Internetboom, Schlecker-Pleite, Praktiker-Krise - der stationäre Einzelhandel durchlebt turbulente Zeiten. Für Tengelmannchef Karl-Erivan Haub heißt die Konsequenz: Die Branche braucht weniger Läden.
Mit dem Ende der Drogeriekette Schlecker gebe es die neue Situation, dass zahlreiche Geschäfte leer stünden. "Früher war das kein Thema", betonte Haub. Auch in anderen Bereichen des Einzelhandels wie Mode würden Kapazitäten aus dem Markt verschwinden. Ein Grund seien die boomenden Internetgeschäfte. "Das sieht man zwar nicht. Das ist letztlich aber auch Verkaufsfläche."
2011 eine Achterbahnfahrt
Der Handelskonzern Tengelmann ist mit seiner Baumarkttochter Obi und dem Textildiscounter Kik auf Wachstumskurs. Im Geschäftsjahr 2011 stieg der Umsatz um 2,4 Prozent auf knapp 11 Milliarden Euro.Für 2012 erwartet Haub ebenfalls ein Umsatzplus. Allerdings geht die Staatsschuldenkrise nicht spurlos an dem Unternehmen vorbei: Den Geschäftsverlauf 2011 verglich Haub mit einer Achterbahnfahrt, bei der das erste Halbjahr über und das zweite Halbjahr unter den Erwartungen gelegen habe.
Als Gründe für den Abschwung nannte er neben dem schlechten Sommerwetter die Verunsicherung der Verbraucher infolge der Staatsschuldenkrise. Der operative Gewinn von Tengelmann sank um etwa 5 Prozent auf 390 Millionen Euro.
Praktiker-Vermieter "extrem nervös"
Zu den Perspektiven des angeschlagenen Baumarkt-Konkurrenten Praktiker wollte sich Haub nicht äußern. Obi bekomme aber Angebote von Vermietern, in frei werdende Baumarktstandorte einzuziehen. "Die Vermieter sind extrem nervös", schilderte Haub. Nach der Pleite von Schlecker habe diese Nervosität eher noch zugenommen. Der Einzug in bestehende Standorte könne eine Alternative zum Neubau sein. Haub geht aber davon aus, dass beispielsweise in Erweiterungen investiert werden müsse.Obi habe Marktanteile gewonnen mit einem Umsatzplus von 2 Prozent in Deutschland. Inklusive des Auslandsgeschäfts erzielte Obi 2011 ein Umsatzwachstum von 4,4 Prozent auf 6,67 Milliarden Euro.
Textilhandel mit enormen Überbeständen
Der Textildiscounter Kik steigerte seinen Umsatz um 1,7 Prozent auf knapp 1,7 Milliarden Euro. Neben dem schlechten Wetter seien stark gestiegene Baumwollpreise zu verkraften gewesen. Es gebe enorme Überbestände, die jetzt teilweise auf den Markt kämen. Haub verwies darauf, das Kik eine bestimmte Menge Esprit-Kleidung verkaufte und nun Woolworth in einer Aktion Kleidung der Marke s.Oliver anbiete. "Das zeigt, dass richtig viel Druck im Markt war», unterstrich Haub.An Woolworth sei der Familienkonzern seit Mai nicht mehr beteiligt, nachdem man mitgeholfen habe, diese Traditionsmarke zu erhalten.
Die Supermärkte Kaiser's Tengelmann verzeichneten infolge des Rückzugs aus der Region Rhein-Main-Neckar einen leichten Rückgang des Umsatzes auf knapp 2,2 Milliarden Euro. Die Supermarkttochter soll mit umfangreichen Investitionen aus den roten Zahlen geholt werden.