Mit seiner Octocopter-Drohne "Amazon Prime Air" hat Amazon-Boss Jeff Bezos den Menschen etwas zum Träumen mit auf den Weg gegeben. Oder zum Lachen. Oder zum Aufregen. Je nachdem, in welcher Phase der Technologiekritik man gerade steckt. Eine Drohne, die binnen 30 Minuten Pakete bis 2,5 Kilo über einen Radius von 16 Kilometer zustellt - ist das Science Fiction? Ein Marketing-Gag? Wer auf dem Boden der Tatsachen bleibt, der sollte solche Innovationen nicht ignorieren oder belächeln und sich lieber fragen, wem kann "Amazon Prime Air" nutzen? 


Natürlich ist die Enthüllung des Projekts in der CBS-Sendung "60 Minutes" gerade jetzt ein schöner PR-Stunt, um sich passend zum Cyber Monday mit der medialen Welle nochmals im Relevant Set der Kunden nach vorne zu schieben.
 
Bedenken rund um die Drohne gibt es schließlich reichlich: Zulassung der Luftfahrtbehörden?
Die Sicherheit, von Rotoren verletzte Passanten und die Frage der Versicherungskosten?
Aufwand und Ertrag?
Die kurze Reichweite?
Zustellsicherheit?
Wo landet die Drohne im Mehrparteienhaus?
Drohnen-Diebstahl und Drohnen, die vom Himmel geschossen werden?
Der Lärm?
Die armen Vögel?
Das Wetter?

Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Gegenargumente, die man so übrigens auch serienweise in US-Kommentarspalten findet. Schön zu wissen, dass Deutschland doch nicht allein das Land der Bedenkenträger ist. Phantasielosigkeit und die Ablehnung der Zukunft sind globale kulturelle Phänomene. 

Amazon Prime Air



Jeff Bezos zeigt sich natürlich wie üblich bereits startbereit ("From a technology point of view, we'll be ready to enter commercial operations as soon as the necessary regulations are in place"), sieht aber selbst erst in vier bis fünf Jahren Chancen im Alltag. Flugerlaubnisregularien dürften da nur ein Grund sein.

Technik, Sicherheit, Kosten. Unlösbar sind die Probleme nicht. Womöglich ist beispielsweise spätestens bis zum Ende des Jahrzehnts die Reichweite der Raketenpost deutlich größer. Gleichwohl fällt es noch schwer, sich eine Drohne vorzustellen, die mit einem Paket Bücher oder einem Sixpack Red Bull von Bad Hersfeld nach Frankfurt fliegt.

Bliebe das finale "Wer soll das bezahlen"-Argument, das so ungefähr jede technische Neuerung begleitet hat und dann immer wieder einen leise wimmerenden Tod stirbt?

Das gilt hier auch. Erst recht, wenn man sich davon löst, dass es Optionen nur im B2C-Bereich gibt. Dazu muss man sich nur klar machen, dass Amazon eben immer auch ein B2B-Unternehmen ist und mit Prime Air vielleicht nicht nur an den Kunden denkt, der in einer halben Stunde sein neues Smartphone haben will.    
Option 1: Mit Drohnen lässt sich der kilometerfressende und zeitintensive Kleinkram wie Elektronikgadgets (Kindle!), die aber einen gigantischen Anteil am Onlinehandel haben, schneller und damit letztlich womöglich effizienter verteilen.

Option 2: Amazon bietet dem stationären Handel den Drohnen-Lieferservice für Same Day Delivery in staugeplagten Ballungszentren an.

Option 3: Amazon schickt die Raketenpost direkt an die Paketstationen im Handel und bei der Post. 

Option 4: In einem Video zeigt Amazon, wie die Drohne direkt vom Band eines Logistikzentrums startet. Dabei muss es nicht bleiben. Vielleicht starten die Drohnen künftig in Serie von Zustellfahrzeugen aus, liefern die kleinen Pakete in der Nachbarschaft aus, während der Fahrer noch eben den schweren Flachbildfernseher ausliefert. Dann landen sie wieder im Transporter und werden für den nächsten Flug geladen und beladen.

Option 5:  Die moderne Briefttaube könnte natürlich auch wie der Segway als Nischenlösung enden. Dann zum Beispiel als Spezialdienstleistung für eilige Fracht, beispielweise im Automobilbereich, bei Pharma, Medizin und im Service. Das kann sich aber immer noch lohnen.

Für alle neuen Wege braucht es nur ein wenig Phantasie. Das gilt auch für die Zustellbenachrichtigung. Natürlich.