Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen verkündete heute an der Seite von Verdi das Ende des Mietstreits bei Karstadt und die Rettung des Warenhausbetreibers. derhandel.de war vor Ort.

Eine Stunde lang hat Ursula von der Leyen heute mit den Betriebsratsvorsitzenden der Berliner Karstadt-Filialen gesprochen. Sie habe sich mit viel Verständnis die Sorgen und Nöte der Menschen angehört, sagte die Bundesarbeitsministerin, und trug dann ihren Teil dazu bei, dass ab heute die Zukunftsängste der Mitarbeiter deutlich kleiner sein dürften.

"Ich habe begründete Hoffnung, dass Karstadt eine faire Chance bekommt, weiter zu machen und einen Neuanfang zu schaffen", sagte von der Leyen - und fügte an, dass der neue Karstadt-Investor Nicolas Berggruen und das Vermieterkonsortium Highstreet sich über die Mietkonditionen geeinigt hätten.
 
Jetzt gelte es, "technische Probleme bei Highstreet" zu lösen, die die Ministerin auf die komplizierte Konstruktion des Vermieterkonsortiums zurückführte. "Deswegen sollten diese Probleme auch intern gelöst werden."

Damit hat ausgerechnet Ursula von der Leyen wenige Minuten nach elf Uhr morgens in einem überfüllten Besprechungszimmer der Karstadt-Filiale in Berlin-Wedding nicht weniger bekannt gegeben, als die mutmaßliche Rettung des insolventen Warenhauses. Dieser Termin war freilich nicht von der Bundesarbeitsministerin anberaumt worden - Verdi hatte dazu eingeladen.

"Es gibt noch keine Einigung"

Ein Sprecher des Highstreet-Konsortiums wollte in diesen Jubel aber nicht einstimmen: "Es gibt noch keine Einigung von unserer Seite." Noch sei das Projekt nicht in trockenen Tüchern. Ebenfalls nur von Annäherung und sehr konstruktiven Verhandlungen sprach die Berggruen-Seite. Aus dem Umfeld hieß es vorsichtig: "Solange der Vertrag nicht unterschrieben ist, glaube ich an gar nichts."
 
Die Kritiker in den Highstreet-Reihen befürchten, dass die Sport- und Premiumhäuser verkauft werden und Karstadt auf dem Rest sitzenbleibt, hieß es in Verhandlungskreisen zu einem entsprechenden Bericht der "Financial Times Deutschland". Es gehe auch um den Berggruenplan, dass Highstreet in Karstadt investieren soll. Hier stehen dann Gewinnbeteiligungen im Fokus. Die Miethöhe selbst sei nicht mehr der Hauptpunkt der Verhandlungen.

Joint Venture

Die Gewerkschaft und von der Leyen vermittelten derweil den Eindruck, als ob beide Seiten ein Joint Venture betreiben würden. "Ich bin ein Fan von Frau von der Leyen", sagte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Margret Mönig-Raane zu derhandel.de

Kein Wunder, die CDU-Politikerin macht sich seit Monaten stark für Gewerkschaftsthemen. Sie tadelte die Drogeriekette Schlecker wegen deren Bezahl- und Beschäftigungspraktiken, und sie machte sich stark für die Rettung von Karstadt - alles im Sinne von Verdi.

Wie wichtig diese Frau auch für die Karstadt-Zukunft ist, beweisen die vielen vermittelnden Gespräche von ihr mit Verdi, Highstreet und Berggruen über das Warenhaus. Alle drei Seiten hätten den Austausch mit ihr gesucht, sagte von der Leyen.

Ihr sei dabei immer klarer geworden, dass es der falsche Weg sei, wenn trotz des komplizierten Gebildes, das hinter den Interessen des Vermieterkonsortiums stehe, "am Ende die Liquidation des Unternehmens steht". Und das hat sie allen Verhandlungspartnern auch deutlich gesagt.

Wie intensiv die Frau in die Gespräche über die Karstadt-Zukunft eingebunden war, beweist das Schreiben von Highstreet-Mitglied Maurizo Borletti an die Ministerin, in dem der Italiener Berggruen die Warenhauskompetenz absprach. Eine Antwort hat Borletti schnell bekommen. Mit welchem Inhalt, das deutete von der Leyen heute lediglich an. "Es ist nicht Aufgabe der Politik, Konzepte zu bewerten."

Berggruen-Konzept bisher nur "in groben Zügen" bekannt

Doch Berggruens Konzept ist weiterhin nicht klar. Mönig-Raane sprach jedoch davon, dass der Deutsch-Amerikaner bereits dem Gesamtbetriebsrat seine Ideen für die Zukunft von Karstadt "in groben Zügen" vorgestellt habe. "Jetzt bedarf es einer genaueren Diskussion, zum Beispiel auch über das Engagement von Max Azri."

Der amerikanische Designer soll als Partner von Berggruen die verloren gegangene Modekompetenz von Karstadt zurückerobern. Grundsätzlich ist die stellvertretende Verdi-Chefin zuversichtlich, dass jetzt "eine Perle des deutschen Einzelhandel poliert und bald wieder strahlen wird".

Streitfall Patzelt

Gestrahlt hat erst einmal Mönig-Raane, denn das Jahr 2010 ist bisher ein Verdi-Jahr. Neben der Besiegelung des sensationellen Schlecker-Tarifvertrags vor einigen Wochen hat die Gewerkschaft nun erheblich bei der Karstadt-Rettung mitgewirkt.

Verdi dürfte dabei allen Einfluss intensiv geltend gemacht haben - beispielsweise auch, um den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden des Warenhauses in Schach zu halten.

Hellmut Patzelt hätte es lieber gesehen, wenn Highstreet selber den Zuschlag für ein Investment bei Karstadt erhält - Mönig-Raane streitet das auch nicht ab. "Wir waren unterschiedlicher Meinung, aber das muss man aushalten können."

Immerhin bekommt Patzelt von der Verdi-Vizechefin bescheinigt, dass  auch er die beste Lösung für Karstadt gewollt habe.

Es geht um 55.000 Jobs

Bei dieser Lösung hat auch Arbeitsministerin von der Leyen vor allem eines im Blick: die 55.000 Jobs der Menschen, die bei Karstadt und den Zulieferbetrieben beschäftigt sind.

Berggruens Lösung war deswegen eine Verdi-Lösung: Sein Konzept sehen weder weitere Schließungen der verbliebenen 120 Filialen noch weiteren Entlassungen unter den 25.000 Karstadt-Mitarbeitern vor.

Dass der Investor in einem halben Jahr, wenn er ein vollständiges Bild über die wirkliche Lage des in jeder Hinsicht renovierungsbedürftigem Unternehmens gemacht hat, ganz anders denken wird, befürchtet Mönig-Raane nicht.

Steffen Gerth mit Material von dpa