Fette BMW-Luxusbikes, geklaute Uhren: Das Thema Pop-up-Stores hat viele Facetten. Wie kriegt man mehr Leben in die Bude? Einige Händler haben dazu ungewöhnlichen Ideen.

Überraschung, schaut her, liebe Kunden! Wie schafft man es, die Menschen in einer von Reizen überfluteten Welt auf sich aufmerksam zu machen, zumal gefühlt jeder zweite nur noch mit sich selbst und seinem Smartphone beschäftigt ist?

Indem man Dinge dort zeigt, wo sie niemand vermutet. Die ausgestellte Luxuslimousine in den öden Gängen des Frankfurter Flughafens demonstriert, wie Männer zu Kindern werden, wenn sie davor mit glänzenden Augen innehalten. Denn so etwas hatte man dort nicht erwartet. Für Überraschung sorgen, das wird immer mehr zum Credo deutscher Händler. Das beliebteste und sicher auch einfachste Mittel dafür ist wohl der Pop-up-Store. Man kennt ihn schon lange.

Neues Heilmittel für kurze Zeit

Doch man nahm ihn meist nur dann wahr, wenn die Eisdiele im Winter plötzlich in einen Krämerladen verwandelt wurde. Doch Pop-ups können weit mehr als nur 1-Euro-Artikel aus chinesischem Plastik verkaufen oder als Resterampe des Modegeschäfts von gegenüber zu dienen. Pop-ups sind der neue Renner im Handel, sie können mehr Schwung in die Bude bringen. So begeistert sich John Cloppenburg aus der Inhaberfamilie von Peek & Cloppenburg dafür. In den großen Häusern des Düsseldorfer Modehändlers wurden bereits einige Tests durchgeführt – mit vielversprechenden Ergebnissen, wie er Der Handel/etailment.de verrät (im Printheft nachzulesen ab dem 1. Oktober).

Dort wurden den Kunden auch Produkte angeboten, "die man sonst nicht unbedingt bei P&C erwartet hätte" - etwa Kosmetikartikel und Bücher, ja sogar Uhren wurden dort getestet. Wie gesagt, es waren Tests, nicht alle von Erfolg gekrönt. Von den Uhren hat man sich schnell wieder verabschiedet, offenbar wurden davon zu viele geklaut.
Andreas Chwallek, Chefredakteur von Der Handel und etailment.de
© Aki Röll
Andreas Chwallek, Chefredakteur von Der Handel und etailment.de
Testen, testen, testen – und damit auch Flops riskieren, das haben sich nicht nur die Düsseldorfer aus der Onlinewelt abgeschaut. Fehler riskieren und daraus lernen, das gilt bei Amazon quasi als Dogma. Die Amazons dieser Welt haben es allerdings auch einfacher, weil sie (bisher) fast keine Ladenkosten an der Backe haben.

Anstinken gegen die Kapitalkraft der Großen

Zudem ist ihre Finanzkraft nahezu unerschöpflich. Flops riskieren fällt einfach leichter, wenn man Milliardensummen in der Hinterhand hat. Aus heutiger Sicht geschenkt, dass auch die jungen Onlineriesen mal ganz klein angefangen haben.

Nicht alle: Die Otto Group zählt ebenfalls online zu den Großen. Und sie war schon als Versandhändler ganz groß, als die meisten unserer Leser noch gar nicht geboren waren. Otto hat Finanzkraft, ist online stark und hat zudem noch viele eigene Läden an der Backe, darunter Manufactum und Sport Scheck.

Zweiradpower im Glaskasten

Und bei Sport Scheck poppt es neuerdings ganz kräftig auf: Mitten in der Münchener Filiale Neuhauser Straße steht jetzt ein großer Glaskasten, in dem sich der weltweit erste BMW Motorrad Pop-up-Store befindet. Auf 24 Quadratmetern stellt BMW seine neuesten Maschinen aus, außerdem dazu passende Lifestyle-Produkte.

Damit holt sich der Sporthändler ganz sicher neue Kunden ins Haus, von denen der eine oder andere Biker vielleicht sogar beim Sportsortiment zugreift. Schließlich eignet sich Funktionswäsche für Sportler auch hervorragend für Motorradfahrer. Auf jeden Fall ist die Kooperation der Otto-Tochter mit BMW ein genialer Schachzug, um auf sich aufmerksam zu machen und das eigene Geschäft über die bayerische Premiummarke aufzuwerten. Sport Scheck spricht vom Plattformgeschäft, das nun in den Filialen angekommen ist.

Selbstgestricktes muss nicht schlecht sein

Nennen wir diesen Münchener Laden ruhig die Luxusvariante. Doch welche Möglichkeiten haben Händler, die sich mit bescheideneren (nicht nur finanziellen) Mitteln begnügen müssen? Vernetzen, vernetzen, vernetzen. 
So hat der Schuh- und Sportartikelverbund ANWR jetzt aus den eigenen Reihen eine Pop-up-Börse für die Händler entwickelt. Schließlich ist irgendwo immer eine Fläche frei, die für neue und außergewöhnliche Ideen taugen könnte. Doch wer weiß schon, wo? Kein Thema mehr im Zeitalter der digitalen Vernetzung. Über die neue App lassen sich untereinander schnell die Flächenangebote und passenden Ideen austauschen.

Ungeahnte Testmöglichkeiten

Das öffnet ungeahnte Testmöglichkeiten und lässt im Zweifelsfall auch ungenutzte oder schwach ausgelastete Flächen neu beleben – mit Kaffeebars, Pop-up-Feinkostecken und allem Möglichen – wohl eher ohne Motorräder, weil die Schuhgeschäfte dafür in der Regel zu klein sind, und BMW im Sportgeschäft ja bereits bei der Konkurrenz in München sitzt.

Der Harley Davidson-Pop-up-Store bei Sport 2000? Eher schwer vorstellbar. Und von teuren Uhren wäre auch abzuraten, weil diese ja so gerne geklaut werden.  Nein, im Ernst, die Idee von ANWR ist gut, intern sogar preisgekrönt.

Und Pop-ups können wirklich Leben in die Bude bringen. Darum gelten sie derzeit im stationären Handel als eine Art Heilsbringer. Alle sprechen davon, wenn sie gut gemacht sind. Allerdings sprechen auch viele davon, wenn das nicht der Fall ist. Etwa wenn die Produkte so gar nicht zu dem Händler passen und dabei auch noch nicht einmal den Erlebniswert von irgendwelchen Leckereien bieten.

Forschungslabor gegen den Untergang

Pop-ups bieten sicher die Möglichkeit für außerordentliche Experimente. Richtig verstanden sind sie sogar Forschungslabore. Doch sie können auch die Tatsache vernebeln, dass mancher Laden an mancher Stelle längst ausgedient hat. Damit wäre man wieder beim Thema Flächensterben
John Cloppenburg: "Pop-up-Flächen funktionieren erstaunlich gut."
© Reinhard Rosendahl
John Cloppenburg: "Pop-up-Flächen funktionieren erstaunlich gut."
Denn Flächen werden ganz sicher sterben, weil es davon im deutschen Handel einfach zu viele gibt. Und wer fällt einem bei diesem Thema zuerst ein? Richtig - natürlich Karstadt und Kaufhof. Denn ganz sicher werden im Zuge der Fusion etliche Häuser unter den Hammer kommen. Doch bis dahin ist noch ein bisschen Zeit, schließlich hat das Kartellamt noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Neues Standbein bei Karstadt

Derweil macht Stephan Fanderl als amtierender Karstadtchef und designierte Nummer Eins des neuen Warenhauskonzerns munter weiter und stellt schon mal vorsorglich die Logistik auf andere Füße. Das Joint Venture mit dem Logistiker Fiege soll ab 2020 die gesamte Logistik von Karstadt übernehmen – selbstredend nach der Fusion auch von Kaufhof.

Das neue Baby soll "das Beste aus den beiden Welten Handel und Logistikdienstleistung miteinander kombinieren," verkünden Fanderl und sein neuer Partner Jens Fiege euphorisch. Und noch besser: Mit den zahlreichen Lägern von Karstadt und Kaufhof verfügt das Joint Venture über ebenso viele innerstädtische Logistik-Hubs, die ihre Leistungen auch an Dritte verkaufen können.

Wo das gute Gespür aufpoppt

Da poppt es wieder auf, das herausragende Gespür von Stephan Fanderl für optimierte Prozesse. Denn eines muss man ihm lassen: die Kostenstrukturen des Dauerpatienten Karstadt hat er in den Griff bekommen. Nun folgt der nächste Akt.

Nachdem die viel zu teure Logistik im Jahr 2005 ausgelagert worden war, wird sie nicht nur zurück nach Hause geholt, sie soll sogar noch Geld einspielen. So kommt ein weiterer Baustein dazu, der das Geschäftsmodell Warenhaus in Punkto Kosten tragfähiger machen soll. Dann fehlt bald nur noch der wichtigste Baustein: der Kunde.

Erfolgreich Kunden anlocken?

Vielleicht steigt ja die Frequenz, wenn man mehr Fläche an Pop-up-Stores vermietet – oder sie selbst inszeniert. Leute neugierig machen, in den Laden locken, überraschen – mit dem, was sie bei Karstadt und Kaufhof nicht erwartet haben. Autos, Motorräder, Luxusuhren. Halt, Uhren gibt es dort schon längst, und anders als in manchem Pop-up-Store gut geschützt gegen Diebstahl.

Oder Motorräder? Damit hat Karstadt schon viel Erfahrung: Als es die DDR noch gab, war Karstadt im Westen den Exklusiv-Vertreiber der ostdeutschen Motorradmarke MZ. Daran anzuknüpfen, dürfte schwer sein, nicht nur weil die stinkenden Zweitakter heute nicht mehr gebaut werden.

Es wäre auch aussichtslos, damit gegen die BMW-Bikes bei Sport Scheck anzustinken. Also was dann? Ganz einfach, Karstadt braucht eine andere Kundschaft. Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen?

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