Die kontaktlose Kartenzahlung ist in Deutschland weiter auf dem Vormarsch: Jede neue Girocard der Sparkassen wird mit der NFC-Technik ausgestattet. Die Genossenschafts- und Privatbanken warten noch ab.

Seit Anfang August ist jede Girocard (früher: EC-Karte), die von einer Sparkasse herausgegeben wird, mit der girogo-Funktion ausgestattet. Bis Ende des Jahres werden damit rund 14 Millionen SparkassenCards für das kontaktlose Zahlen mit der Geldkarte im Umlauf sein.

In den kommenden Jahren sollen sämtliche 45 Millionen Debitkarten der Finanzgruppe mit der neuen Funktion ausgestattet werden. Insgesamt sind in Deutschland rund 90 Millionen Girocards im Umlauf.

Genossenschafts- und Privatbanken in Wartestellung

Die Genossenschafts- und Privatbanken tragen girogo als Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) zwar mit, zögern jedoch noch mit der Ausgabe von girogo-fähigen Karten und wollen die Ergebnisse aus der Testregion Hannover, Braunschweig, Wolfsburg zunächst abwarten.

Akzeptiert werden die girogo-Karten, mit denen Einkäufe bis zu einem Betrag von 20 Euro im Vorbeigehen ohne PIN-Eingabe oder Unterschrift erfolgen können, derzeit in 318 Handelsfilialen an 819 Terminals in der Pilotregion.

Nach Informationen von derhandel.de erwägt Kaiser's Tengelmann, girogo künftig auch in einigen Berliner Filialen zu testen. Derzeit pilotiert der Lebensmittelhändler in der Hauptstadt das kontaktlose Kartenzahlverfahren PayPass von Mastercard in drei Filialen.

Zu den Transaktionszahlen des im April gestarteten girogo-Feldtest macht die Euro Kartensysteme GmbH bislang keine Angaben.

Aus dem Kreis der teilnehmenden Händler, zu denen unter anderem Edeka Minden-Hannover, Netto Marken-Discount, dm drogeriemarkt, Esso und sämtliche Filialen der Douglas Holding gehören, ist zu vernehmen, dass sich die girogo-Transaktionen noch auf einem sehr niedrigen Niveau bewegen. Angesichts des Pilotcharakters sei dies nicht verwunderlich, betonen die Teilnehmer jedoch.

Nutzung von girogo noch im Promillebereich

Olaf Schrage, Geschäftsführer der Douglas Informatik & Service GmbH und Vorsitzender des Arbeitskreises kartengestützer Zahlungsverkehr im EHI Retail Institute, sprach gegenüber "Welt Online" von eine "Nutzung im Promillebereich" und 150 Transaktionen im ersten Monat mit girogo-Akzeptanz.

Auch Wolfgang Mücher, Geschäftsführer der Edeka Minden-Hannover Holding, räumt im Interview mit Der Handel ein, dass "die Abwicklung mit girogo aufgrund der Testphase noch kein 'Tagesgeschäft' ist".

"Wir sind aber zuversichtlich, dass sich girogo etabliert, wenn mehr Verbraucher Kenntnis von diesem Zahlungssystem haben und über eine entsprechende Karte verfügen. Daher ist es jetzt wichtig, dass alle Teilnehmer - vom Handel bis zu den Banken - die Vermarktung von girogo offensiv vorantreiben", ergänzt Mücher.

Mit den beteiligten Banken plane die Edeka-Regionalgesellschaft gemeinsame Aktionen, um die neue Bezahlmethode bekannter zu machen.

Aufbau der Akzeptanz in den nächsten Metropolregion

"Es ist gar nicht so einfach, ein neues Zahlungsverfahren zu etablieren", bilanziert auch Oliver Hommel, Abteilungsdirektor Kartenstrategie im Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) vier Monate nach dem Pilotbeginn.

"Der Verbraucher empfindet die Bargeldzahlung subjektiv als schnellere Methode und muss sich erst an girogo gewöhnen", so Hommel. Als nächste Regionen für den Ausbau der girogo-Akzeptanz auf Handelsseite nannte er das Rheinland, Berlin, Hamburg, München und den Rhein-Main-Raum.

Die Berichte über angebliche Datenschutzmängel bei girogo sind nach Auffassung von Hommel nicht ursächlich für die zögerliche Nutzung des neuen Verfahrens. "Die veröffentlichte Meinung in Deutschland ist offenbar eher technologiefeindlich, die Kunden teilen diese Ängste jedoch nicht", sagte Hommel auf der Händlertagung des Zahlungsdienstleisters Telecash in der vergangenen Woche.

Es habe trotz kritischer Berichte in verschiedenen Medien kaum Kundenanfragen zum Thema bei den Sparkassen gegeben. "Wir haben dennoch daraus gelernt und die Information über den Datenschutz mit Flyern und im Internet verstärkt", so Hommel.

Kritik am Datenschutz von girogo "konstruiert"

Die von Spiegel Online aufgedeckten Missbrauchsszenarien im Zusammenhang mit Transaktionsdaten aus dem girogo-Verfahren bezeichnete der DSGV-Experte als "reichlich konstruiert und wenig realistisch".

"Wenn Einzelhändler wirklich an solchen Daten interessiert wären, hätten sie sich in der Vergangenheit stärker für die Verbreitung der Geldkarte eingesetzt. Die umstrittenen Informationen fallen bei den kontaktbehafteten Geldkarten-Zahlungen schon immer an", kommentierte Hommel die Kritik.

Das Bargeldhandling koste die Sparkasse jährlich einen Betrag von rund einer Milliarden Euro, wovon die Bargeldversorgung der Kunden den Löwenanteil ausmache. Diesen Kostenblock wollen die Kreditinstitute durch die Etablierung von girogo reduzieren.  

"Die kontaktlose Kartenzahlung, ob mit girogo oder den Verfahren der internationalen Kreditkartenanbieter Mastercard (Paypass) und Visa (payWave), ist ein vielversprechender Ansatz, um Bargeld im Bereich der Kleinbetragszahlungen zu ersetzen", sagt Mark Freese, Geschäftsführer des EC-Cash-Netzbetreibers Telecash, im Gespräch mit derhandel.de.

"Girogo ist dabei für den Handel aufgrund der günstigen Gebührensätze besonders attraktiv, hier werden sich Mastercard und Visa noch mehr bewegen müssen", so Freese.

Damit girogo ein Erfolg wird, müsse die deutsche Kreditwirtschaft ihr Engagement jedoch verstärken. "Große Kartenemittenten wie die Postbank oder die Sparda-Banken haben sich bislang noch nicht zu einer Teilnahme entschieden. Dies wäre für die Akzeptanz wichtig", betonte der Kartenexperte.

Hanno Bender

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