
Gerade an den bedeutendsten Umsatztagen des Jahres, nämlich in den Weihnachtsmonaten, können die Instabilität der E-Commerce Infrastruktur oder manuelle Fehler zu herben Umsatzeinbußen führen. E-Commerce-Berater und HOWADO-Geschäftsführer Alexander Hofmann, beleuchtet in einem Gastbeitrag für etailment Hintergründe, aktuelle Entwicklungen, Risiken und Lösungsansätze.
Cyberport Black Friday Ausfall aufgrund Käufervernetzung
Die Server von Cyberport hielten am Black Friday 2014 dem Ansturm der Käufer nicht stand. In diesem Falle war es u.a. ein Angebot eines Apple iMac Retina, das über das Communitiy-Portal Mydealz.de die Page-Loads pro Sekunde über die maximal mögliche Schwelle hinaus erhöhte. In Folge erhielten Besucher die folgende Wartungsmeldung.

Die zunehmend schnelle Verbreitung von Sonderangeboten (und Preisfehlern) u.a. durch die beschriebene Webseite, ist selbst für umsatzstarke Händler nahezu unberechenbar und kann in Spitzen bis zu zusätzlichen 60.000 Seitenaufrufen und mehr pro Sekunde führen, wobei fortwährende manuelle Seiten-Aktualisierungen der Nutzer und deren Folgen mit einem Denial of Service (DoS)-Angriff verglichen werden können. Werden für die Masse relevante Produkte zu sehr niedrigen Preisen angeboten, so wird dieses Problem umso gravierender, je stärker die bewusste oder unbewusste prozentuale Unterbietung des aktuellen Vergleichs-/ Marktpreises gewählt wird.
Fehler in der Preisdarstellung bei eBay-Angeboten von Notebooksbilliger
Am 8. Dezember 2014 ab ca. 23 Uhr wurden alle bei eBay gelisteten Notebooksbilliger-Artikel zum Festpreis von 5,99 bei kostenfreiem Versand angeboten. Der Fehler wurde aufgrund der Nachtstunden erst um ca. 7.15 Uhr bemerkt und alle (noch vorhandenen) ebay-Angebote wurden deaktiviert, in dem der eBay-Shop in den "Verkäufer ist abwesend"-Modus geschaltet wurde. Auch waren ab diesem Zeitpunkt im Amazon-Marketplace-Shop von Notebooksbilliger keine Angebote mehr verfügbar. Notebooksbilliger-Chef Arnd von Wedemeyer begründet den falschen Preis bei eBay mit einem Fehlern in einem Exportmodul zum eBay-Shop


Rechtliche Einschätzung
Die nachfolgenden Einschätzungen ersetzen keine rechtliche Beratung, sondern geben nur die Meinung des Autors wieder.
Im Gegensatz zu Angeboten auf Portalen wie Meinpaket, Amazon oder Rakuten, bei denen der potentielle Käufer ein Angebot auf Erwerb der angebotenen Artikel stellt, stellen Auktionen sowie Festpreis-Angebote auf eBay verbindliche Angebote dar, bei denen bereits durch den Kaufvorgang ein verbindlicher und rechtsgültiger Kaufvertrag zustande kommt.
In den AGB von notebooksbilliger auf eBay heißt es hierzu:
"Die Darstellung der Waren auf Handelsplattformen wie zum Beispiel eBay stellen bindende Angebote seitens der notebooksbilliger.de AG dar. Im Fall von „Sofort-Kaufen“-Angeboten findet der Vertragsschluss in dem Zeitpunkt statt, in dem der Kunde den „Sofort-Kaufen“-Button anklickt und diese Auswahl auf der folgenden Seite bestätigt."
Für Händler wird es darüber hinaus in den Fällen kritisch, in denen das Shopsystem, bzw. die eingesetzte E-Commerce Lösung nicht nur automatische "Bestelleingangsbestätigungen", sondern auch automatische "Bestellannahmen" oder Versandbenachrichtigungen übermittelt. Auch kann die unachtsame Verwendung von Textblöcken eine Anfechtung verhindern.
Während im eigenen Shop und auf Portalen wie Rakuten, Yatego oder Meinpaket durch die unproblematische "Nicht Annahme" des Angebots auf Preisfehler-Bestellungen reagiert werden kann, führen Bestellungen bei Preisfehlern auf eBay auf Seiten der Händler zu erhöhtem Risiko und Aufwand. Eine "Nicht-Annahme" ist hier nicht ausreichend. Hier bedarf es mit dem Argument der falschen Preisauszeichnung unverzüglich einer rechtsgültigen Anfechtung der Willenserklärung, welche, wenn nicht korrekt durch einen Rechtsanwalt verfasst, ungültig sein kann. Die dann verpflichtende Lieferung von Waren zum "Preisfehler-Preis" wäre im schlimmsten Falle unternehmensbedrohend.
Steigende Bedrohungen und Auswirkungen von Preisfehlern
Die beim „Black Friday“-Problem erwähnte schnelle Verbreitung von "Schnäppchenpreisen" durch Käufer-Communities erfährt bei Preisfehlern eine noch gravierendere Dynamik als bei Angebotspreisen.
Doch warum ist dies so?
Eigentlich sollte jedem potentiellem Käufer klar sein, dass z.B. ein Notebook im Wert von über 2000 Euro nicht zum Preis von 5,99 Euro ausgeliefert werden kann. Allerdings fand in der jüngeren Vergangenheit eine fragwürdige Handhabung von Preisfehlern durch Händler wie Amazon statt. Amazon lieferte beispielsweise, obwohl das Produkt "Fire Phone 32GB" fälschlicherweise zum Preis von 10,- EUR anboten wurde, einen Großteil der "Preisfehler"-Geräte aus. Eine Stornierung aufgrund "Nichtannahme" des Angebots wäre jedoch laut Experten ohne weitere rechtliche Probleme möglich gewesen. Darüber hinaus häufen sich die Fälle, in denen Händler zur Lieferung von Preisfehlern per Urteil verpflichtet wurden.
Schätzungsweise über 10.000 Produkte mit Preisfehler bei Notebooksbilliger bestellt
Der Fall Notebooksbilliger zeigt, dass die Anzahl der Käufer, die bewusst nach Preisfehlern Ausschau halten und trotz offensichtlichem Irrtums "Ihr Glück probieren" auf ein erschreckendes Maß angestiegen ist. So dürfte nach ersten Einschätzungen der entsprechenden mydealz-Webseite die Bestellanzahl weit über 1000 liegen, wobei aufgrund des niedrigen Preises von 5,99 EUR und der Direktzahlmöglichkeit (z.B. per Paypal) auch teilweise 20 und mehr Artikel pro Bestellung erworben wurden.
Zusätzliches Preisfehler-Risiko bei automatisierter Bearbeitung
Bei hohen Bestellanzahlen stellt eine automatisierte Bestellabwicklung, wie sie viele Shopsysteme bieten, eine große Effizienzsteigerung für Onlinehandelsunternehmen dar, da bei Bestellungen von digitalen Gütern wie z.B. Guthabenkarten für Playstation-Network, itunes, etc. nach der erfolgten Online-Bezahlung die Zusendung der entsprechenden Codes vollautomatisch innerhalb von Minuten erfolgt und keinerlei Mitarbeiterbedarf notwendig ist. Diese unmittelbare Zusendung wird bei einigen Onlineshops auch als Werbebotschaft kommuniziert. Auch wenn, nach ersten Recherchen im aktuellen Notebooksbilliger-Fall die automatisierte Zusendung nicht erfolgte, so sollten sich Onlinehändler darüber bewusst sein, dass eine vollständig automatisierte Bearbeitung von Bestellungen von digitalen Gütern ohne vorherige geeignete Kontrolle keinerlei Handlungsspielraum im Falle eines Preisfehlers, z.B. für eine Anfechtung des Kaufvertrags, bietet.
Tragweite von Preisfehlern
Ein Preisfehler kann ein Unternehmen in die Insolvenz treiben. Dies mag zwar auf den ersten Blick übertrieben wirken. Da im aktuellen Fall die Summe der Bestellwerte der Produkte leicht in der Größenordnung von 15 Millionen Euro liegen könnte, wird die Betragsmäßige Tragweite der Problematik sichtbar. Bei Bestellungen aufgrund von Preisfehlern handelt sich nicht (mehr) um einzelne Bestellungen, sondern um ein Massenphänomen.
Aus diesem Grund können selbst Unternehmen im dreistelligen Millionenbereich, je nach Fallszenario, finanziell stark betroffen sein. Für mittelständische Handelsbetriebe ist die Gefahr selbstredend größer, da die Risiken aus möglichen Rechtsverfahren schwer abzufedern sind. Sollte dann im Falle eines Preisfehlers ein Käufer gegen eine vorschnell verschickte Anfechtung erfolgreich Klagen und ein drohendes Referenzurteil zur Lieferverpflichtung rechtskräftig werden, so kann die Vernetzung der Käufer zu einer großen Anzahl an weiteren Klägern führen. Auch wächst mit der steigenden Anzahl an Preisfehler-Käufern auch die Wahrscheinlichkeit, dass Käufer selbst gegen eine berechtigte Anfechtung Rechtsmittel einlegen. Steigender Aufwand zur Abwehr von Forderungen ist die Folge.
Derweil ist der im konkreten Fall der resultierende Schaden noch nicht abzusehen. Diese könnten u.a. sein:
- Umsatzeinbußen aufgrund Nichtverfügbarkeit von Artikeln
- Evtl. Dateninkonsistenz der Warenbestände
- Vertrauensverlust aufgrund massenhaft schlechter Bewertungen bei Stornierung
- Rechtliche Risiken
Aufrufe wie "Kauft Notebooksbilliger leer" auf der erwähnten Webseite verdeutlichen nochmals die Folgen der veränderten Preisfehler-Reaktionen seitens der – überwiegend jungen - Käufer. Auch ist es in diesem Zusammenhang kein Zufall dass Amazon.de am 10. Dezember 2014 für alle Marketplace-Händler die zukünftig verpflichtende Anwendung der bis dahin optional nutzbaren Preisfehler-Sicherheits-Routinen (Mindestpreis) ankündigt.
Auszug aus der aktuellen Anfechtungs-Erklärung von Notebooksbilliger
[…]
Daneben möchten wir darauf hinweisen, dass aufgrund des offensichtlichen Preisfehlers ein Kaufvertrag zwischen Ihnen und der notebooksbilliger.de AG nicht zustande gekommen ist. Lediglich hilfsweise erklären wir die Anfechtung des Rechtsgeschäftes wegen dieses Irrtums.
[…]
Die aktuelle Anfechtungserklärung zeigt: Jede Anfechtung birgt, im besten Falle Präzedenzfall-Risiken. Dass der Käufer eines Artikels im Verkaufswert von 30,- Euro bei einer Preisreduzierung auf 5,99 EUR wirklich offensichtlich von einem Preisfehler ausgehen musste, darf bezweifelt werden. Da sich diese Anfechtung relativ schnell verbreiten dürfte und Ihre Relevanz für andere Onlinehändler gegeben ist, werden mit großer Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft auch Einschätzung von Rechtsanwälten zu lesen sein.
Fazit für Onlinehändler
Prüfen Sie Ihre "Worst Case Szenarien" zum Management von Preisfehlern
- Wird eine automatische Annahme der Bestellung/ Versandbenachrichtigung versandt, oder lediglich eine Bestelleingangsbestätigung
- Was ist der Status der aktuellen Abläufe insbesondere bei eBay (Sonderfall)
- Sind Mitarbeiter instruiert im Falle eines "ausgenützten" Preisfehlers keine anwaltlich ungeprüften E-Mails und Telefonate zu führen
- Welche Monitoring und Notification-Services unterstützt Ihr Shopsystem?
- Erfolgt eine Benachrichtigung bei ungewöhnlichen Bestellvolumina, Bestellwerten oder Häufungen über einen speziellen Verkaufskanal?
In Folge des Einsatzes von automatisierten Preis-Kalkulations-Algorithmen und zunehmender Vernetzung mehrere Vertriebswege steigt in jüngster Zeit die Anzahl an Preisfehlern. Damit nehmen auch die Gefahren für Onlinehändler zu, die von Ihnen ausgehen. Durch die gestiegene Vernetzung von Käufern werden die negativen Auswirkungen von Preisfehlern zusätzlich verstärkt und die Kunden-Kommunikation wesentliche erschwert. Jedes Onlinehandelsunternehmen sollte daher geeignete Präventiv-Maßnahmen eruieren und, je nach eingesetztem Shopsystem, Benachrichtigungs- und Steuerungsmöglichkeiten im Falle eines Preisfehlers schaffen.