In der Bargeldversorgung gelten ab Mai neue Spielregeln. Doch Banken, Handel und Geldtransporteure sind den kommenden Aufgaben im Bargeldrecycling noch nicht gewachsen.
Bevor das Geld allerdings wieder in die Hände der Verbraucher gelangt, nimmt ein großer Teil des Bargeldkreislaufs bislang einen Umweg über die Bundesbank. In deren bundesweit verteilten 47 Cash-Center werden heute noch rund 70 Prozent des Bargeldaufkommens gezählt, geprüft, konfektioniert und erst dann wieder über die Banken in den Umlauf gebracht. Effizient ist diese Form des Bargeldrecyclings nicht, die Kosten trägt der Steuerzahler.
Mit der neuen Bargeldstrategie der Notenbank soll sich dies ändern: "Es ist nicht unsere Aufgabe mit dem Klingelbeutel durch die Lande zu gehen, in den jeder sein Bargeld hineinwirft", beschreibt Carl-Ludwig Thiele, Mitglied des Vorstands der Bundesbank, die neue Marschrichtung. Das Bargeldrecycling soll zukünftig verstärkt durch die private Wirtschaft erfolgen (siehe auch Der Handel 12/2010).
Deutliche Verteuerung der Münzgeldversorgung
Eine erste kritische Wegmarke hierzu war die Umstellung auf sortenreine Münzcontainer zum Jahreswechsel. Zwar kam es dadurch nicht zu den befürchteten Engpässen bei der Wechselgeldversorgung, viele Handelsunternehmen spüren doch bereits heute eine deutliche Verteuerung bei der Beschaffung von Münzgeld.Die Banken und Dienstleister verlangen im Schnitt einen Aufschlag zwischen 4 bis 7 Cent pro Münzrolle, weil das Handling für sie wesentliche aufwendiger geworden ist.
"Ein Cent Mehrkosten pro Rolle bedeutet für uns eine Kostensteigerung im Bargeldhandling von bis zu 2 Prozent", verdeutlicht Paul Monzel, Funktionsbereichsleiter Finacial Services bei der Rewe Group, die Konsequenzen. Der Kölner Handelskonzern benötigt im Jahr rund 36 Millionen Hartgeldrollen. Aber auch bei mittelständischen Händlern machen sich die Preissteigerungen im Münzgeldbereich bereits heute bemerkbar.
Nur ein Vorgeschmack auf kommende Preiserhöhungen
Dies ist jedoch nur ein Vorgeschmack auf kommende Preiserhöhungen. Denn zum 1. Mai 2011 werden noch weitaus durchgreifendere Veränderungen im Bargeldkreislauf stattfinden. Zu diesem Stichtag dürfen Geld- und Wertdienstleister nur noch reine Transportleistungen erbringen.Ohne Zulassung des Bundesaufsichtsamts für Finanzdienstleistungen (BaFin) ist es ihnen nicht mehr möglich, Kundengelder in ihren eigenen Cash-Centern zu vermischen. Zudem werden die Konten geschlossen, die die Transportunternehmen infolge des Heros-Skandals bei der Bundesbank führen. Aktuell werden rund 30 Prozent der Einnahmen des Einzelhandels direkt auf diese Treuhandkonten eingezahlt.
Noch immer ist unklar, wer in den wenigen verbleibenden Wochen die Lücke schließen soll, die von der Bundesbank hinterlassen wird.
Auf der hochkarätig besetzten Fachveranstaltung "Deutscher Bargeldlogistik Kongress 2011" Ende März in Frankfurt am Main herrschte großes Rätselraten. Während Carl-Ludwig Thiele die Pläne der Bundesbank als notwendige und unumkehrbare Effizienzsteigerung verteidigte, wünschte sich Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), eine Aussetzung der Vorhaben und eine Rückkehr zu den alten Gebührenstrukturen. "Bargeld ist ein gesetzliches Zahlungsmittel und das Bargeldrecycling daher eine hoheitliche Aufgabe", lautet das Credo des Handels.
Aber auch der Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), der vom Bargeld als "teuerstes Zahlungsmittel" sprach, schlug in seltener Einvernehmlichkeit in die gleiche Kerbe: "Ich teile die Sorge des Handels, ein Markt für das private Cash-Recycling ist noch nicht vorhanden", kritisierte Dr. Ibrahim Karasu, BdB-Geschäftsführer, den ambitionierten Zeitplan.
Klare Worte von der BaFin
Bemerkenswert deutliche Worte fand der Vertreter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, der über die Erfahrungen der Behörde mit den Zulassungsanträgen der Geld- und Wertdienstleister berichtete. Drei Unternehmen aus der Branche haben einen Antrag in Bonn eingereicht, um die Erlaubnis für das private Bargeldrecycling zu erhalten."Hier kommen Welten zusammen, die nicht zusammen gehören", urteilte Dr. Jens Fürhoff, zuständiger Abteilungsleiter in der BaFin über seine Gespräche mit den Geldlogistikern. Die Hoffnung auf eine baldige Erteilung einer ZAG-Lizenz für einen der drei Kandidaten ist damit in weite Ferne gerückt. "Hier sind einige Denkblasen zerplatzt", fasste Rewe-Manger Monzel, die Ausführungen des BaFin-Beamtern später zusammen.
Ohne Zulassung bleibt den Geldlogistikern entweder nur der bloße Transport von Bargeld oder das Cash-Recycling in Kooperation mit Banken. Vier solche Partnermodelle gibt es aktuell im Markt, allerdings nur für Münzgelder, nicht für Banknoten (siehe Der Handel 12/2010). Ob deren Tätigkeit ohne BaFin-Zulassung möglich ist, dahinter machte HDE-Chef Genth ein großes Fragezeichen.
Und auch ein anderes, drängendes Problemfeld des neuen Bargeldkreislaufs ist ungeklärt: Es gibt noch keine Versicherungen, die mehr als das Transportrisiko abdecken. "Wenn die Versicherungswirtschaft noch keine Lösungen für das Risiko des privaten Bargeldrecyclings gefunden hat, dann ist das doch sehr bezeichnend", warnte Genth.
Surreale Diskussionen
"Die Diskussion hat angesichts der Prozessrisiken etwas Surreales", resümiert Peter Lühr von der Unternehmensberatung ascopert. "Die Bargeldlogistiker werden Notengeld aus der Entsorgung mangels Alternativen und entgegen der ursprünglichen Ziele des Gesetzgebers weiterhin im Bearbeitungsprozess vermischen - ohne ausreichenden Schutz gegen Betrug oder Insolvenzfälle", so der Branchenexperte.Doch trotz aller Kritik wird es keine Verschiebungen im Zeitplan geben, denn das einschlägige Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) ist europäisches Recht. "Die Messe ist gelesen", brachte es ein Teilnehmer auf den Punkt.
Die Handelsbranche muss sich im Bargeldhandling auf höhere Kosten bei gleichbleibenden Risiken einstellen. Der ehemalige FDP-Politiker Thiele hingegen freut sich über "spannende Zeiten" in seinem Vorstandsressort.
Hanno Bender
Dieser Artikel ist in April-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Der Handel erschienen. Ein kostenfreies Probeexemplar erhalten Sie hier.