Die Schufa ist die größte deutsche Auskunftei. Wenn es um Kredite und Zahlungssicherheit geht, spielt sie häufig eine zentrale Rolle. Mit der Digitalisierung wachsen die Aufgaben. Im Interview sagt Jens Junak, Leiter Vertrieb Wachstumsmärkte, Schufa Holding AG, wie die Schufa rechnet und was sie für die Zukunft erwartet.

Herr Junak, können Sie mal nachsehen wie mein Schufa-Eintrag aussieht?
Jens Junak:
Dazu bräuchte ich erst ein sogenanntes berechtigtes Interesse, zum Beispiel, wenn Sie von mir eine Wohnung mieten wollten oder ich ein Händler wäre und Sie bei mir auf Rechnung etwas bestellen oder kaufen wollten. Aber Sie selbst können jederzeit Ihre bei der Schufa gespeicherten Daten einsehen – auch online.

Welche Auskünfte bieten Sie dem Handel?

Die Schufa bietet für den Handel je nach Bedarf unterschiedliche Auskünfte mit unterschiedlichen Inhalten. Unser Datenbestand umfasst aktuell Informationen zu 67,7 Millionen Privatpersonen und zu 6 Millionen Unternehmen. Bonitätsauskünfte der Schufa ermöglichen Händlern, zu prüfen, ob ein Kunde in der Vergangenheit seinen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen ist.

Jens Junak, Schufa Holding AG
© Schufa Holding AG
Jens Junak, Schufa Holding AG
Der Schufa-IdentitätsCheck ermöglicht es Unternehmen, zu den Personen- und Adressdaten, die der Kunde angibt, abzufragen, ob diese bei der Schufa bekannt sind. Sind Personen- oder Adressdaten bei der Schufa nicht gespeichert, kann dies ein Hinweis auf einen Betrugsversuch sein.

Der Schufa-IdentitätsCheck Jugendschutz ermöglicht es Händlern, die Volljährigkeit ihrer Kunden zu prüfen, zum Beispiel im Online-Handel mit Spirituosen oder Tabakerzeugnissen.

Mit dem Schufa-KontonummernCheck werden die Personendaten des Kunden gemeinsam mit der Bankverbindung (Bankleitzahl und Kontonummer) daraufhin überprüft, ob die angegebene Bankverbindung sowie die zugehörige Person im Schufa-Datenbestand vorhanden sind.

Die Schufa-GwG-Auskunft und der Schufa-ComplianceService unterstützen Händler bei der Einhaltung regulatorischer Anforderungen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

"Pro Tag erteilen wir bis zu eine Million Auskünfte – und das voll digital und automatisiert."

Jens Junak, Schufa Holding AG
Wo kommen die Daten eigentlich alle her?

Die Schufa arbeitet nach dem Gegenseitigkeitsprinzip. Das heißt unsere Vertragspartner – Unternehmen aus Branchen wie Kreditinstituten, Handel, E-Commerce und Telekommunikation – melden uns kreditrelevante Informationen zu ihren Kunden und erhalten im Gegenzug entsprechende Auskünfte von der Schufa.

Darüber hinaus übernehmen wir Informationen aus öffentlichen Verzeichnissen und amtlichen Bekanntmachungen. Durch das Gegenseitigkeitsprinzip erhalten wir von unseren Vertragspartnern Informationen zu Zahlungsstörungen, aber vor allem auch Informationen zu vertragsgemäß bedienten Zahlungsverpflichtungen. Zu rund 91% der bei uns gespeicherten Personen liegen ausschließlich diese sogenannten Positiv-Informationen vor.

Wie alltäglich sind eigentlich Betrugsfälle im Onlinehandel?

Betrug und daraus resultierende Zahlungsausfälle sind ein zunehmendes Problem für den E-Commerce. Im Zuge der Digitalisierung und der damit verbundenen zunehmenden Verlagerung des Geschäfts ins Internet werden auch bestimmte Betrugsformen erleichtert beziehungsweise es entstehen neue Möglichkeiten für Betrüger, sich Waren oder Leistungen zu erschleichen.

Bei den aus Händlersicht unsicheren Zahlungsarten Rechnung und Lastschrift sind Online-Händler besonders häufig von Betrug betroffen – sei es durch falsche Angaben zur Identität oder dem bewussten Kauf mit dem Gedanken, die Rechnung nicht zu begleichen.

Betrug und der dadurch entstehende Schaden zeigt, dass es für Unternehmen unerlässlich ist, Lösungen zur Betrugsprävention zu implementieren. Laut einer aktuellen ECC-Studie betrachten rund 90% der Händler Betrugsprävention als relevante Herausforderung.

Gibt es da jenseits der Auskünfte noch Schutz durch die Schufa?

Neben dem „klassischen“ Identitäts- und Bonitätsauskünften bietet die Schufa weitere innovative Lösungen, für den E-Commerce zum Beispiel den Schufa-FraudPreCheck (FPC). Der FPC prüft Bestellanfragen auf betrugsauffällige Muster und liefert in Echtzeit einen Wert zurück, der das Maß der Auffälligkeit der Anfragen aufzeigt.

Auf Basis dieses Werts können Händler zum Beispiel mögliche Zahlungswege aussteuern, auffällige Anfragen einer manuellen Prüfung unterziehen oder die Lieferbedingungen anpassen und so das Betrugsrisiko mindern.

"Wir haben zum Beispiel in unserem Bereich Innovation und strategische Analyse hoch spezialisierte Mitarbeiter, die neue Möglichkeiten sondieren, wie wir unsere Prozesse durch den Einsatz moderner Algorithmen und Anwendungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz verbessern und optimieren können."

Jens Junak, Schufa Holding AG
Angewendet werden kann der FPC während des gesamten Bestellvorgangs – von der Übermittlung der Bestellanfrage durch den Kunden bis hin zur Leistungserbringung.

Und finAPI, ein Tochterunternehmen der Schufa, bietet mit GiroIdent eine weitere intelligente Lösung zur Verifikation der Kunden-Identität durch das sogenannte Access to Account Verfahren.
Die Schufa ermittelt aus dem bisherigen Zahlungsverfahren eines Kunden einen Score-Wert.
© Schufa
Die Schufa ermittelt aus dem bisherigen Zahlungsverfahren eines Kunden einen Score-Wert.
Wie entstehen eigentlich die Scores?

Scorewerte, die die Schufa zu Verbrauchern berechnen, basieren auf den zu dieser Person bei uns gespeicherten kreditrelevanten Daten. Dies sind zum Beispiel Informationen darüber, ob ein Verbraucher in der Vergangenheit seinen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen ist, ob er aktuell laufende Kreditverpflichtungen hat und ähnliches.

Übernehmen das allein Algorithmen?

Dank des Einsatzes modernster Algorithmen und Verfahren ist die Schufa in der Lage, in den allermeisten Fällen innerhalb von Sekundenbruchteilen eine valide Auskunft zu liefern – und das rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Pro Tag erteilen wir bis zu eine Million Auskünfte – und das voll digital und automatisiert.

Dies ist besonders für den E-Commerce entscheidend, denn gerade hier erwarten Kunden, dass sie mit wenigen Klicks bestellen können – da müssen auch die entsprechenden Prozesse im Hintergrund schnell und reibungslos laufen. Die Algorithmen, die die Schufa verwendet, werden von Menschen trainiert und regelmäßig durch unsere Experten überprüft.

Außerdem gibt es immer die Möglichkeit, Prozesse in die manuelle Bearbeitung auszusteuern. Letztendlich arbeiten bei uns Mensch und Maschine zusammen, um Qualität und Verfügbarkeit unserer Produkte und Lösungen zu garantieren.

Der Onlinehandel boomt konstant. Wie stark profitiert da ihr Geschäft?

Handel und E-Commerce sind zwei unserer Wachstumsfelder.

Welche Handelsbranchen nutzen die Auskünfte der Schufa am häufigsten?

Grundsätzlich sind alle Branchen als Schufa-Vertragspartner vertreten. Mode, Elektronik, Medien und Entertainment, der Lebensmitteleinzelhandel und die Möbelbranche sind Schwerpunkte.
Auch Multiplikatoren wie Zahlungsdienstleister oder Anbieter von Kundenkarten mit Bezahlfunktion greifen auf uns zurück.

Immer wichtiger wird auch das B2B-Geschäft. Gerade im Onlinehandel gewinnen Händler-Plattformen massiv an Bedeutung.

"FinTechs sind für die Schufa wertvolle Partner bei der Entwicklung von neuen Lösungen, die unser bestehendes Portfolio optimal ergänzen."

Jens Junak, Schufa Holding AG
Wenn es einer weiß, dann Sie: Wie zahlen die Deutschen denn besonders gern?

Der Kauf auf Rechnung, bei dem der Kunde erst die Waren erhält und dann bezahlt oder bei Nicht-Gefallen auch zurückschickt, ist nach wie vor die beliebteste Bezahlart, das zeigt zum Beispiel der aktuelle Schufa Kredit-Kompass. Händler sollten diese Bezahlart daher anbieten, wenn sie ihre Conversion steigern wollen.

Da der Kauf auf Rechnung allerdings für den Handel mit Ausfallrisiken verbunden ist, sollten entsprechende Lösungen zur Risikominimierung implementiert werden, zum Beispiel Bonitäts- und Identitätsprüfungen.

Mit all den neuen Bezahlwegen wird das Geschäft ja auch immer komplexer. Wie organisieren Sie die Schufa intern für die digitale Transformation?

Die Schufa ist ein modernes, digitales Unternehmen. Genau wie unsere Kunden entwickeln wir uns kontinuierlich weiter. Wir haben zum Beispiel in unserem Bereich Innovation und strategische Analyse hoch spezialisierte Mitarbeiter, die neue Möglichkeiten sondieren, wie wir unsere Prozesse durch den Einsatz moderner Algorithmen und Anwendungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz verbessern und optimieren können. Unsere Kunden profitieren von den noch besseren Services.  

Auf welche Innovationsprojekte sind Sie besonders stolz?  

Es freut uns immer wieder, dass es uns gelingt, Unternehmen, die sonst durchaus in Konkurrenz zu einander stehen, an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln, von denen letztendlich alle profitieren. Dies war zum Beispiel beim Schufa-FraudPreCheck für den E-Commerce der Fall, oder auch beim Schufa-FraudPool für Kreditinstitute.

Wären Sie gern mehr wie ein FinTech?

FinTechs sind für die Schufa wertvolle Partner bei der Entwicklung von neuen Lösungen, die unser bestehendes Portfolio optimal ergänzen. So haben wir zum Beispiel eine Mehrheitsbeteiligung an dem FinTech finAPI erworben, um gemeinsam XS2A-Lösungen zu erarbeiten und im Rahmen einer Kooperation mit einem FinTech bieten wir mit KYCnow eine innovative Lösung zum Onboarding von Firmenkunden an.

Online gibt es immer mehr Zahlungsabwickler, die selbst Daten sammeln und seltener Schufa-Daten nutzen. Sehen Sie mittelfristig da ein Risiko für das Schufa-Geschäftsmodell?

Ich würde eher von einer perfekten Ergänzung sprechen. Die Anbieter haben Informationen zu dem Zahlungsverhalten wiederkehrender Kunden. Wenn es um Neukunden geht oder um die Prüfung von Kunden, die länger nicht aktiv gewesen sind, greifen auch diese Anbieter auf uns zurück. In der Regel sind diese Anbieter also auch Kunden der Schufa und nutzen unsere branchenübergreifenden Informationen als Mehrwert zu ihren eigenen Daten.
MEHR ZUM THEMA:


Im Online-Handel oder vor Ort: Wenn Kunden nicht bar bezahlen, bleibt dem Händler ein Risiko, dass er sein Geld nicht bekommt, weil etwa Konten nicht gedeckt oder Karten gesperrt wurden.
© nik0.0kin/fotolia
Payment

Credit Scores zu Kunden sichern den Verkauf


Reicht der Kredit?
© TierneyMJ - Shutterstock.com
Payment

Kreditgeschäft im Handel wächst – und damit auch das Ausfallrisiko


Betrug an der Kasse wird für den Onlinehandel ein wachsendes Problem.
© Cybrain - Fotolia.com
Payment

Kunden unauffällig überprüfen, während sie bestellen