Die Kartenorganisation Visa bietet der EU-Kommission eine Reduzierung der Gebühren für grenzüberschreitende Kartenzahlungen an. Branchenexperten rechnen nun mit einem Dammbruch.

Visa Europe hat der EU-Kommission eine Absenkung der Interbankenentgelte bei grenzüberschreitenden Kreditkartenzahlungen innerhalb Europas und eine Änderung der Regel des so genannten "crossborder Acquirings" vorgeschlagen. Das gab die Kommission am Dienstag in einer Pressemitteilung bekannt.

Branchenkenner erwarten nach den Zugeständnissen von Visa nun eine europaweite Nivellierung der Kartengebühren von Mastercard und Visa auf 0,3 Prozent vom Umsatz für Kreditkarten und 0,2 Prozent für Debitkarten ab 2014 - gleichgültig, ob es sich um eine inländische oder ausländische Kartentransaktion handelt.

Konkret schlug die Kartenorganisation der Kommission zwei Änderungen ihrer Gebührenstruktur vor, um ein im Juli 2012 eingeleitetes Kartellverfahren beizulegen:

(1) Die Interbankenentgelte für grenzüberschreitende Bezahltransaktionen mit Visa-Kreditkarten in Europa sollen für einen Zeitraum von vier Jahren auf 0,3 Prozent vom Umsatz abgesenkt werden.

(2) Beim crossbroder Acquiring sollen die Mitgliedsbanken von Visa Europe mit ihren Kunden künftig bilaterale Interchange-Gebühren für grenzüberschreitende Transaktionen festlegen können. Bislang ist nach den Vertragsregeln von Visa grundsätzlich der Sitz des Händlers für die Höhe der Interchange-Gebühren maßgeblich.

Nach Auffassung der EU-Kommission behindert diese Regelung den Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt. Sie gehörte daher zu den Beschwerdepunkten, mit denen Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia im vergangenen Sommer die Einleitung des Kartellverfahrens gegen die Kartenorganisation begründete. Gegen den Wettbewerber Mastercard laufen ähnliche gelagerte Verfahren.

Der EU-Wettbewerbskommissar Almunia begrüßt den Vorschlag

"Es ist eine gute Nachricht, dass sich Visa in Folge unserer Untersuchung zu diesem Vorschlag verpflichtet hat", kommentierte Almunia das Angebot. "Angesichts der Bedeutung von Kartenzahlungen für Verbraucher und Unternehmen im europäischen Binnenmarkt ist es eines unser Hauptziele die Wettbewerbsbehinderung durch Interbankenentgelte zu beenden. Die Entscheidung von Visa ist ein bedeutender erster Schritt in diese Richtung", so der Vizepräsident der EU-Kommission. Man werde den Vorschlag prüfen und gegebenenfalls für rechtsverbindlich erklären.

Auch der europäische Handelsverband begrüßte die Offerte als "Schritt in die richtige Richtung". "Sie zeigt, dass sich der Wind für Interchange-Gebühren dreht", erklärte Christian Verschueren, Generaldirektor von EuroCommerce in einer Stellungnahme. "Wenn der Vorschlag akzeptiert wird, liegt das Niveau für grenzüberschreitende Kredit- und Debitkartenzahlungen nun für Mastercard und Visa bei 0,3 Prozent bzw. 0,2 Prozent vom Umsatz", fasst Verschueren zusammen.

Gleichwohl fordert der Händlerverband von der Kommission ein härteres Vorgehen gegen "exzessive Kartengebühren" auf nationaler Ebene und hofft insoweit auf den für Ende Juni 2013 angekündigten Regulierungsvorschlag der EU-Kommission. "Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass nicht nur die grenzüberschreitenden, sondern auch die nationale Händlergebühren gesenkt werden", betont der Verband.

Auswirkungen auf die nationalen Kartengebühren

Allerdings gehen Branchenexperten davon aus, dass die vorgeschlagene Änderung zum crossborder Acquiring ohnehin auch auf nationaler Ebene zu einer Erosion der Kartengebühren führen wird: "Wir gehen von 0,3 Prozent für Kreditkarten und 0,2 Prozent für Debitkarten für nationale und internationale Transaktionen ab 2014 aus", erklärte Rainer Sureth, Geschäftsführer des größten deutschen Kreditkartenacquirers Concardis, gestern vor Journalisten in Frankfurt.

Die von Visa angestrebte Regelung werde ansonsten beispielsweise dazu führen, dass große Handelsunternehmen sich mit einem Zahlungsdienstleister mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedsstaat über besonders günstige Interchange-Sätze einigen und sämtliche Bezahltransaktionen als grenzüberschreitende Kartenzahlungen abwickeln. Carrefour könnte sich etwa mit einem niederländischen Anbieter einigen und sämtliche Visa-Kartenzahlungen innerhalb Frankreichs als crossborder Transaktion abwickeln, so der Concardis-Geschäftsführer, der auch Mitglied des Verwaltungsrats von Visa Deutschland ist.

Da solche Marktverwerfungen für die Visa-Mitgliedsbanken in Europa nicht hinnehmbar seien, werde sich auch das nationale Interchange-Niveau zuvor europaweit auf die sich seit langem abzeichnende Höhe von 0,3 bzw. 0,2 Prozent einpendeln - und zwar auf einen Schlag.

Deutliche Reduzierung der Kartenerlöse für Banken

Anhand der gestern von Concarids in Frankfurt vorgestellten Geschäftszahlen für das Jahr 2012 lässt sich verdeutlichen, worum es bei der Interchange-Debatte zwischen Kommission und den beiden großen Kreditkartenorganisationen geht:

Concardis wickelte im vergangenen Jahr Mastercard- und Visa-Kreditkartenzahlungen in einem Volumen von 26,6 Milliarden Euro für 230.000 Unternehmen mit insgesamt 400.000 Akzeptanzstellen (Kartenterminals) ab. Die Umsatzerlöse des Zahlungsdienstleisters beliefen sich auf 415 Millionen Euro. 370 Millionen Euro davon entfielen auf das Disagio - jene Gebühren, die Händler, Gastronomen, Hoteliers und andere Concardis-Kunden für Kreditkartenzahlungen entrichten.

Von diesen 370 Millionen Euro wiederum führt Concardis nach eigenen Angaben 300 Millionen Euro Interchange-Gebühren an die kartenausgebenden Banken (Issure) ab: 220 Millionen für inländische und 80 Millionen Euro für crossborder Transaktionen.

Sollten die Interchange-Sätze tatsächlich ab 2014 auf das genannte Niveau absinken, würden sich die Umsatzerlöse der Banken auf rund ein Viertel der derzeitigen Einnahmen reduzieren, denn der Standard-Internetsatz für Visa-Kreditkartentransaktionen in Deutschland liegt derzeit bei 1,58 Prozent. Die Mastercard-Gebühren bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau.

"Wenn die Interbankenentgelte tatsächlich so abgesenkt werden, müssen sich die Kreditkartenherausgeber neue Erlösquellen überlegen. Gerade in Deutschland, wo die Kreditkarten keine wirklichen Kreditkarten sondern Charge-Karten sind, also keine nennenswerten Erträge aus Zinsen generiert werden", bilanzierte Manfred Krüger, Vorsitzender der Geschäftsführung von Concardis, das Szenario.