrum nahe Frankfurt am Main, es folgen Münster, Erfurt und Essen (im Center Limbecker Platz). Gesucht werden immer hochfrequente Einkaufslagen, bestenfalls in der Nähe einer Filiale der Douglas-Parfümerie.
Brillenkauf soll Erlebnis sein
Diesen Anspruch bekommt das Mister-Spex-Personal heute schon vermittelt in vierwöchigen Schulungen in der Berliner Zentrale beziehungsweise praktischer Anwendungen in den beiden Filialen der Hauptstadt. Brillenkauf soll Erlebnis werden, denn so etwas bekommen die Kunden derzeit nicht, "für die Meisten ist das eine Qual, mehr ein Verwaltungsakt", sagt Mirko Caspar. Transparenz muss sein im Omnichannelhandel
Zur Zukunft gehört für Mister Spex auch maximale Transparenz, etwa bei Preisen, die in den Läden und im Netz immer gleich sein müssen. Das ist für ein Omnichannel-Unternehmen eine knackige Aufgabe, die aber gelöst werden muss, wenn man auch in Zukunft bestehen will.

Großes Optikersterben in Deutschland?
Am Ende des Schrumpfens bleiben eine neue Wertschöpfungskette, bei der Daten eine elementare Rolle spielen. Und es bleiben nur noch ein paar große Filialisten sowie solche Läden, die ein Profil haben - so die Zukunftsthese von Spex-Chef Graber.
Wenn die Brille aus dem 3-D-Drucker kommt
Für Onlinebrillenhändler dürfte dieser Fortschritt ein Quantensprung sein, denn der Gang in die Filiale würde dann für viele Kunden überflüssig. Wenn dann noch Brillen flugs per 3-D-Drucker hergestellt und innerhalb von 24 Stunden ausgeliefert werden können, dann dürfte die komplette Branche neu sortiert werden. Immer weniger Kunden dürften dann zehntätige Wartezeiten für ihre neuen Brillen tolerieren.
Klingt nach einer rosigen Zukunft für Mister Spex. Das Geschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist seit 2016 profitabel, sagt Mirko Caspar, die anderen Geschäftsbereiche sollen in zwei bis drei Jahren folgen. Im März wird dann das Partner-Optiker-Programm in Schweden gestartet. Über 500 Läden sind heute schon in Kooperation mit Mister Spex und bieten etwa kostenloses Sehtests an.
Von Zalando lernen
Es geht ihm und Graber nicht darum, der billigste Anbieter auf dem Markt zu sein, sondern ein perfektes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten. Man registriert, dass das Spex-Modell immer mehr als Maßstab für die Onlineoptiker angesehen werde, von den klassischen Fachgeschäften wiederum erwarten Graber und Caspar keinerlei Inspiration. Eher schaut man auf Zalando oder stationäre Erlebniskonzepte wie die Berliner Concept-Shopping-Mall Bikini.
Eine Zahl will man aber doch noch wissen: Wie viele Brillen hat Mister Spex eigentlich im Jahr verkauft? "Das sagen wir nur ungern", mauert Dirk Graber.
Irgendwann hat auch bei Mister Spex Transparenz ihre Grenzen.
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