Marktplätze werden für mittelständische Händler immer mehr zu einem Standbein. Weil hier noch Umsatzreserven liegen und nur Plattformen die Kraft haben, die Kundenerwartungen an Tempo, Tracking und Liefertakt zu erfüllen.
Mit weit über 50.000 Händlern ist Amazon der größte Magnet für kleine und große Händler. Bei Amazon profitiert der Händler zudem davon, dass der Kunde so ziemlich zu Recht erwartet, nahezu jedes Produkt auf diesem Planeten auch finden und kaufen zu können. Ein Zeichen dafür: Amazon hat Google als Produktsuchmaschine längst den Rang abgelaufen. Kein Wunder:
Seit 2014 hat sich das Sortiment auf rund 229 Millionen Produkte verdoppelt.
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Höhere Einstiegshürden und steigende Anforderungen
Da kann gerade einmal eBay halbwegs mithalten. Ebay wiederum hat längst den Flohmarktcharakter abgeschüttelt, verkauft inzwischen über 80 Prozent aller Angebote mit Festpreisen. Die Abkehr von der Plattform für Dachbodenfunde macht sich auch in höheren Einstiegshürden und steigenden Anforderungen an die Professionalität der Verkäufer bemerkbar.
Mehr als der Hälfte der deutschen Onlinehändler muss man indes von den Vorzügen nicht mehr berichten. Sie nutzen Marktplätze bereits als Vertriebsweg. Doch was ist mit der anderen Hälfte? Die wird mehr und mehr abgehängt. Denn die Zeichen für Marktplätze stehen weiter auf Wachstum. Bei einem Plus von 2,6 Prozent verortet der Branchenverband bevh die Marktplätze im ersten Quartal 2017 und schlägt ihnen gut die Hälfte der Gesamtumsätze im Onlinehandel zu.
Wer dem Gedränge aus dem Weg gehen will, der versucht es eher bei deutlich kleineren Playern wie Rakuten, Hood, der DHL-Tochter Allyouneed oder Locafox und Simply Local. Das bezahlt der Händler aber mit massiven Reichweitenverlusten. Zumal die kleinen Plattform teilweise mobil hinterher hinken. Die könnten so schnell unter Räder geraten, die große Online-Player aufgezogen haben.
Handelsshops buhlen mit eigenen Marktplätzen
Etablierte Handelsshops öffnen sich mehr und mehr mit eigenen Marktplätzen für Drittanbieter und buhlen um Händler. Zalando, Otto, Plus, Real, Home24, Allyouneed, GartenXXL, Mirapodo, Babywalz, Thalia, HessNatur zählt beispielsweise
Peter Höschl bei Shopanbieter.de auf. Da lohnt ein genauer Blick auf Kundenkreis, Reichweite und Konditionen.
Nicht zu unterschätzen ist aber der Aufwand an Technik, Schnittstellen und Marketing, der für die unterschiedlichen Plattformen zu leisten ist. Zwar helfen hier eine ganze Reihe von Software-Lösungen weiter, doch gerade Einsteiger sollten sich nicht verzetteln und lieber einige wenige zentrale Marktplätze ordentlich anbinden.
Viel hilft hier nicht viel. Diversifikation sollte man sich lieber für den zweiten Schritt notieren. Denn eine Vielfalt an Verkaufskanälen verringert die Abhängigkeit von einem großen Player. Und: Moderne Systeme bieten heute in der Regel eine Fülle an Schnittstellen für die unterschiedlichsten Bedürfnisse. Wer da heute noch ein Manko im eigenen System sieht und wachsen will, sollte über eine Neuanschaffung nachdenken.
Das könnte sich jedoch rechnen, weil die eigenen Anstrengungen im Fulfillment mit antiquierter Software-Umgebung kaum noch zu leisten sind, wenn man die wachsenden Kundenerwartungen an Tempo, Tracking und Liefertakt erfüllen will. Händler, die bereits über passende Software für die Schnittstellen verfügen, tun sich zudem leichter ihr Marktplatz-Konzert zu orchestrieren.
© Chal-Tec
Chal-Tec Kopf Peter Chaljawski zählt zu den erfahrenen Amazon Marketplace-Verkäufern. Die Chal-Tec GmbH entwickelt und vertreibt derzeit 13 Online-Eigenmarken aus den Bereichen Home & Living, Consumer Electronics, Sound & Light, Sports & Health und betreibt dafür auch eigene Webshops. Die größten sind Klarstein für Haushaltsgeräte und auna für Musikabspielgeräte. Im eigenen Online-Technikkaufhaus www.electronic-star.com finden Kunden alle Chal-Tec-Marken.
Grundsätzlich ist beim Auftritt auf Marktplätzen Sensibilität gefragt. So mahnt E-Commerce Experte
Jochen G. Fuchs bei t3n: „Händler können dort nur erfolgreich sein, wenn sie die Systeme intelligent nutzten, anstatt sich von ihnen benutzen zu lassen.“
Da steht vielfach – gerade gegenüber Amazon - die Furcht im Raum, der Riese könnte sich der eigenen Erfolge bedienen. Das stimmt auch ein Stück weit, muss aber nicht schrecken.
© kw-Commerce
KW-Gründer Jens Wasel (links) und Max Kronberg. KW-Commerce ist einer der erfolgreichsten Amazon-Händler auf der Welt
Jens Wasel, Gründer von KW-Commerce, einer der erfolgreichsten Amazon-Händler auf der Welt, rät im
Etailment-Interview zu Flexibilität und Schnelligkeit: „Für deren Eigenmarke wurden in den letzten zwei, drei Jahren 150 Produkte aus unseren Kategorien in ihr Sortiment aufgenommen. Wir hingegen bieten 200 neue Produkte – in der Woche. Wir decken andere Produktklassen ab, die Amazon nicht bedient, weil auch hier die Absatzzahlen zu klein sind. Wir ergänzen uns daher sehr gut.“
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Ein weiterer Vorteil der Marktplätze rührt auch ein wenig am Ego der Händler. Denn anders als gegenüber dem kleinen unbekannten Webshop, hat der Kunde gegenüber den bekannten Plattform-Marken ein höheres Vertrauen – in Service, Zuverlässigkeit und Produktqualität.
Statt Preis zählt die Leistung
Dafür kann der Händler ein Stück weit auf einen ruinösen Preiswettbewerb verzichten. Denn für eine gute Präsenz auf Marktplätzen wie Amazon ist das gesamte Leistungspaket für eine gute Listung entscheidend und für Sichtbarkeit und Verkaufserfolg der saubere Produktdatenfeed und der verlässliche Service am Ende häufig entscheidender als der Discountpreis.
Vorteile von Online-Marktplätzen
- Deutlich höhere Reichweite
- Wachstum: Umsatz kann schnell und relativ risikolos ausgeweitet werden, auch im Ausland
- Weniger Marketingausgaben als beim eigenen Online-Shop
- Äußerst geringe Investitionen nötig
- Cross-over-Effekt: Online-Marktplatz und Online-Shop befruchten sich häufig gegenseitig, teilweise sogar den Laden
- Teilweise sehr einfaches und schnelles Einstellen von Produkten
- Logistik/Fulfillment kann kostengünstig ausgelagert werden (Amazon, Allyouneed)
- Restanten können einfach abgeschleust werden, teilweise sogar zu höheren Preisen
- Mehr Verhandlungsmacht: Durch Marktplatzgeschäft wächst häufig das Gesamtsortiment, das ermöglicht Rabatte bei den Lieferanten
Dann sind da ja auch noch die regionalen Online-Marktplätze, von denen viele mehr schlecht als recht ein paar Dutzend lokale Händler versammeln. Sie sind im Grunde nur ein Pflaster für die „Offline-Mentalität“ der Händler. Versand ist eine Seltenheit, weil man auf Biegen und Brechen Kunden in den Laden locken will. Der lokale Kunde aberwird sie zumindest bei Google nur mit reichlich Glück finden. Geld für Werbung, um eine Marke aufzubauen, ist zudem kaum vorhanden. Das sollten die Händler am Ort lieber in Weihnachtsbeleuchtung investieren.
Leidlich bessere Chancen bieten da Marktplatz-Lösungen von Verlagen, weil die über die jeweilige Mediengruppe zumindest regionaler Werbedruck für Plattform und Händler aufbauen können. Allerdings sind die meisten dieser Modelle schlichte Affiliate-Lösungen und Suchsysteme aus der Design-Hölle, die angedockten meist inhabergeführten Geschäfte schlecht digitalisiert und eine Lieferung ist auch hier zumeist nicht vorgesehen.
Tipp: Handelsexperte Andreas Haderlein, der mit seiner Online-City Wuppertal eine Art Blaupause für lokale Marktplätze geliefert hat, bietet auf
Localcommerce.info eine Online-Plattform, auf der lokale Einkaufsprojekte aufgelistet und vorgestellt werden.
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