Lidl legt vor, Aldi zieht nach: In der Schweiz liefern sich beide Discounter einen Wettbewerb um die bessere Bezahlung der Mitarbeiter. Dabei akzeptiert Lidl sogar kürzere Wochenarbeitszeiten und bis zu sechs Wochen Jahresurlaub.
Dieses Papier regelt eine bisher nicht dagewesene Sozialpartnerschaft zwischen dem Discounter und seinen Mitarbeitern. "Dieser Vertrag ist ein Meilenstein für die Angestellten des Einzelhandels", jubelte Syna-Zentralsekretär Carlo Mathieu.
Aldi zieht nach - und erhöht die Löhne
Davon fühlte sich der große Widersacher Aldi offenbar herausgefordert: Noch am selben Tag gab der Schweizer Ableger des deutschen Discounters bekannt, im nächsten Jahr die Löhne und Gehälter unterhalb von 5.000 Franken (umgerechnet 3.850 Euro) um etwa 3 Prozent anzuheben.Wer mehr als 5.000 Franken verdient, soll 2 Prozent mehr Gehalt bekommen. Auszubildende im ersten Lehrjahr erhalten 3,9 Prozent mehr Gehalt, Azubis im dritten Lehrjahr dürfen sich über 3,3 Prozent mehr Geld freuen.
Einen Gesamtarbeitsvertrag wie bei Lidl lehnt Aldi jedoch ab. "Wir sind ein Familienunternehmen und leben unsere Sozialpartnerschaft vor", sagte Aldi-Sprecher Sven Bradke.
Klicken Sie hier für einen aktuellen Videobeitrag zum Thema Mindestlohn.
Kürzere Arbeitszeit als im Branchendurchschnitt
Die Vereinbarung bei Lidl hat es allerdings in sich. Die Sozialpartner haben sich auf eine Verringerung der Wochenarbeitszeit von bisher 42 Stunden auf 41 Stunden geeinigt. Sie gilt für alle Unternehmensbereiche und liegt somit unter dem Branchendurchschnitt, betont der KV.Außerdem legt der Vertrag die Mindestlöhne verbindlich fest. Der Mindestlohn liegt für 20-jährige, ungelernte Angestellte bei 3.800 Franken (2.923 Euro). Bei Mitarbeitenr mit sogenannter funktionsbezogener Berufserfahrung und einer zweijährigen Ausbildung sind es mindestens 3.950 Franken (3.039 Euro), mit dreijähriger Ausbildung mindestens 4.100 Franken (3155 Euro).
Die Sozialpartner haben zudem jährliche Lohngespräche vereinbart, teilt der KV mit. "Das sind die besten in einem GAV geregelten Minimallöhne der Branche", betonte Barbara Gisi, Leiterin Angestelltenpolitik des KV Schweiz.
Alle Mitarbeiter erhalten fünf Wochen Urlaub, für Azubis und Angestellte über 50 Jahre gelten nun sechs Wochen Urlaub. Beim Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub konnten ebenfalls Lösungen vereinbart werden, die über dem gesetzlichen Minimum liegen. Beibehalten wird die Altersvorsorgeregelung bei Lidl, die auch den vielen Teilzeitangestellten zugute kommt.
Gegen den schlechten Ruf
Der Gesamtarbeitsvertrag tritt am 1. März 2011 in Kraft und gilt für drei Jahre; danach verlängert er sich ohne Kündigung jeweils um ein weiteres Jahr. Es ist der erste gesamtschweizerische GAV, der mit einem Discounter abgeschlossen wurde."Mit diesem Vertrag kann Lidl dem Ruf als Arbeitgeber, den das Unternehmen aus Deutschland importiert hat, wirksam etwas entgegensetzen", sagte Barbara Gisi.
"Uns würde freuen, wenn in der weitere Einzelhändler dem Beispiel von Unternehmen wie Coop, Valora und eben Lidl folgen und ebenfalls einen GAV abschließen würden", sagte Carlo Mathieu. Denn die Mehrzahl der Verkaufsangestellten in der Schweiz würden ohne GAV-Schutz arbeiten.
"Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Arbeitsbedingungen auch bei anderen Unternehmen verbessert werden", versicherte der Gewerkschafter.
Der deutsche Lidl-Aufsichtsratschef Klaus Gehring hatte Anfang dieses Jahres ebenfalls aufhorchen lassen, als er einen Mindestlohn für den Einzelhandel in Deutschland forderte.
Mittlerweile sind die Verhandlungspartner diesem Ziel sehr nahe gekommen. Nach Informationen von Der Handel bescheinigt eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) dem deutschen Einzelhandel eine ausreichende Tarifbindung, um den Mindestlohn branchenweit durchzusetzen.