Darf einem Mitarbeiter gekündigt werden, weil er aus Religionsgründen nicht mit Alkoholflaschen in Berührung kommen will? Ja, sagt das Bundesarbeitsgericht - knüpft diese Entscheidung aber an Bedingungen.
Kursawe hatte sich von den Erfurter Richtern ein Weg weisendes Urteil erhofft bei der schwierigen Entscheidung, wieviel Toleranz ein Arbeitgeber zeigen darf, wenn ein Mitarbeiter religiöse Gründe anführt, um bestimmte Tätigkeiten nicht ausführen zu müssen.
Stattdessen wurde der Fall vom BAG ans Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein zurückverwiesen. Entschieden hatte der Zweite Senat am Erfurter Gericht, der auch den Fall um die Kassiererin "Emmely" ein Urteil gesprochen hatte.
Getränke, Frische, Getränke
Verhandelt wurde am Donnerstag der Fall eines Beschäftigten eines Lebensmittelmarktes, der gekündigt wurde, weil er sich aus religiösen Gründen geweigert hatte, in der Getränkeabteilung Regale mit Alkohol aufzufüllen.Der Mann muslimischen Glaubens war seit 1994 in dem Markt beschäftigt, zunächst als Helfer in der Waschstraße. Ab 2003 arbeitete er in der Getränkeabteilung und war dort auch mit Auffüllarbeiten betraut worden.
Ab März 2007 war der Mitarbeiter in die Frischwarenabteilung versetzt worden, zudem lagen mehrere Erkrankungen bei ihm vor - als Grund dafür wurden die niedrigen Temperaturen in der Abteilung festgestellt.
Im Februar 2008 hatte ihn die Marktleitung angewiesen, wieder in der Getränkeabteilung zu arbeiten. Diese Tätigkeit hatte der Mitarbeiter mit Berufung auf seinen muslimischen Glauben abgelehnt, da ihm jeder Umgang mit Alkohol verboten sei.
Die Marktleitung hatte ihn mehrfach erfolglos an den neuen (alten) Arbeitsplatz geordert und zum 1. März 2008 schließlich unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis aufgelöst.
Entscheidung aufgeschoben
Der Mann hatte gegen diese Kündigung beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein geklagt - und im Januar 2009 verloren. Daraufhin war er vor das BAG gezogen.Arbeitsrechtler Kursawe hatte sich erhofft, dass die Erfurter Richter jegliche Unsicherheit beim Umgang mit Glaubensfragen am Arbeitsplatz beseitigen. Nun sieht er diese Entscheidung aufgeschoben.
Das BAG schreibt in seiner Begründung: "Weigert sich ein Arbeitnehmer aus religiösen Gründen, eine Arbeitsaufgabe zu erfüllen, zu der er sich vertraglich verpflichtet hat, kann dies eine Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen." Voraussetzung dafür sei aber, dass keine "naheliegenden anderen Beschäftigungsmöglichkeiten" bestehen.
Zudem müsse der Kläger deutlich machen, worin genau seine religiösen Gründe für die Ablehnung der neuen Tätigkeit bestehen - die ja letztlich nur die alte ist. Zudem soll vor dem LAG verhandelt werden, welche Tätigkeiten der Kläger aufgrund seines Glaubens verbietet, damit beurteilt werden kann, welche Arbeit er überhaupt ausführen darf.
"Es bleiben Einzelfälle"
Für Rechtsanwalt Kursawe ist aus dieser BAG-Entscheidung eine verstärkte Organisationspflicht für Arbeitgeber bei der Gestaltung von betrieblichen Abläufen erwachsen. Zudem sei es möglich, dass nicht nur religiöse, sondern auch die ethische Überzeugung eines Mitarbeiters bei Ablehnung von Tätigkeiten aufgeführt werden können."Trotz allem glaube ich aber, dass das Einzelfälle bleiben werden", betont der Jurist. "Für die meisten Beschäftigten sind der Job und damit die Einnahmequelle noch wichtiger als ihre Religion", sagt der Anwalt.
Sicherheitshalber rät Kurawe Unternehmen dazu, eine Art Ethikkatalog aufzustellen, wie man die Zusammenarbeit mit strenggläubigen Mitarbeitern gestaltet.