Die Redaktion von derhandel.de sprach mit Riccardo Sperrle, CIO von Kaiser´s Tengelmann, über die kontaktlose Kartenzahlung und das Bezahlen mit dem Smartphone im Supermarkt.

Kaiser´s Tengelmann testet in drei Berliner Filialen die kontaktlose Kartenzahlung mit der so genannten „Near Field Communication"-Technologie (NFC). Was ist die Motivation für die Pilotierung?
Die NFC-Technik ist ein neues Leseverfahren, das sich in den nächsten Jahren, getrieben durch die Smartphones, stark durchsetzen wird. Daher halten wir es für sinnvoll, dieses Verfahren schon im Vorhinein im Praxisbetrieb zu prüfen. Die technischen Fragen sind dabei schon fast unerheblich, da die Technologie international erprobt ist. Wir wollen vielmehr Erfahrungen über die konkreten Abläufe in den Filialen sammeln. Wie schnell sind die Checkout-Zeiten wirklich? Wie geht das Kassenpersonal, wie die Kunden mit der neuen Technik um? Das ist der Hintergrund für den Test.

Wie sind die Erfahrungen nach fast einem Jahr Testbetrieb?
Wir akzeptieren die PayPass-fähigen Mastercard-Kreditkarten seit November 2011. Bislang sind aber nur wenige solcher Karten im Umlauf, daher sind die Erfahrungen übersichtlich. Die entsprechenden Kartenportfolien, etwa die Miles&More-Kreditkarten der Lufthansa, sind auch nicht repräsentativ, daher lassen sich bislang keine allgemeinen Aussagen treffen.

Gibt es eine Entscheidung über eine Ausweitung der PayPass-Akzeptanz?
Nein, wir testen weiter und beobachten die Entwicklung. Die Anbieter dieser Zahlungsverfahren sind in der Pflicht, ihr Produkt in den Markt zu bringen. Wir stehen bereit und sind technisch dazu in der Lage. Unsere Prämisse lautet lediglich: An der Kasse darf nichts gestört werden. Wir werden keine Kundenhotline aufmachen, die erklärt, wie das jeweilige Verfahren funktioniert. Das müssen die Provider selbst übernehmen. Der Handlungsbedarf besteht nicht auf der Seite des Handels.

Die NFC-Technologie wird häufig als „Zukunft des Zahlens" beschrieben. Teilen Sie diese Einschätzung?
Da muss man differenzieren: NFC als kartengestützte Verfahren ist bestenfalls eine Übergangstechnologie, wenn Sie wollen eine Art "Geldkarte 2.0". Es wird schwierig, die Kunden hierfür zu begeistern. Der Kundennutzen ist nicht ersichtlich, da immer noch die Geldbörse mitgeführt werden muss. Bezahlverfahren aber, die aus dem Handy heraus erfolgen, werden mit ganz großer Wahrscheinlichkeit NFC-gestützt sein und eine höhere Kundenakzeptanz haben. Alle anderen Übertragungsverfahren - PIN/TAN, QR-Code, Barcode - basieren oft darauf, dass ein Zugang zum Mobilfunknetz besteht, was nicht überall baulich gewährleistet ist. Wenn die Übertragung aber nicht 100-prozentig sichergestellt ist, dann wird das Verfahren nicht in der breiten Fläche nutzbar sein.

Girogo, das kontaktlose Kartenverfahren der deutschen Kreditwirtschaft, wollen Sie aber trotz Vorbehalt ebenfalls testen?
Natürlich beschäftigen wir uns auch mit girogo, aber wiederum nur aus den eingangs genannten Gründen. Wir wollen diese Verfahren testen, auch mal in einer größeren Region. Wir führen hierzu konkrete Gespräche und die werden sicherlich dazu führen, dass wir in ein paar Monaten in einer größere Anzahl von Filialen auch girogo ausprobieren. Denn letztendlich können auch wir nicht ausschließen, dass die kartenbasierten Verfahren einen nennenswerten Marktanteil erreichen. Der Kunde entscheidet, welches Zahlungsmittel er einsetzen möchte.

Werden Sie girogo in München oder Berlin testen?
Dazu sage ich noch nichts. Es gibt rund 400 verschiedene Sparkassen und wir sind mit einigen größeren in unseren Verkaufsregionen im Gespräch. Dabei geht es auch um gemeinsame Marketingaktionen für das girogo-Verfahren und ähnliches. Für uns wäre ein breiterer Test mit der kontaktlosen Kartenzahlung interessant. Je mehr Transaktionen vorliegen, desto besser können wir Aussagen etwa über die Veränderung des Durchschnittsbons oder die Geschwindigkeit treffen. Zudem sind die Sparkassenkunden eine andere Klientel als die Inhaber der „Miles&More"-Kreditkarte.

Wie sieht es mit dem kontaktlosen Verfahren payWave von Visa aus?
Wir führen derzeit sehr viele Gespräche, unter anderem mit Visa, Telekom, Vodafone, zu den Themen NFC und mobile Payment. Momentan ist auf der Seite der Kreditkartenanbieter und Telekommunikationsunternehmen viel Bewegung. Wir als Händler können uns das ganz in Ruhe anschauen, denn die haben einen Markt zu verlieren, nicht wir. Wir warten jetzt alle gespannt auf den 12. September, ob im neuen iPhone 5 nun NFC-Technik drin ist oder nicht. Weil sich dadurch die Dynamik im Markt ergibt oder auch nicht. Die wenigen Handys, die derzeit mit NFC-Technik unterwegs sind, sind nicht der Rede wert. Alle schauen derzeit darauf, was der marktbewegende Player macht. Da sind wir lediglich ein interessierter Beobachter - wie alle anderen auch.

Interview: Hanno Bender

Zur Person: Riccardo Sperrle ist seit Mai 2011 Chief Information Officer (CIO) beim Lebensmittelhändler Kaiser´s Tengelmann. Zuvor war der 52-Jährige Geschäftsführer der IT-Tochter der Media-Saturn-Holding.