Kiosk-Filialen, Presse- und Tabakfachverkaufsstellen, Convenience-Stores, Bahnhofsbuchhandlungen: Der Schweizer Handels- und Foodkonzern Valora wird digital. Das Mitglied der Konzernleitung Thomas Eisele erläutert, wie Valora den Ansprüchen moderner Kunden gerecht werden will.
Wie stellen Sie sich als Konsument den idealen Einkauf vor?
Convenient, das bedeutet für mich vor allem praktisch. Je nach Bedürfnis wie Durst, Hunger, Halsweh, ich muss ein Hemd glätten, brauche ein Ticket oder ein Geschenk, muss ich als Konsument schnell und bequem einkaufen können. Viele sagen, sie hätten gerne Auswahl, aber ich habe gerne ein Konzept, das mir die Entscheidung abnimmt. Wenn beim Händler zum Beispiel zum Valentinstag schon ein passendes Geschenk für meine Frau bereitliegt, weil ich ihn mal wieder vergessen habe.
Valora: Der Konzern
Nah, schnell, praktisch, frisch: Die Kiosk-Filialen, Presse- und Tabakfachverkaufsstellen, Convenience-Stores sowie Bahnhofsbuchhandlungen des Schweizer Konzerns Valora mit Sitz in Muttenz nahe Basel eint, dass sie an hochfrequentierten Lagen wie Einkaufszentren, Warenhäusern Bahnhöfen und Flughäfen vertreten sind. Inzwischen konzentriert sich das börsennotierte Unternehmen mit der „Kiosk-DNA“ auf die Geschäftsbereiche Retail und Food Service mit rund 2.800 Verkaufsstellen, davon fast 1.500 in Deutschland. Zu den Retail-Marken gehören k kiosk, Cigo, Presse&Buch, Avec und ServiceStore DB/ U-Store. Zu den Food-Marken die Selbstbedienungs-Bäckereien Backwerk, die Brezelbäckereien Ditsch und Brezelkönig sowie die Kette Caffè Spettacolo.
Insgesamt weist der Konzern im aktuellen Geschäftsbericht 2017 Nettoumsatzerlöse in Höhe von 2,075 Milliarden Schweizer Franken (1,77 Milliarden Euro) sowie einen Reingewinn von gut 57 Millionen Franken (knapp 49 Millionen Euro) aus und beschäftigt 15.000 Mitarbeitende im gesamten Verkaufsstellennetzwerk, von denen 880 Filialen in Franchise betrieben werden.
Wie zahlen Sie?
Ich habe im Prinzip kein Bargeld mehr, nur noch hier in Deutschland, weil Sie vom Taxifahrer schief angeschaut werden, wenn Sie mit Karte zahlen wollen. Ich finde das kontaktlose Bezahlen angenehm und hygienisch, man muss kein Gerät mehr anfassen. Deutschland ist noch ein Bargeldland, aber das wird sich ändern. Allein, weil die jungen Konsumenten nicht mehr so an Münzen und Scheinen hängen.
© Valora
Brezelbäckerei Ditsch hat 220 Verkaufsstellen in Deutschland
Wie weit sind die Valora-Verkaufsstellen dabei technisch?
Wir haben beispielsweise im vergangenen Jahr die Ditsch-Filialen mit EFT-Terminals ausgestattet, bei denen Kunden kontaktlos bezahlen können und wollen bald die Papierposter durch digitale Bildschirme austauschen. Wir wollen damit neue Inhalte generieren, tagesbasiert und zeitgesteuert. Ich muss morgens nicht den Pizzasnack bewerben und nachmittags kein Frühstücksangebot. Wenn es mehr als 30 Grad warm ist, ist die Brezel auch nicht der Verkaufsschlager, da bewerbe ich zentral in allen Filialen kühle Getränke. Wir wollen Kaufimpulse schaffen.
© Valora
Valora-Marken
Und im Hintergrund?
Da ist für uns das Thema Analytics wichtig. Wir haben quer durch die Konzepte so viele anonymisierte Kundendaten, weil jeder Käufer mit dem Kassenbon einen digitalen Fußabdruck hinterlässt. Ich weiß zum Beispiel bei den Kiosken, was ein Marlboro Rot-Kunde typischerweise dazu kauft.
Was denn?
Das sage ich Ihnen nicht, die Konkurrenz liest mit.
Wie setzen Sie Ihr Wissen denn gewinnbringend ein?
Wir können dem Zigaretten-Kunden zum Beispiel noch an der Kasse einen Zusatzartikel offerieren. Oder je nach Standort unserer Filiale etwa im Einkaufszentrum oder der Innenstadt sowie Wochentagen Kundengruppen identifizieren, nach denen wir unsere Sortimente entsprechend ausrichten. In fünf Brezelkönig-Filialen haben wir beispielsweise Sensoren, an denen wir die Schlangenbildung messen. Wie lange die Kunden anstehen und wie lange es dauert, bis sie bedient werden.
Aktuelle Projekte
Neben digitalen Dienstleistungen wie Pickup / Drop-off-Services will der Konzern unter anderem die Kundenloyalität mit Promotions und Loyalitätsaktivitäten durch die seit März 2017 in der Schweiz erhältlichen k kiosk App erhöhen. Im vergangenen Jahr hat Valora zudem die Vertriebsprozesse mit den Verkaufsstellen optimiert. Dazu haben die Schweizer in der Google Cloud eine einfach skalierbare, strukturierte Kommunikations- und Kollaborationsplattform aufgebaut „und in Rekordgeschwindigkeit auf alle Schweizer Retail-Verkaufsstellen ausgerollt“, so Valora-CEO Michael Mueller.
Die Plattform habe bislang sieben Applikationen abgelöst und Valora sei nun in der Lage, neue Angebote deutlich schneller in den Verkaufsstellen verfügbar zu haben, heißt es im Geschäftsbericht. Die weiteren Formate würden nun schrittweise daran angebunden.
Ein immer wichtig werdender Bestandteil der Aus- und Weiterbildung ist die Wissensvermittlung über das E-Learning, das die Schweizer ausbauen wollen. Valora nutzt dazu das Learning Management System Avendoo, das es Verkaufsstellenmitarbeitern ermöglicht, unabhängig von Ort, Zeit und Beschäftigungsgrad zeitnah ein einheitliches Wissen zu vermitteln.
So wissen wir ganz genau, wie schnell eine Transaktion ist. So prüfen wir regelmäßig, ob sich die Bedienzeit verlangsamt hat und wenn ja, warum: Gab es Wechsel im Personal oder wurde die Theke so umgestaltet, dass ein bestimmter Handgriff jetzt länger dauert. Ob die Bedienzeit für einen Hotdog 40 oder 31 Sekunden beträgt, macht zur Hochfrequenzzeit einiges aus.
Wie sieht die Valora-Strategie rund um das Thema Digitalisierung aus?
Uns geht es im Konzern und den einzelnen Linien dabei nicht um die Investition, sondern um den Inhalt. Bei der Digitalisierung kann man nicht rechnen, dass irgendetwas auf 3 Jahre so und so viel kostet. Wenn wir nicht dranbleiben, sind wir in drei Jahren nicht drei Jahre zurück, sondern im Vergleich zu denen, die drangeblieben sind, macht das 10 Jahre aus.
Kritik an Pilotprojekt zur Laufweganalyse
Ende 2016 geriet Valora mit einem Pilotprojekt am Zürcher Hauptbahnhof in die Kritik, weil der Handelskonzern per Handydaten die Laufwege der Kundschaft analysiert hatte. Sensoren in den Valora-Geschäften K-Kiosk, Press & Books, Brezelkönig und Caffè Spettacolo sollten anonymisiert die Signale erfassen und speichern, die Smartphones zum Erkennen von WLAN-Netzen aussenden.
„So sehen wir, ob der Kunde nach dem Kaffeekauf im Spettacolo auch noch einen Brezelkönig besucht und wie treu er uns ist“, wurde damals Valoras Digital Innovation Manager Cyril Dorsaz in den Medien zitiert. Das Projekt wurde nach der Kritik gestoppt.
„Valora nimmt das Thema Datenschutz sehr ernst und prüft entsprechende Projekte vorgängig sowohl technisch als auch juristisch intensiv. Wir haben damals aber wohl nicht gut genug informiert“, räumte Valora-CEO Michael Mueller kürzlich noch einmal ein. „Wir haben lediglich aufgrund von überall verfügbaren WiFi-Signalen von Smartphones die Kundenflüsse gemessen. Dies, um beispielsweise unseren Personalbedarf zu optimieren. Die aggregierten Daten, die Valora im Zusammenhang mit dem Projekt erhalten hat, ließen sich aufgrund deren Anonymität zu keinem Zeitpunkt einer bestimmten Person zuordnen.“
Das Interview mit Thomas Eisele zur Strategie von Valora und ein Porträt über den Schweizer Handels- und Foodkonzern lesen Sie in der April-Ausgabe von Der Handel. Ein Probeexemplar können Sie hier anfordern.Mehr zum Thema:
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