Eine SOS-Aktion rettet den Quelle-Nachlass vor den Rollkommandos: Frühere Mitarbeiter und Wissenschaftler sichern wichtige Zeugnisse der Unternehmensgeschichte.
Wenn schon das Versandhaus selbst nicht vor dem Untergang bewahrt werden konnte, so sollte wenigstens die Geschichte des deutschen Traditionsunternehmens nicht auf der Müllhalde landen,sagte sich der bisherige Quelle-Pressesprecher Manfred Gawlas. Er sorgte dafür, dass wichtige Teile des Quelle-Nachlasses vor den anrückenden Rollkommandos gesichert wurden. Quelle war nach der Insolvenz im Herbst abgewickelt worden.
Oft blieben Gawlas und dem Leiter des Nürnberger Museums für Industriekultur, Matthias Murko, nicht viel Zeit, um etwa Kataloge, Werbefilme, Fotos, Dokumente und Kameras vor den Abfallcontainer zu retten. Denn wo immer nach der Quelle-Insolvenz Firmengebäude aufgegeben wurden, ließen die Insolvenzverwalter Entrümpler anrücken.
Gnadenlos in den Container
Und die beförderten das gesamte Inventar gnadenlos in bereitstehende Container. Heute ist Gawlas trotz des Stresses froh über die Rettungsaktion. "Das waren wahre Schätze. Die wären alle verloren gegangen", sagt er. Und auch Murko zeigt sich erleichtert: "Was wir da retten konnten, hat einen extrem hohen Wert für uns."Dabei war es Gawlas zunächst nur um die Rettung seines eigenen Abteilungsarchivs gegangen, für dessen Aufbau er seit 1997 gesorgt hatte. Neben den gesamten Katalogen waren dort Fotos, Werbefilme, Kunden-Rundschreiben und Bilder von Betriebsfeiern mit den Firmeninhabern Gustav und Grete Schickedanz gelagert. Museums-Chef Murko war beim Begutachten des Archivs sofort bereit, den Nachlass im Industriemuseum zu übernehmen.
Als andere Quelle-Kollegen von der Rettungsaktion Wind bekamen, riefen sie Gawlas zu Hilfe: In immer neuen Gebäuden des weit verzweigten Quelle-Imperiums tauchten beim Aufräumen wertvolle Funde auf, denen der Abfallcontainer oder die Schrottpresse drohte.
Lager mit Kameras
«So machten uns Kollegen im Nürnberger Versandzentrum auf ein Lager mit Kameras aufmerksam», berichtet der frühere Quelle-Mann. Die seien dort jahrzehntelang offenbar als Muster aufbewahrt worden. Inzwischen sind auch diese Bestände von Murko gesichert. Diese Entdeckung freut den Quelle-Pressechef besonders."Manche haben das vielleicht längst vergessen: Aber Gustav Schickedanz hat mit den in Fernost produzierten Kameras der Quelle-Eigenmarke Revue das Fotografieren zu einem preiswerten Hobby gemacht", erklärt Gawlas. In einem alten Kartonagelager fand sich eine komplette Sammlung alter Quelle-Kataloge, in einem anderen Firmengebäude jahrzehntealte Quelle-Nähmaschinen.
Historische Kataloge von "unschätzbaren Wert"
Gerade die historischen Kataloge sind für den Nürnberger Museums-Leiter Murko von unschätzbarem Wert. "Der Katalog ist eine Stilgeschichte der Alltagsmode. Wenn ich mich mit den 60er Jahren auseinandersetzen will, dann führt kein Weg an dem Quelle-Katalog vorbei", betont der Kulturhistoriker.Ein paar Exponate sollen bereits im Jahr 2010 im Rahmen einer Ausstellung "175 Jahre deutsche Eisenbahn" gezeigt werden. Denn sowohl das Quelle-Stammhaus in Fürth als auch das Quelle-Versandzentrum liegen an der früheren Trasse der ersten deutschen Eisenbahn. "Langfristig kommen wir aber um eine große Quelle-Ausstellung gar nicht herum." Dazu sei das Thema nach der Quelle-Insolvenz in der Region zu wichtig.
Insolvenzverwalter unterstützt Geschichtsrettung
Unterstützt wird die Rettungsaktion nach Gawlas Darstellung auch vom Quelle-Insolvenzverwalter. "Der hält das für eine hervorragende Idee. Aus anderen Insolvenzfällen weiß er, dass in solchen Fällen oft wichtige Zeugnisse der Firmengeschichte in der Schrottpresse landen", erzählt der Quelle-Mitarbeiter.So profitieren von der Aktion neben dem Nürnberger Industriemuseum auch das Fürther Stadtarchiv und ein Kameramuseum im oberfränkischen Plech. Auch das bayerische Staatsarchiv hat nach Gawlas Worten Interesse an Quelle-Archivalien angemeldet. So werde das Versandhaus wenigstens in den
Geschichtsbüchern weiterleben, hofft Gawlas: "Denn der Plan eines eigenen Quelle-Museums ist leider nie umgesetzt worden."
Von Klaus Tscharnke, dpa