Die Gewerkschaft Verdi kritisiert die Lohnpolitik der selbstständigen Kaufleute von Edeka und Rewe und fordert eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes. Edeka weist die Kritik zurück. (Aktualisiert)

Durch die Übertragung von Regiebetrieben der Edeka-Regionalgesellschaften an selbständige Unternehmer verlören die Mitarbeiter laut Verdi oftmals ihre tariflichen Rechte.
Im Zuge des Wechsels der Betriebsform könne der neue Arbeitgeber nach einem Jahr Bestandschutz vom Tarifvertrag abweichen, wofür es laut Hubert Thiermeyer, Fachbereichsleiter Einzelhandel Verdi in Bayern und Herausgeber der Studie, zahlreiche Belege gebe.
Stundenlöhne von 6,50 Euro im Edeka-Verbund
Stundenlöhne von 6,50 Euro und der Wegfall von tariflichen Leistungen wie der betrieblichen Altersvorsorge oder den vermögenswirksamen Leistungen seien nach der Umwandlung der Regiebetriebe keine Seltenheit, kritisiert Thiermeyer."Das gleiche Geschäftsmodell kritisieren wir nicht nur bei der Edeka, sondern auch bei der Rewe-Gruppe", erläutert Verdi-Sprecherin Christiane Scheller gegenüber derhandel.de.
"Wir gehen davon aus, dass bundesweit rund 250.000 Mitarbeiter bei selbstständigen Lebensmittelhändlern der beiden Genossenschaften beschäftigt sind und ein Großteil davon unter Tarif bezahlt wird", so die Sprecherin. Genaue Zahlen habe Verdi nicht zur Verfügung, da in den betroffenen Unternehmen oftmals keine Betriebsräte existieren, so Scheller.
In den von selbstständigen Kaufleuten geführten Unternehmen gibt es laut der Studie nur in ein bis zwei Prozent der Fälle einen Betriebsrat, branchenweit liegt die Quote der mitbestimmten Unternehmen bei acht Prozent.
Während der Übergangszeit vom Regie- zum Unternehmerbetrieb sei es für die Beschäftigten schwierig, einen Betriebsrat zu gründen und sich gegen den Druck der neuen Unternehmensführung zu wehren, heißt es in der Studie, die derhandel.de vorliegt und am Mittwoch dieser Woche veröffentlicht werden soll.
"Als erstes geht der Betriebsrat verloren und dann die Tarifbindung", kritisiert Thiermeyer im Gespräch mit derhandel.de. "Nach unseren Erfahrungen unterliegen mehr als 90 Prozent der Unternehmen nach dem Wechsel der Betriebsform nicht mehr der Tarifbindung."
Thiermeyer fordert als Konsequenz eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, die Betriebsräten in Unternehmen mit filialisierten Strukturen ein konzernweites Mitspracherecht ermöglicht. "Es steht überall Edeka drauf, aber die Arbeitsbedingungen sind nicht gleich", kritisiert der Gewerkschaftsfunktionär.
"Die Händler segeln unter der Flagge von Edeka oder der Rewe und der Kunde glaubt, es würden überall Tariflöhne bezahlt", ergänzt Christiane Scheller die Kritik. "Deshalb können sich die Unternehmenszentralen auch nicht aus ihrer Verantwortung heraus stehlen."
Seit 2003 sollen laut Verdi 1.096 Lebensmittelmärkte an selbständige Kaufleute übergeben worden sein. Die gesamte Edeka-Gruppe verfügt über 12.000 Märkte und rund 4.500 selbständige Kaufleute.
Edeka weist Kritik zurück. Genossenschaft statt Konzern
Edeka weist die Kritik an der Privatisierung zurück und spricht von "leistungsgerechten Löhnen", die von den selbständigen Kaufleuten bezahlt würden. Die genossenschaftliche Struktur des Verbundes sei mit einem zentral geführten Unternehmen nicht vergleichbar und die kritisierte Privatisierungsstrategie Konsequenz der Satzung des Verbundes."Unsere regional geführten Regiemärkte wurden von Beginn an mit dem Ziel aufgebaut, diese an unsere genossenschaftlichen Mitglieder, also selbstständige Kaufleute zu übergeben. Nur so wird der in unseren Satzungen verbindlich vorgegebene Förderzweck erfüllt", zitiert die Zeitung "Die Welt" eine Stellungnahme der Edeka-Zentrale. Mit der Entwicklung von Regiemärkten liefere die Edeka-Gruppe als Dienstleister die Starthilfe für Existenzgründungen, so der Verbund.
"Wir werden nicht umhin kommen, den Begriff 'Konzern' neu zu definieren", entgegnet Verdi-Funktionär Thiermeyer dieser Argumentation. "Es führt zu massiven Wettbewerbsverzerrungen, wenn diese Unternehmen auf der einen Seite wie Konzerne agieren, sich aber mit Blick auf die Beschäftigtenzahlen wie kleine Mittelständler behandeln lassen wollen."
In Bezug auf die Interessenvertretung und bei Haftungsfragen müsse sich ein Unternehmen wie die Edeka-Gruppe aus Sicht von Thiermeyer wie ein Konzern behandeln lassen, um der Kundenerwartung zu entsprechen und, damit Augenhöhe zwischen Beschäftigten und Unternehmensführung gewährleistet sei.