Nach der Kritik von Bauernpräsident Sonnleitner wehrt sich der Einzelhandel. Und die neue Bundeslandwirtschaftsministerin signalisiert Hilfe für die Bauern.

Die neue Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) signalisierte in einem dpa-Interview mögliche finanzielle Hilfe der EU für die deutschen Milchbauern. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner hatte den Einzelhandel nach den Preissenkungen für Milch scharf angegriffen. Sonnleitner warf mehreren Discountern Preisabsprachen vor und reichte Beschwerde beim Bundeskartellamt ein.

Der Einzelhandel wies die Kritik zurück. "Wir haben einen Einbruch bei der Nachfrage nach Milch und Molkereiprodukten und ein deutliches Überangebot", sagte der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands (HDE), Stefan Genth, der dpa. Die Folge sei, dass der Preis im Einkauf sinke.

Einzelhandel fühlt sich zu fairen Preisen verpflichtet

Der Handel sieht sich daher zu Unrecht an den Pranger gestellt. "Wir sind der falsche Adressat", sagte Genth zur Kritik von Sonnleitner. "Nur 13 Prozent der in Deutschland erzeugten Milch landen in den Regalen von Supermärkten und Discountern."

Der Einzelhandel fühle sich verpflichtet, die Vereinbarung des Milch-Spitzengesprächs vom Juli beim damaligen Agrarminister Horst Seehofer (CSU) einzuhalten. Damals hatte sich der Handel zu fairen Preisen bekannt. Mehrere Discounter und Supermärkte (Aldi, Penny, Lidl, Edeka) hatten die Frischmilchpreise zum Wochenbeginn um bis zu einem Fünftel gesenkt.

"Wir fordern einen Milchfonds"

Die Landwirtschaftsministerin Aigner rief die EU-Kommission zu Unterstützung auf. "Ich kann einem Auslaufen der Milchquote 2015 nicht zustimmen, wenn dies nicht mit Ausgleichsmaßnahmen flankiert wird", sagte Aigner der dpa. "Deswegen fordern wir einen Milchfonds. Es gibt Signale, dass sich eine Lösung abzeichnet."

Mit dem Fonds soll das Ende der Mengenbeschränkung 2015 gemildert werden. Die Agrarminister der Europäischen Union (EU) beraten in der übernächsten Woche darüber.

Appell an die Bundesländer

Der Bundesrat entscheidet an diesem Freitag über die Forderung der Milchviehalter, die Milchmenge über bestimmte Aktionen zu senken. Die Milchbauern hoffen, dass dann die Preise steigen. Aigner appellierte an die Länder, im Bundesrat nicht dagegen zu stimmen.

Eine Mehrheit der Agrarexperten der Länder hatte die Maßnahmen allerdings abgelehnt - ebenso der Bauernverband. "Ein Alleingang Deutschlands würde nur bedeuten, dass wir überflutet würden mit Milchprodukten von anderen Ländern", sagte Sonnleitner.

Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter hält die Kritik des Bauernverbands (DBV) für "scheinheilig". Angesichts des Preisrutsches wäre eine flexible Regelung der Milchmenge nötig, sagte der Vorsitzende Romuald Schaber der Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung. "Der DBV torpediert aber alle Maßnahmen zur Mengenregulierung". Schaber rechnet mit weiteren "dramatischen" Preiseinbrüchen bei Milchprodukten.

Milchviehhalter drohen mit Boykott der Bundestagswahl

Der BDV droht angesichts der sinkenden Milchpreise mit Stimmverlusten für Union und SPD bei der Bundestagswahl 2009. Er fordert höhere Erzeugerpreise. Bei einem Milch-Spitzengespräch des damaligen Agrarministers Seehofer hatten Bund, Länder, Bauern, Molkereien und Handel vereinbart, Aktionen zur Senkung der Milchmenge zu prüfen.