Der Self-Checkout setzt sich durch. Aber nur als Ergänzung: Ersetzen werden die Selbstbedienungskassen die Klassiker wohl nicht.
Als „Erfinder" gilt die King Kullen-Kette, die 1930 in einer ehemaligen Autowerkstatt in Queens einen Supermarkt eröffnete: Unter dem Motto „hoch stapeln, zum Niedrigpreis verkaufen" ließ der Händler die Kunden selbst alle Lebensmittel zusammensuchen, statt im klassischen Kolonialwarenstil über die Theke zu bedienen. In Deutschland ging es nach dem Krieg richtig los: 1953 wurde das „Institut für Selbstbedienung" gegründet, das heutige EHI Retail Institute.
Kontinuierliche Verbreitung
Inzwischen bedienen sich die Kunden nicht nur ganz selbstverständlich selbst, sondern nutzen auch immer öfter die Selbstbedienungskasse: „Die Verbreitung der unterschiedlichen Self-Checkout-Systemen verläuft langsam, aber kontinuierlich", schreiben auch die Autoren der aktuellen EHI-Untersuchung „Kassensysteme 2008".Kritiker beschwören angesichts des technisierten Einkaufsprozesses gleichwohl schon den Untergang der Servicekultur, weil der Kunde nur noch mit Maschinen kommuniziere.
Individuelle Interessen
Ein Einwand, den Bill Nuti nicht gelten lässt: „Wenn der Händler Selbstbedienung als Service für den Kunden versteht und in ein Gesamtkonzept einbindet, können beispielsweise Kiosksysteme bei der Kundenansprache deutlich besser auf die individuellen Interessen des Konsumenten eingehen, als das heute im stationären Handel oft möglich ist", sagte der Vorstandsvorsitzende des Technologiekonzerns NCR Corporation kürzlich auf einer Kundenkonferenz in Budapest.Vom passgenauen Coupon bis hin zum Aufladen des Prepaid-Handys kann die Selbstbedienungskasse dem Kunden alles bieten, was für ihn individuell von Interesse ist: „Der Händler kann dank der technischen Möglichkeiten wieder zu dem ‚Tante-Emma-Prinzip‘ der persönlichen Ansprache zurückkehren und den Kunden bestmöglich bedienen."
SB im Kommen
Selbstbedienung - auch bei der Bezahlung - ist nach Meinung des NCR-Chefs für den Konsumenten vor allem bequem und effizient, „und das schätzen viele Menschen". In einer aktuellen Umfrage, die NCR in Auftrag gegeben hat, geben sechs von zehn europäischen Verbrauchern an, dass sie beim Einkauf gerne selbst tätig werden, weil es schneller geht. 54 Prozent finden den SB-Kaufvorgang bequemer und 47 Prozent einfacher: „Immerhin ein Drittel verlässt sich im Einzelhandel gern auf die Selbstbedienungstechnologie, weil dadurch ihre Privatsphäre besser geschützt ist."Wolfgang Amann, Leiter Geschäftsbereich Retail beim IT-Anbieter Gunnebo, ist ebenfalls der Meinung, dass den Self-Checkout-Systemen die Zukunft gehört: „Allerdings werden sie vor allen Dingen eine sinnvolle Ergänzung zu den klassischen Kassen sein, ganz ablösen werden sie sie nicht."
Seiner Meinung nach landen Händler, die über Optimierungsmöglichkeiten an der Kasse nachdenken, schnell beim Thema Cash-Handling: „Wenn ein Händler bei den Self-Checkout-Systemen nur Kartenzahlung anbietet, beschränkt er sich sehr", ist der Experte für Bezahl-Terminals überzeugt. „Die Deutschen zahlen nun mal gerne bar."
Doch rund ums Bare wird es auch bei den Selbstbedienungskassen wieder etwa komplizierter. „Man weiß nie, welche Qualität das Geld hat, das reinkommt", nennt Wolfgang Amann ein Beispiel. „Und die Arbeit des Händlers wird auch nur dann einfacher, wenn er nicht ständig Geld nachfüllen muss."
Also heißt die Devise „Cash-Recycling": Statt zwei getrennten Kreisläufen - einen für das Bargeld, das reinkommt, einen für das, das rausgegeben wird - muss die Maschine so klug sein, dass sie das eingenommene Geld, das der Kunde in einen Trichter wirft, auch wieder herausgeben kann. Während Gunnebo und WincorNixdorf als Pioniere für solch „clevere" Systeme gelten, hat IBM vor nicht allzu langer Zeit mit einem Cash-Recycler für Banknoten und Münzen nachgezogen.
Händler installieren unterdessen Selbstbedienungskassen vor allem aus zwei Gründen: Zum einen um Platz zu sparen, denn eine Selbstzahlstation ist gemeinhin recht schlank und passt dahin, wo eine Bedienungskassenanlage keinen Platz findet. Zum anderen soll der Checkout-Vorgang beschleunigt und die Wartezeit verkürzt werden.
Scan- und Bezahlvorgang getrennt
Um das Self-Checkout weiter zu beschleunigen, gibt es neben den „klassischen" Selbstbedienungskassen, bei denen der Kunde die Waren erst scannt und dann zahlt, mittlerweile einige Märkte, die den Scan- und den Bezahlvorgang trennen: „Die Wartezeit eines Kunden, der zum Beispiel vier Kunden vor sich hat, bemisst sich aus vier Scan-Vorgängen und vier Zahlvorgängen", erläutert Wolfgang Amann. „Trennt man den Zahlvorgang von dem Erfassen der gekauften Ware, reduziert sich die Wartezeit entsprechend."Während das britische Handelsunternehmen Tesco sich mit seiner amerikanischen Ketete Fresh+Easy inzwischen darüber freut, dass rund 90 Prozent der Kunden in Amerika mit den dort installierten Self-Checkout-Konzept „zufrieden" oder sogar „sehr zufrieden" sind, wie „The Retail Bulletin" meldet, rät Neil Applebee von der britischen Wal-Mart-Tochter Asda, die Einführung von Selbstbedienungskassen wie auch anderen technischen Neuerungen stets mit Augenmaß vorzunehmen.
„Wir bei Asda haben den Trend erst ein bisschen verschlafen und uns dann zu schnell bewegt, weil wir alles sofort haben wollten", erinnert sich der Manager, der für die Prozessverbesserung der Einzelhandelskette zuständig ist. „Die Vorgaben haben unsere Store-Manager überfordert, der Druck war zu groß. Dementsprechend haben viele nicht die erwarteten Ziele erreicht."
Mehr Produktivität, weniger Kosten
Das Geschäftsmodell entsprechend den neuen Selbstbedienungsmöglichkeiten zu modifizieren ist für NCR-Chef Bill Nuti ebenfalls das A und O - aber zugleich auch eine „natürliche" Geschäftsentwicklung: „Nach der ersten Phase der Automatisierung einfacher Vorgänge, die vor allem die Produktivität steigern und die Kosten senken sollte, sind die Unternehmen nun in der strategischen Phase angelangt, in der sie beispielsweise Selbstbedienungskassen und Zahlungen per Handy anbieten, testen oder zumindest erwägen", beobachtet er.„Der nächste Schritt wird sein, die technischen Möglichkeiten als weiteren, eigenen, selbstverständlichen Kanal in sein Geschäftsmodell zu integrieren. Der Einzelhändler kann zum Beispiel zusätzlich Stationen anbieten, in der der Kunde digitale Medien wie Musik, Filme oder Bücher direkt herunterladen und zahlen kann."
Letztlich ist das Thema Selbstbedienung für den Einzelhändler immer auch eine Frage des Wettbewerbvorsprungs, sind sich die SB-Freunde einig: „Unternehmen müssen sich heute darüber im Klaren sein, dass jeder technisch mögliche Weg der bevorzugte Weg seines Kunden sein kann", sagt Bill Nuti. „Deshalb ist der Händler gut beraten, dem Konsumenten dessen individuell liebsten Weg auch tatsächlich anzubieten."