Die im Einzelhandel beliebte Kartenzahlung mit Unterschrift ist laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) sicherer als das Verfahren mit PIN-Autorisierung. Das ELV-Verfahren hat Zukunft.

Eine Vielzahl von Innovationen, die die Zahlungsabwicklung für Kunden und Händler vereinfachen, warten auf den Durchbruch in der Praxis: Self-Check-out-Systeme, kontaktloses Bezahlen mit der Karte, Zahlen mit dem Handy oder per Fingerabdruck - die technischen Möglichkeiten sind vorhanden, welche Technologien sich aber auch in der Breite durchsetzten, ist freilich noch offen.

Nach einer Umfrage des EHI Retail Institutes plant jedes vierte der großen Unternehmen im Handel noch in diesem Jahr Veränderungen bei der Infrastruktur im Zahlungsverkehr. Weitere 35 Prozent kündigen entsprechende Investitionen für die Folgejahre an.

Kartenzahlungen sind weiter auf dem Vormarsch

Ein Trend lässt sich an den Kassen jedoch seit Jahren klar erkennen: Die Bedeutung von Kartenzahlungen wächst kontinuierlich. Bei mehr als einem Drittel aller Zahlvorgänge im deutschen Einzelhandel wird laut der jährlichen Untersuchung des EHI mittlerweile eine Karte eingesetzt (siehe Grafik).

Unter den Kartenzahlungssystemen findet sich dabei mit dem elektronischen Lastschriftverfahren (ELV) eine Technik, die längst totgesagt wurde. „Immerhin noch 12 Prozent aller Zahlungen im Handel werden mit Debitkarte und Unterschrift per Lastschrift abgewickelt", erklärte Horst Rüter, Kartenexperte des EHI auf dem Kartenkongress des Kölner Instituts Anfang Mai in Köln. „Eine relativ stabile Quote von Händlern setzt also nach wie vor auf dieses kostengünstige Verfahren."

Zahlungsdienstleister sehen ELV-Verfahren im Aufwind

Die führenden EC-Cash-Netzbetreiber sprechen sogar von Zuwächsen beim kartengestützten Lastschriftverfahren. „Wir können für unseren Bereich nicht von einem Rückgang oder einer Stagnation sprechen", sagt Marcus W. Mosen, Geschäftsführer des Zahlungsdienstleisters Easycash. „Für unser Online-Lastschriftverfahren gewinnen wir neue Kunden und auch neue Branchen hinzu, die Umsätze mit OLV steigen."

Quelle: EHI Retail Institute
Quelle: EHI Retail Institute
Auch Nicolas Adolph, Sprecher des Arbeitskreises der Netzbetreiber und Leiter Produktmanagement bei der Intercard AG, sieht in den EHI-Daten eine Momentaufnahme aus der Vergangenheit: „Das sind die Zahlen aus dem vergangenen Jahr, die vielleicht schon überholt sind", sagt Adolph im Gespräch mit Der Handel. „Wir konnten zum Beispiel einen großen Lebensmittelhändler von unserem ELV-Notfallkonzept überzeugen, das Kartenzahlungen auch ermöglicht, wenn Autorisierungszentralen oder Onlineverbindungen ausfallen."

SEPA zwingt Kreditwirtschaft zum Umdenken

Und auch im Hause der Telecash sieht man das Verfahren mit Unterschrift eher im Aufwind denn im ­Abschwung: „In der deutschen ­Kreditwirtschaft hat in den vergangenen zwölf Monaten ein Um­denken stattgefunden", erläutert Thomas Haarmann, Geschäftsführer von ­Telecash, gegenüber Der Handel. „Das Verfahren wird von den deutschen Banken in Brüssel als Beispiel dafür angeführt, wie effizient die Debitkartenverfahren hierzulande sind."

Den Banken ist das ELV-Verfahren als Konkurrenz zum eigenen EC-Cash-System offenbar immer noch lieber als ein europäisches SEPA-Kartenverfahren, das von den internationalen Kreditkartenunternehmen Mastercard und Visa dominiert wird (siehe auch Der Handel 12/08).

Unklare Zukunftsperspektiven im europäischen Zahlungsraum

Der geplante, einheitliche europäische Zahlungsverkehrsraum (SEPA) könnte allerdings ein Totengräber für das im Handel beliebte, weil kostengünstige, elektronische Lastschriftverfahren werden. „Die zukünftige SEPA-Lastschrift ist für den Einsatz am Point of Sale ungeeignet, da sie strenge Formvorschriften vorsieht, die an der Kasse im Handel nur schwerlich einzuhalten sind", urteilt Prof. Dr. Jürgen Thede, In­haber der Unternehmensberatung Dr. Thede Consulting. „Darüber hinaus werden für die SEPA-Lastschrift Vorlaufzeiten verlangt, die für das Tagesgeschäft im Einzelhandel inakzeptabel sind."

Neben diesen Ungewissheiten über die konkrete Ausgestaltung der für November 2009 geplanten SEPA-Lastschrift wird im Zuge der Single Euro Payments Area zudem der Magnetstreifen auf der Karte durch den Chip abgelöst.

Bislang werden die Kontoinformationen für das Lastschriftverfahren aber aus dem Magnetstreifen herausgelesen. Wenn er verschwindet, könnte auch das ELV-Verfahren der Vergangenheit angehören. Vor diesem Hintergrund hält der Kartenfachmann Thede die Variante „Debitkarte mit Unterschrift" für ein Auslaufmodell.

Mit dem ELV-Forum in das SEPA-Zeitalter

Die Zahlungsdienstleister und der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) sehen das freilich anders: „Die deutsche Lastschrift wird es auch in zehn oder 15 Jahren noch geben, und die Kontoinformationen lassen sich auch aus dem Chip auslesen", betont etwa Nicolas Adolph, Sprecher im Arbeitskreis der EC-Cash-Netzbetreiber.

Zusammen mit dem HDE sowie Terminal- und Softwareherstellern haben die Netzbetreiber jüngst das „ELV-Forum" ins Leben gerufen, um das Lastschriftverfahren in das SEPA-Zeitalter hinüberzuretten. „Unser Ziel ist es, gemeinsame Standards festzulegen und Ansprechpartner für die Gremien der Kreditwirtschaft und der EU zu sein", erläutert Ulrich Binnebößel, Kartenexperte im HDE und Sprecher des ELV-Forums gegenüber Der Handel. „Mit der Entwicklung eines ELV-Standards soll das Zahlen mit Karte und Unterschrift auch im künftigen gemeinsamen europäischen Zahlungsraum weiterbestehen können."

ELV-Betrugszahlen erstmals unterhalb der EC-Cash-Fälle

Quelle: EHI Retail Institute
Quelle: EHI Retail Institute
Neben diesen Bemühungen um die technische Zukunftsfähigkeit arbeitet das EHI Retail Institute parallel an einer weiteren Optimierung der Sicherheit von ELV-Zahlungen. Mit der im Jahr 2005 gestarteten KUNO-Sperrdatei konnten durch die Zusammenarbeit von Polizei und EHI bereits erhebliche Erfolge bei der Bekämpfung von Betrug mit gestohlenen oder verlorenen Karten erzielt werden.

Die Zahl der Betrugsfälle mit rechtswidrig erlangten Karten lag im Jahr 2008 im ELV-Verfahren erstmals unter der im EC-Cash-Verfahren, wie au der am Montag veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik hervorgeht. (siehe Grafik). Beflügelt durch diesen Erfolg will das EHI nun auch Daten zu Konto­eröffnungen und -schließungen sammeln und an Händler weitergeben.

Sperrdatei "Olivia" soll ELV-Verfahren noch sicherer machen

„Bei Kartenzahlungen, aber auch im E-Commerce sind betrügerische Konteneröffnungen zunehmend ein Problem", erläutert Marco Atzberger, Projektleiter beim EHI, gegenüber Der Handel. „Kriminelle eröffnen Konten einzig zu dem Zweck, mit der dabei erlangten EC-Karte und Bankverbindung einzukaufen oder Waren im Internet zu bestellen."

Da auch die Kreditwirtschaft daran interessiert sein müsste, diesen Betrug einzudämmen, hofft Atzberger auf die Kooperationsbereitschaft der Banken. Unter dem Projektnamen „Olivia" (Online Informationssystem zur Validierung interner Abrechnungen) findet Anfang Juni ein Workshop im EHI statt, der sich mit dem Aufbau der Warndatei befassen wird.

Ohnehin konnte die Quote der uneinbringlichen Zahlungsausfälle im ELV-Verfahren dank ausgefeilter Sperrdateien und intelligenter Mischverfahren der Netzbetreiber laut EHI-Panel im vergangenen Jahr abermals abgesenkt werden - auf 0,057 Prozent vom Umsatz.

Neue Branchen entdecken die Vorteile der Lastschriftverfahrens

Das elektronische Lastschriftverfahren ist also noch lange nicht tot - im Gegenteil, es erfreut sich einer wachsenden Beliebtheit. Nach Informationen des Wirtschaftsmagazins Der Handel setzt eine große, multinationale Tankstellenkette in Deutschland demnächst das kartengestützte Lastschriftverfahren ein.

Obwohl die Mineralölgesellschaften in den Genuss von geringeren EC-Cash-Gebühren kommen als der Einzelhandel, ist das ELV-Verfahren offensichtlich auch für den Tankstellenbetreiber unterm Strich kostengünstiger. Die Autofahrer werden von der Umstellung vermutlich nichts bemerken und ihr Benzin weiterhin mit Karte und PIN-Eingabe bezahlen. Im Hintergrund, so erfuhr Der Handel aus gut informierten Kreisen, wird die Zahlung als Lastschrift abgewickelt - ohne dass Bankgebühren für die Kartenzahlung anfallen.

Für die Single Euro Payments Area ist diese Entwicklung kein gutes Zeichen. Denn eigentlich sollten gerade europaweit tätige Unternehmen die ersten sein, die von einheitlichen Standards für Kartenzahlung im SEPA-Raum profitieren. Wenn sich ein solches Unternehmen nun für eine nationale Insellösung entscheidet, liegt SEPA entweder noch in ferner Zukunft oder bringt nicht die vom Handel erhofften Kostenvorteile.

Hanno Bender

Dieser Artikel erschien in der Juni-Ausgabe des Wirtschaftmagazins Der Handel. Er wurde um die akutellen Zahlen aus der am 15. Juni 2009 veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik 2008 (PKS) ergänzt.