Arno Peukes sitzt für Verdi im Aufsichtsrat von Karstadt. Mit derhandel.de spricht er über Wünsche an den neuen Unternehmenseigner Benko, die Selbstwahrnehmung von Vorgänger Berggruen, sowie die Stimmung in der Belegschaft.

Gewerkschafter Peukes, Foto: privat
Gewerkschafter Peukes, Foto: privat
Herr Peukes, der König ist tot, lang lebe der König. Wie gefällt Ihnen, dass René Benko neuer Besitzer von Karstadt ist?

Erst einmal bin ich unzufrieden mit dem alten Eigentümer Nicolas Berggruen. Der hatte in den letzten Monaten noch einmal deutlich gemacht, dass er nicht bereit war, in die Zukunft von Karstadt zu investieren. Schon hier war Herr Benko derjenige, der beispielsweise die erforderliche Sicherheiten gegenüber den Warenkreditversicherern gegeben hat. Trotzdem gilt, dass René Benko jetzt sagen muss, was sein Zukunftskonzept ist.

Berggruen wurde bei seinem Antritt von Verdi überschwänglich gefeiert, fast schon hofiert. Mit Benko dürften Sie deswegen jetzt vorsichtiger umgehen.
Vor vier Jahren befand sich das Unternehmen in der Insolvenz. Von den Leuten, die sich angeboten hatten, Karstadt zu übernehmen, war Berggruen der einzige, der ein Konzept hatte, das nicht die Zerschlagung vorsah. Mittlerweile haben gerade die Beschäftigten aller Karstadt-Unternehmen schmerzhaft erfahren, dass das nur heiße Luft war.

Er beklagt, dass er 2010 die Notwendigkeit der Sanierungsschritte unterschätzt habe. Sein Konzept sei von den Kunden nicht angenommen worden. Gleichwohl habe er massiv in Karstadt investiert. Glauben Sie ihm das?
Ich weiß nicht, was er unter massiven Investitionen versteht. Das Herausziehen seiner Gewinne etwa? Es ist doch kaum Geld in die Häuser geflossen. Wenn ich die Pressemitteilung von Herrn Berggruen lese, dann wundere ich mich über so eine absurde Selbstwahrnehmung.

Was bringt sie in Rage?
Weil er beispielsweise schreibt, dass keine Arbeitsplätze abgebaut worden seien. Das ist eine Frechheit. Wir haben heute bei Karstadt 3.000 Beschäftigte weniger als vor vier Jahren. Und davon sind über 2.000 Jobs richtig abgebaut worden. Zudem hat er entgegen seiner Ankündigung die Tarifbindung gekündigt, weswegen die Beschäftigten etwa 125 Euro im Monat weniger verdienen.

Befürchten Sie jetzt, dass der eine reiche Paradiesvogel den anderen reichen Paradiesvogel ablöst?

Es wäre falsch, ohne das konkrete Konzept von Herrn Benko zu kennen, von Ängsten oder Hoffnungen zu sprechen. Gerade nach vier Jahren Berggruen sollten wir die Qualität von Eigentümern an ihren konkreten Zielen und Taten messen. Deswegen ist es für uns wichtig, dass es schnell ein Gespräch mit Herrn Benko gibt, in dem er uns erklärt, was seine Motivation ist, bei Karstadt einzusteigen. Zudem soll er uns sein Konzept und dessen zeitliche Abläufe erläutern. Danach werde ich sagen, ob ich zufrieden bin mit ihm oder nicht.

Das Landgericht in Wien verurteilte Benko 2012 zu zwölf Monaten Haft auf Bewährung, weil er gemeinsam mit seinem Steuerberater eine verbotene Intervention in einer Steuerangelegenheit in Italien versucht hatte. Die Richterin sprach damals von einem "Musterfall für Korruption". Dieses Urteil wurde dieser Tage bestätigt. Vorschusslorbeeren sind das nicht.
Die Frage, ob er der richtige Eigentümer ist oder nicht, würde ich nur an seinem Konzept festmachen. Hier geht es vorrangig um die Sicherheit der Arbeitsplätze und Einkommen aller Beschäftigten.

Benko hat jetzt alles von Karstadt bekommen, ohne dafür zu zahlen. Berggruen hat ja auf potenzielle Gewinne der Sport- und Premiumbereiche verzichtet. Warum diese regelrechte Flucht?
Herr Berggruen hätte offenbaren müssen, warum er auf Kosten der Beschäftigten Gelder rauszieht, eine Managerin holt, der er im entscheidenenden Moment die notwendige Unterstützung versagt, obwohl sie ein Eckpunkte eines erfolgreichen Zukunftskonteptes vorlegt und somit den Fortbestand von Karstadt aufs Spiel setzt. Das hätte ihm den letzten Rest an Reputation in diesem Land gekostet.

Jetzt hat Karstadt wieder einen Eigentümer, der von Einzelhandel nicht viel versteht, von deutschen Warenhäusern noch weniger. Hat Benko wirklich das Kerngeschäft im Blick - oder nur die Immobilien?
Ich höre, dass er einige Leute um sich geschart hat, die den deutschen Einzelhandel gut kennen...

...der Name des früheren KarstadtQuelle-Vorstandsmitglieds Christoph Achenbach fällt oft...
...den höre ich ebenfalls. Aber es fallen immer viele Namen. Deswegen sollten wir nicht spekulieren, sondern die tatsächlichen Entscheidungen abwarten. Ich glaube daher nicht, dass Benko nur an den Immobilien interessiert ist. Aber das ist alles nur spekulativ. Daher wollen wir so schnell wie möglich ein Gespräch mit ihm führen.

Benko ließ bereits mitteilen, dass er die Beschäftigten an der Diskussion über ein neues Konzept beteiligen will. Selbst Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles mahnte dies an. Welche Druckmittel haben Sie in solchen Gesprächen?

Wir befinden uns ja immer noch in Tarifverhandlungen. Deswegen muss Herr Benko auch klar machen, was er will. Und er muss zeigen, dass mit ihm alle Karstadt Unternehmen schnell wieder in die Tarifbindung gehen. Aber: am Anfang steht keine Drohung unsererseits, sondern die Bereitschaft zu konstruktiven Verhandlungen mit dem Ziel der tariflichen Sicherheit der Arbeitsplätze und Einkommen für alle Beschäftigten.

Der stationäre Handel verliert immer mehr an die Onlinekonkurrenz. Und der Marktanteil der Warenhäuser sinkt seit Jahren. Welchen Sinn hat es, sämtliche Filialen von Karstadt zu retten?
Ich glaube, dass die Warenhäuser einen festen Platz im Markt haben. Bei Karstadt wurden aber in der Vergangenheit viele strategische Fehler gemacht.

Welche?
Beim Onlinehandel gibt es gewaltigen Nachholbedarf.

Das reicht ja nicht.
Aufgrund des demografischen Wandels und der immer größeren Zahl von älteren Leuten werden Warenhäuser in den Innenstädten für eine bestimmte Zielgruppe wieder attraktiver als in der Vergangenheit. Zudem beeinflussen Warenhäuser, wie sich eine Stadt gegenüber dem Umland behaupten kann. Wenn das Karstadt berücksichtigt, sich regional und zielgruppenorientiert aufstellt, dann hat das Unternehmen sehr gute Zukunftsaussichten. Es ist wichtig, neue Kundenschichten zu gewinnen, ohne die alten zu vergraulen. Das war ja auch der Plan von Eva-Lotta Sjöstedt (die Schwedin hatte im Juli nach nur fünf Monaten als Karstadt-Chefin ihren Posten zur Verfügung gestellt, Anm. d. Red.).

Der Handelsprofessor Gerrit Heinemann spricht von einem Investitionsstau bei Karstadt in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Selbst wenn es nur 1 Milliarde ist - warum sollte sich das Benko antun?
Bei solchen Analysen aus der Ferne bin ich immer vorsichtig. Manchmal geht ja alles in kleinen Schritten. Erst einmal werden wir mit Benko am Konzept arbeiten, dabei werden wir uns vielleicht auch streiten. Wenn wir uns dann einig sind, können wir auch festlegen, wo die Investitionen am dringendsten nötig sind.

Wie ist eigentlich die Stimmung an der Basis, bei den rund 17.000 Beschäftigten?
Die meisten Mitarbeiter sehen das wie ich, nämlich, dass Karstadt mit dem alten Eigentümer keine Perspektive mehr gehabt hätte. Aber wir jubeln jetzt nicht laut, nur weil ein neuer gekommen ist. Wir wollen jetzt erst einmal wissen, wohin der Weg geht. Und um es zu wiederholen: Für uns ist auch die wichtige Frage, wie sich Benko zur Tarifbindung und zur tariflichen Standort- und Beschäftigungssicherung stellt - und wie schnell Karstadt dorthin zurückkommen kann.

Interview: Steffen Gerth