Usability? Da denken Onlinehändler erst mal an Klickwege und Navigation. Doch Ediz Kiratli, Senior User Experience Consultant bei eResult, rät, den gesamten Shoppingprozess im Auge zu behalten. Also auch die Retourenabwicklung. Für etailment zeigt er in einem Gastbeitrag auf, welche unterschiedlichen Strategien dabei Händler wie Notebooksbilliger, Amazon und Otto verfolgen und erklärt, warum der klassische Retourenschein auch heute noch von Vorteil ist.


Den Nutzer bei den Online-Retouren nicht im Stich lassen

Eine erste kleine "Überraschung" war für mich die Entdeckung, dass viele namhafte Online-Shops (darunter Amazon und notebooksbilliger.de) die Abwicklung der Retouren nur noch online anbieten. Dies bedeutet für den Online-Käufer, dass er in den Paketen keine klassischen Retourscheine mehr findet, wie es beispielsweise noch bei Zalando oder Otto der Fall ist. Dies kann für mich als Käufer einen möglicherweise negativen Eindruck hinterlassen, da ich je nach Kenntnis einerseits nicht damit rechne und andererseits in den Paketen auch kein Hinweis zu finden ist, wie die Retourabwicklung genau funktioniert.

Bei Amazon, die bekannt dafür sind, Prozesse auf gute Usability hin zu optimieren, funktioniert der Prozess insgesamt recht gut. In den E-Mails werde ich als Käufer bereits darüber informiert, dass die Retoure sowohl über den persönlichen Bereich (Meine Bestellungen) als auch über eine separate Retouren-Website (s. Abb. 1) durchgeführt werden kann. Positiv fällt auf dieser Website auf, dass der Prozess zunächst durch Bilder gut anschaulich beschrieben wird, bevor es in die konkrete Umsetzung geht. Zusätzlich wird die Möglichkeit angeboten, bei Interesse den Artikel ggf. zu verkaufen und auch einzutauschen. Dies könnte ich mir persönlich z.B. bei ungeliebten Geschenken als eine gute Notlösung Lösung vorstellen. 

Spezielle Retour-Website bei amazon.de
Spezielle Retour-Website bei amazon.de

Im Gegensatz dazu findet sich bei notebooksbilliger.de kein Hinweis zur Retourabwicklung in den E-Mails, so dass ich als betroffener Nutzer zuerst die Website besuchen muss, um mich näher zu informieren. Auch bei notebooksbiliger.de gibt es eine spezielle Seite: Jedoch wird der Ablauf nicht vorab beschrieben. Der Nutzer muss also sofort in den Prozess einsteigen ohne zu wissen, wie lange dies dauert und welche Informationen dafür benötigt werden. 

Spezielle Retour-Website bei notebooksbilliger.de
Spezielle Retour-Website bei notebooksbilliger.de

Der klassische Retourenschein: Altmodisch, aber dafür schnell und effektiv

Im Vergleich zu den Retouren-Websites wirkt der Retourenschein in schwarz-weiß im ersten Moment eher altmodisch, ist dafür aber klar gegliedert und eine Kurzanleitung zeigt einem kurz und knapp an, was genau zu tun ist. Von mir als Kunden wird lediglich gefordert den Rücksendegrund anzugeben und das Rücksende-Etikette an auf das Paket aufzukleben. Dies ist fast spielerisch in wenigen Minuten erledigt. Diese Lösung ist deutlich komfortabler und kundenfreundlicher für den Käufer, da kein Online-Formular weitere manuelle Einträge benötigt, wie Artikel- oder Rechnungsnummer.

Einen schönen Zusatzservice bietet Otto an: Auf dem Rücksendeschein werden die Adressen und sogar Öffnungszeiten von zwei nahe gelegenen Paketshops angegeben, so dass ich mir als Kunde den Schritt spare, im Internet bei Hermes nach Adresse und Öffnungszeiten zu recherchieren. In meinen Augen ein sehr gelungenes Bespiel für gut umgesetzte User Experience.

Retourenschein von Otto mit Adresse und Öffnungszeiten von Paket-Shops
Retourenschein von Otto mit Adresse und Öffnungszeiten von Paket-Shops


Online-Retouren erfordern (noch) viel Involvement vom Nutzer

Die Testkäufe haben mir gezeigt, dass Unternehmen die Retourabwicklung insgesamt sehr professionell planen und abwickeln und somit dem Kunden ein gutes Gefühl geben, dass seine Retouren schnell und einfach umgesetzt werden. Dies schafft zusätzliches Vertrauen zum Anbieter und dessen Online-Shop.

Dabei sehe ich persönlich weiterhin noch viele Vorteile des klassischen Retourenscheins. Dieser ist in wenigen Minuten ausgefüllt und kann mit zusätzlichen Services (z.B. Öffnungszeiten von Paket-Shops) im Prozessablauf sehr gut aufgewertet werden. Dieser zeitliche und praktische Vorteil wird aus meiner Expertensicht bei der Online-Retourabwicklung (noch) nicht erreicht, da zahlreiche Einzelschritte vom Online-Käufer erwartet werden:

  • Laptop oder Tablet starten
  • E-Mail mit URL heraussuchen
  • Online-Shop aufrufen
  • das Formular ausfüllen
  • Retourenschein ausdrucken

Hier wird viel Einsatz vom Kunden gefordert, ohne dass es dafür einen direkten Mehrwert bzw. Vorteil für den Kunden gibt. Für das Unternehmen bedeutet es eine Reduzierung der Prozesskosten, jedoch zum Preis einer reduzierten User Experience.

Quo Vadis Retourenabwicklung? Klassisch oder Online?

Wie sehen Sie diese Entwicklung? Wird sich die Online-Retourabwicklung weiter durchsetzen oder besitzt der klassische Retourenschein weiterhin viele Vorteile für den Kunden? Wie kann die klassische Retourabwicklung in Ihren Augen noch weiter optimiert werden?

Diese und weitere spannende Fragestellungen möchten wir bei eResult in einer größer angelegten Grundlagenstudie „Logistik/Fulfillment“ in diesem Jahr beantworten. Dabei wollen wir Online-Shopper über einen längeren Zeitraum mittels Online-Tagebuch und Blog begleiten, um Erfahrungen, Erwartungen und Erfordernisse stärker zu durchleuchten. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen oder Wünsche zur Mitgestaltung entgegen.