Er hat keine Erfahrung als Unternehmer im Einzelhandel, will aber in Görlitz das KaDeO entwickeln. Der Mediziner Winfried Stöcker plant, in der prächtigen Kulisse des ehemaligen Hertie-Hauses eine kleine, feine Einkaufswelt zu schaffen.

Nein, sagt Winfried Stöcker, es sei keineswegs ein Traum von ihm gewesen, einmal ein eigenes Kaufhaus zu besitzen. Doch wenn ein Unternehmer aus der medizinischen Diagnostika-Branche mit 1.500 Beschäftigten nicht nur irgendein Warenhaus kauft, sondern eines, das als das schönste seiner Art in Deutschland gilt, dann haftet diesem Investment auch etwas Romantisches an.

Ende Juni hat Stöcker den Zuschlag erhalten für das ehemalige Hertie-Kaufhaus in Görlitz. Das ist zwar mit bisher etwa 6.000 Quadratmeter Verkaufsfläche kein großes, dafür prächtiges Jugendstil-Warenhaus, eröffnet 1913, mit Lichthof, Arkadenbögen, verzierten Säulen und Wandverzierungen. Das Haus gehörte einst Karstadt, später zu Hertiekette, die vor etwas über vier Jahren pleite ging. Seitdem stand das Objekt leer, wie so viele andere auch. 23 Häuser sind noch zu haben, bis Ende 2014 will die für die Vermarktung zuständige Assent Management-Gesellschaft CR Investment sämtliche Objekte verkauft haben.

Der Posten des Direktors ist zu besetzen

Nun will ein gebürtiger Oberlausitzer einen Handelsmagneten in der Oberlausitz wiederbeleben. Stöcker stammt aus Bernstadt im Landkreis Görlitz, und dort arbeiten heute auch rund 150 Mitarbeiter einer Zweigstelle von Stöckers Lübecker Unternehmen Euroimmun.

Man hat das Gefühl, dass dem Medizinprofessor sein Kerngeschäft längst nicht mehr genug ist. Schließlich betreibt er auch eine Hotel Gmbh - und nun das Kaufhaus. Erfahrung im Einzelhandel? "Die habe ich als Kunde", sagt er zu derhandel.de Ob das reicht? "Fall ich Experten finde, die mich unterstützen, werde ich gerne auf sie hören. Allerdings werde ich dem Konzept meine eigene Prägung geben." Und wenn ein junger, begabter Mensch in Görlitz Kaufhausdirektor werden wolle, dann solle er sich bei ihm melden.

Zugeständnisse bei der Miete

Stöckers Konzept ist ambitioniert. Er will in Görlitz, direkt an der polnischen Grenze, das Kaufhaus der Oberlausitz schaffen, ein KaDeO. Die namentliche Ähnlichkeit zum Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe ist gewollt - denn auch in der Görlitzer Jugendstilkulisse soll gehobenes Sortiment angeboten werden, mit Mode, Lebensmitteln und schicker Gastronomie. Damit die feinen Schneider auch ins südöstliche Sachsen kommen, will Stöcker gar bei der Miete "deutliche Zugeständnisse machen", hatte er der "Textilwirtschaft" gesagt.

Doch wie vertragen sich Luxus und die Oberlausitz? Nach der jüngsten GfK-Erhebung hat der Landkreis Görlitz die schlechteste Kaufkraft in Deutschland (Indexwert unter 72). "Die Kaufkraft wird in den nächsten Jahren ansteigen", glaubt Stöcker und setzt auf Touristen sowie Bewohner der Nachbarländer Polen und Tschechien. Dazu passt, dass der Mediziner parallel zur Kaufhausentwicklung auch noch am Bertzdorfer See, nahe Görlitz, ein Tagungshotel plant.

Besser als in Dresden

Stöcker will die Menschen nach Görlitz holen, zum Tagen, Kurzurlauben - und Einkaufen. Weniger die Berliner, weil es ja schon etwas albern wäre, vermögende Hauptstadtkunden ins KaDeO zu locken, wo das KaDeWe auf deutlich größerer Fläche viel mehr Luxus anbietet. Stöcker setzt vielmehr auf die Konsumenten aus Dresden und der polnischen Stadt Breslau, zwei Autostunden von Görlitz entfernt. Dresden? Hier gibt es doch unter anderem die Center Elbepark und Altmarkt-Galerie. "Unser Angebot wird besser sein", kündigt Stöcker an.

Kenner des ostdeutschen Handels wie Jürgen Worms, einst Manager des ECE-Center "Thüringen Park" in Erfurt, nun Berater mit Sitz in Weimar, sagen, dass betuchte polnische Frauen in der Tat überdurchschnittlich viel Geld ausgeben für teure Textilien. Für Stöcker gelte es nun, diese kaufkräftige Kundschaft anzulocken. "Dafür braucht er nicht nur gute Ware, sondern auch erstklassige Gastronomie sowie hochgeschultes Verkaufspersonal für exzellenten Service", erläutert Worms.

Etwa 20 Millionen Euro an Investitionen

Wie viel Geld Stöcker für den Erwerb des Kaufhauses ausgegeben hat, ist nicht bekannt. Sein ungefähres Investitionsvolumen schon eher. "Vielleicht werden wir bis zum Ende des letzten Bauabschnitts insgesamt 20 Millionen Euro ausgeben müssen", rechnet er vor. Die Verkaufsfläche soll erweitert werden, für die Seitenbereiche des Kaufhauses plant der Mediziner Rolltreppen, zudem sind Fahrstühle vorgesehen, die aber die Harmonie der denkmalgeschützten Kulisse nicht stören sollen. Und im zweiten Bauabschnitt "wollen wir ein nettes Restaurant mit Blick in die Berge schaffen".

Rückenwind vom Oberbürgermeister

In Görlitz gibt es bisher nur Zustimmung für Stöckers Engagement. Oberbürgermeister Siegfried Deinege ist sich sicher, dass ein wiederbelebtes Kaufhaus die gesamte Innenstadt beleben wird. "Jetzt gilt es, Herrn Stöcker und sein Konzept zu unterstützen", sagte Deinege der "Sächsischen Zeitung" mit Blick auf Denkmalschutz, städtische Bauaufsicht und den Kampf um Fördermittel.

Auch Robert Navratiel, Vorsitzender des lokalen Händlerzusammenschlusses Aktionsring Handel, findet Stöckers Engagement "klasse". Der Investor wiederum tut alles dafür, dass dieses gute Klima bleibt. Er hoffe, dass viele Görlitzer Händler in dem Kaufhaus Filialen einrichten werden, sagt er. "Es liegt mir daran, dass im KaDeO möglichst viel an bodenständigen Produkten verkauft wird." Ramsch wolle er auf keinen Fall anbieten. Vielleicht gibt es auch einen kleinen Stöckershop, denn neben den vielen Interessen hat der agile Unternehmer auch diese: er kocht gerne Marmelade.