HDE-Präsident Josef Sanktjohanser spricht im Interview über die schwarz-gelbe Koalition, das Kartellverfahren im LEH und der Vorwurf der Nachfragemacht des Handels.

Der HDE-Präsident Josef Sanktjohanser
Der HDE-Präsident Josef Sanktjohanser
Der Rewe-Manager Josef Sanktjohanser ist seit 2006 Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE).


Derzeit ist viel von der Nachfragemacht des Handels die Rede, Sie sind deshalb auch schon selbst beim Bundeskartellamt vorstellig geworden. Wie beurteilen Sie diese Diskussion?

Die Kritik an der angeblichen Nachfragemacht des Handels ist das Ergebnis einer Vereinfachung komplizierter Zusammenhänge. Manche Gruppierungen suggerieren ein Bild, bei dem die Nachfrage in Deutschland einseitig von wenigen Händlern beherrscht wird. Das ist zu einfach gedacht. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Es gibt eine große Zahl von Mittelständlern, die dabei vergessen werden. Auch unter dem Dach großer Marken wie Rewe und Edeka sind viele Selbstständige zu finden. Der Markt ist vielfältiger, als diese Gruppierungen uns Glauben machen wollen. Wir haben doch keine monopolistischen Strukturen im deutschen Handel.

Auch bei der Milchpreisdebatte wurde über das Thema Nachfragemacht scharf diskutiert...

Bei den Milchpreisen wurde der Einzelhandel völlig zu Unrecht angegriffen. Hier gab es einen Freispruch erster Klasse vom Bundeskartellamt. Der Branche wurde vorgeworfen, die Preise mit unlauteren Methoden künstlich niedrig zu halten, um Gewinn zu machen. So einfach erklären sich die geringen Preise aber nicht - das hat mit Überkapazität zu tun, mit einem globalisierten Markt und mit der Wertschöpfung der verschiedenen Molkereien.

Wird die Branche von Verbraucherschützern und Medien etwa zu Unrecht kritisiert?

Der Wettbewerb im Handel funktioniert. Niedrige Preise stützen den Konsum und damit die Konjunktur, hier wirkt der Einzelhandel in der Krise als stabilisierendes Element. Die Verbraucherschützer haben doch auch ein Interesse an einer funktionierenden Lebensmittelwirtschaft, die die Grundversorgung der Bürger garantiert. Natürlich ist es für die Medien oft einfacher, auf den Handel zu schimpfen, als komplizierte Hintergründe genau zu erklären. Es ist an uns, unsere Position künftig besser zu erläutern.

Immerhin gab es eine Razzia des Bundeskartellamtes bei namhaften Händlern. Das ist doch Grund genug, um kritisch zu sein - oder nicht?

Zunächst gilt die Unschuldsvermutung. Der Einzelhandel wird mit den Behörden kooperieren, denn es besteht auf beiden Seiten, bei Handel und Industrie, das große Bedürfnis, schnellstmöglich Sicherheit bei der Ausgestaltung gemeinsamer Geschäftsabläufe zurückzugewinnen. Die Informationsveranstaltung des HDE mit dem Kartellamt war für den Handel ein wichtiger Schritt, um bestehende Fragen zu adressieren. Der Verband setzt sich intensiv mit diesem Thema und den Aussagen des Bundeskartellamtes auseinander, um den notwendigen Klärungsprozess jenseits der konkreten Fälle zu beschleunigen.

Das Verfahren geht weiter. Was sind Ihre Erwartungen hierzu?

Natürlich kann ich nicht wissen, was dabei herauskommt. Der Verband sollte sich hier auch nicht an Spekulationen beteiligen. Es gibt aber zwei klare Feststellungen darüber, was am Ende der Untersuchung passieren wird. Erstens: Eventuelle Verstöße werden geahndet - das betrifft dann die Vergangenheit. Zweitens: Wir brauchen Klarheit darüber, was kartellrechtlich erlaubt und verboten ist. Zu dieser Klarheit wird hoffentlich auch das Kartellamt mit seiner Entscheidung beitragen. Positiv ist letztlich aber auch, dass wir und damit der Handel Gehör finden bei der Politik und den Kartellwächtern.

Für die Handelsbranche hat die schwarz-gelbe Koalition noch nicht viel getan. Sind Sie enttäuscht?

Ja, ich bin enttäuscht von der bisherigen Leistung der Bundesregierung.  Zwar muss man anerkennen, dass mit den Maßnahmen zur Kurzarbeit und auch mit dem Einstieg in das Sparpaket richtige Schritte eingeleitet wurden. Die Bereitschaft, dicke Bretter zu bohren, scheint aber nicht vorhanden. Es gab zwar Fortschritte bei der Abzugsfähigkeit von Mieten und Pachten zum Beispiel. Doch wichtige Themen wie eine strukturelle Steuerreform oder die Frage der kommunalen Selbstbestimmung werden einfach nicht angefasst. Es fehlt noch eine klare Linie, der Wirtschaft wird auf diese Weise kein Mut gemacht.

Interview: Marcelo Crescenti

Das vollständige Interview mit dem HDE-Präsidenten lesen Sie in der Juli-Ausgabe von Der Handel. Hier geht es zum kostenlosen Probeheft oder Probeabo.