Nach außen betont die Biobranche ihre gesellschaftliche Verantwortung. Doch ausgerechnet die Bezahlung und Arbeitsbedingungen in Bio-Supermärkten stehen jetzt in der Gewerkschaftskritik.
"Wer glaubt, in den Bioläden herrschen paradiesische Zustände, der irrt", schimpft Verdi-Sekretär Ulrich Dalibor. Die Bio-Einzelhändler kontern und verweisen auf Sonderzahlungen, Einkaufsgutscheine und mehr Urlaub für ihr Personal.
7,50 Euro pro Stunde
Als Beispiel führt die Gewerkschaft die Berliner Supermarktkette Bio Company auf. "Dort bekommt eine Aushilfe, die nur befristet beschäftigt ist, brutto 7,50 Euro pro Stunde", berichtet Verdi-Einzelhandelsexpertin Janet Dumann. Der Stundenlohn für fest Angestellte liege bei rund 9 Euro.Im Vergleich dazu: Nach Tarif werde einer gelernten Kassiererin ein Bruttostundenlohn von 13,50 Euro gezahlt, eine ungelernte Kraft bekomme gut 9 Euro im ersten Berufsjahr.
Doch nicht nur das Geld sei das Problem. Klagen gebe es auch darüber, dass oft weder Arbeits- noch Ruhezeiten eingehalten werden. Problem sei generell, dass die meisten Unternehmen sich nur an die Tarifverträge im Einzelhandel anlehnten. "Das machen sie dann aber freiwillig, und wie Überstunden oder Urlaubsgeld geregelt werden, ist fraglich", kritisiert Dumann.
"Nicht mit Discountern vergleichbar"
Als Begründung gebe die Branche oft an, dass sie sich aufgrund der Umsatzsituation einen Tarif nicht leisten könne. Den wirtschaftlichen Druck würde sie an ihre Mitarbeiter weitergeben. "Doch mit einem Gutschein für den Supermarkt kann man nicht seine Miete zahlen", so die Verdi-Frau.Bio Company hält dagegen, dass man konventionelle Discounter nicht mit einem Biomarkt vergleichen könne. "Discounter zahlen zwar teils Tariflohn, üben aber starken Druck auf ihre Lieferanten aus, um hier sehr geringe Einkaufspreise und damit höhere Margen zu erzielen", erklären die Geschäftsführer Georg Kaiser und Hupert Bopp. Auch würden die Mitarbeiter dort mit hohen Leistungsvorgaben unter Druck gesetzt.
"Ökologische und soziale Verantwortung"
Bio Company sei mit seinen 26 Märkten und rund 900 Mitarbeitern in Berlin und dem Umland verankert und könne nur im regionalen Kontext "die Kraft auch für seine Lohnzahlungen erwirtschaften." Dennoch seien gerade in den unteren Einkommensgruppen seit Anfang vergangenen Jahres die Löhne im Schnitt um 11 Prozent angehoben worden.Vollzeitkräfte und Auszubildende würden außerdem Einkaufsgutscheine in Höhe von 50 Euro bekommen. Das Unternehmen sieht sich nicht nur in der ökologischen, sondern auch in der sozialen Verantwortung.
Beim von Verdi angeführten Stundenlohn von 7,50 Euro handle es sich zudem um den Aushilfslohn für eine Pauschalkraft. Dies sei zudem ein Nettobetrag, den die Gewerkschaft mit einem Bruttoverdienst vergleiche. Auch Überstunden würden selbstverständlich als Freizeitausgleich oder mit einer entsprechenden Vergütung erstattet.
Der Wettbewerbsdruck ist enorm
Auch der Biohändler Alnatura, der bereits für Niedriglöhne kritisiert wurde, gibt an, sich bei den Einkommen für seine bundesweit rund 1.740 Mitarbeiter an den Tarifverträgen des Einzelhandels zu orientieren.In vielen Fällen würden die Einkommen sogar darüber liegen. Zudem erhielten die Beschäftigten jährlich einen Einkaufsgutschein von bis zu 1.000 Euro. Für Vollzeitbeschäftigte gebe es ein Urlaubsgeld von 1.200 Euro. Außerdem würden den Alnatura-Mitarbeitern bei einer 6-Tage-Woche 36 Urlaubstage gewährt.
Nach Einschätzung von Verdi-Sekretär Dalibor stehen die Biomärkte unter enormem Wettbewerbsdruck. Ähnlich wie im restlichen Einzelhandel werde der Kampf um Kunden in erster Linie über den Preis ausgefochten. Zudem sei ein starkes Flächenwachstum zu beobachten.
Nach Angaben des Bundesverbands Naturkost Naturwaren gibt es bundesweit derzeit gut 2.400 Biosupermärkte und -läden. Meist sind sie inhabergeführt. In den vergangenen Jahren habe die Zahl der Betriebe stetig im zweistelligen Bereich zugenommen.