Hubert Kluske, Geschäftsführer der Gravis Computervertriebs GmbH, über das Verhältnis zu Apple, Synergieeffekte mit Mobilcom-Debitel und ehrgeizige Expansionspläne.

Foto: Gravis Computervertriebs GmbH
Foto: Gravis Computervertriebs GmbH
Ärgert oder freut es Sie, wenn man Gravis als Apple-Händler bezeichnet?

Wir freuen uns nach wie vor darüber, auch wenn wir seit vergangenem Jahr auch ausgewählte Produkte von anderen Anbietern wie zum Beispiel Samsung und Sony verkaufen.

Wieso freut es Sie?

Apple hat tolle Produkte, ist sehr innovativ und hat einen hohen Anspruch an Beratung und Service. In diesem Umfeld fühlen wir uns als nach wie vor größter Apple-Händler in Deutschland wohl.

Wie sehr schmerzt es Sie noch, dass Apple seit geraumer Zeit selbst stationäre Läden aufmacht und Ihnen die Kunden streitig macht?

Damit haben wir uns arrangiert. Der Trend geht nun mal dahin, dass Hersteller eigene Läden aufmachen, das ergibt für sie auch Sinn. Vermutlich geht Apple aber nicht in Städte mit bis zu 150.000 Einwohnern, da kommen wir dann wieder ins Spiel.

Im April dieses Jahres haben Sie mit dem neuen Smartphone Samsung Galaxy S5 erstmals ein Nicht-Apple-Gerät bundesweit beworben. Fühlt sich der Hersteller Apple da nicht auf die Füße getreten?


Nein, Apple war eher bei der Vorankündigung im vergangenen Jahr überrascht. Aber wir haben ein neues Management, das aus dem Telekommunikationsbereich kommt und Handelserfahrung hat, und somit ein paar neue Ideen mitbringt. Apple ist und bleibt unser Hauptlieferant und Gravis ist und bleibt ein Händler, der ausgesuchte, hochwertige Produkte für den ‚Digital Lifestyle‘ anbietet.

Unter "Digital Lifestyle" verstehen viele vor allem Avantgarde-Themen, etwa tragbare Geräte wie digitale Brillen oder Uhren, die so genannten Wearable Devices. Sie auch?


Nein, für uns bedeutet Digital Lifestyle nicht nur, modische Trendprodukte zu verkaufen. Vielmehr ist es eine Vereinfachung des Alltags durch technische Hilfsmittel, die auf Internet oder Smartphones basieren. Denn das Smartphone wird zur Fernbedienung des Lebens, und das bietet uns große Up- und Cross-Selling-Potenziale.

Wer sind denn Ihre Kunden?

Anders als man vielleicht denken könnte nicht die innovative Avantgarde, denn die kauft inzwischen komplett online ein. Unsere Kunden sind zwischen 30 und 50 Jahre alt, haben öfter einen Hochschulabschluss und ein höheres Familieneinkommen als der Durchschnitt der Deutschen. Und sie sind Gravis treu.

Sie kommen vom Freenet-Konzern. Wieso hat ein Mobilfunkanbieter Gravis gekauft?

Zum einen können wir den Kunden so einfacher ein Komplettangebot unterbreiten und verkaufen, so dass er beispielsweise mit einem funktionstüchtigen Smartphone aus dem Laden geht und nicht erst noch mühsam den für ihn passenden Mobilfunktarif suchen muss. Zum anderen wollen wir auch unsere Mobilfunk-Shops mehr in das Digital-Lifestyle-Konzept einbinden, beispielsweise mehr Zubehör verkaufen. Da hat Gravis eine Kompetenz, die wir vorher nicht hatten und von der wir profitieren können.

Inwiefern?
Gravis hat mit Networx eine Eigenmarkte im Zubehörbereich. Das bietet uns die Möglichkeit, zum Beispiel ein iPad-Cover nun auch in allen 560 Mobilfunkshops anbieten und somit ganz andere Mengen produzieren zu können als Gravis früher. Für Gravis-Kunden liegt das Zubehör im Preiseinstiegssegment, für Mobilcom-Debitel ist das Zubehör eine sinnvolle Sortimentserweiterung im mittleren Bereich, die von unseren Kunden sehr gut angenommen wird.

Ihr Wettbewerber mStore ist insolvent, Branchengrößen wie Media Markt und Saturn kämpfen mit Rückgängen im stationären Geschäft. Sie wollen expandieren. Ist das klug?

Gravis ist die strategische Speerspitze im Freenet-Konzern. Die Läden haben im Vergleich zu den Mobilfunk-Shops von Mobilcom-Debitel eine größere Fläche, größere Auswahl und ein gutes Image. Unsere Kunden erwarten von Gravis, dass sie guten Service, gute Beratung und eine qualitativ hochwertige Vorauswahl präsentiert bekommen. Wer 30 Laptops zur Auswahl will, soll gerne zu Media Markt gehen.

Was machen Sie denn besser als die Konkurrenz?

Bei uns kommt man rein, erhält eine persönliche Beratung und hat ein fast schon familiäres Einkaufserlebnis, denn unsere Kunden kommen immer wieder. Wir haben zudem Techniker in der Filiale und verdienen mit denen auch Geld. Der Kunde muss ein defektes Gerät beispielsweise nicht selbst zurückschicken, entweder reparieren wir es selbst oder übernehmen die Abwicklung für unsere Kunden.

Anfang des Jahres haben Sie trotz Ihrer Expansionspläne in Frankfurt den Gravis Store geschlossen. Warum?

Der Vermieter wollte eine deutlich erhöhte Monatsmiete, das haben wir nicht mitgemacht. Durch die Übernahme von re:Store sind wir bald mit Gravis in dem Einkaufscenter MyZeil präsent, also weiterhin in einer 1A-Lage. Durch Mobilcom-Debitel mit inzwischen 560 Shops haben wir bei Verhandlungen mit Vermietern Größenvorteile, die wir auch bei den mehr als 30 Gravis-Filialen nutzen.

Das Thema Multichannel ist auch noch eine Baustelle. Wie kommen Sie da voran?

Wir haben angefangen, die Kanäle zu verzahnen, beispielsweise können Kunden Ware online bestellen und in der Filiale abholen. Wir werden Multichannel weiter ausbauen, auch, um die Kunden weiter in die Filiale zu bekommen.

Mobilcom-Debitel hat gut 170 Franchise-Shops. Können Sie sich so ein System auch für Gravis vorstellen?

Nein, denn Franchise ist ein klassisches System, um Expansion voranzutreiben und zu finanzieren. Das schaffen wir bei Gravis alleine. Im Übrigen betreiben wir auch 390 Mobilcom-Shops selbst, stationären Handel können wir also sehr gut.

Über Gravis

1986 gründeten Archibald Horlitz und Wilfried Gast den Versandhandel HSD in Berlin, der IT-Businesslösungen anbot. 1989 kam unter dem Namen Gravis der stationäre Handel mit ersten Ladenlokalen in Berlin und Hamburg dazu. Als Apple 1991 „Computer für Consumer" ankündigt, kümmerte sich Gravis um den Verkauf von Produkten des kalifornischen herstellers in Deutschland. Mit rund 660 Mitarbeitern an 33 Standorten zählt Gravis heute zu den führenden Apple Service Providern in Europa. Seit Anfang 2013 ist Gravis eine Tochter der Freenet AG, zu der auch die Mobilfunkshop-Tochter Mobilcom-Debitel gehört. Im April 2014 übernahm Gravis zwölf Ladengeschäfte des Apple Premium Resellers re:Store in Deutschland. Inzwischen verkauft der „Digital-Lifestyle"-Händler auch ausgewählte Produkte von Samsung und Sony. Apple selbst hat derzeit 13 Läden in Deutschland.

Interview: Sybille Wilhelm

Der Artikel ist in der aktuellen Ausgabe von Der Handel erschienen. Zum kostenfreien Probeexemplar geht es hier. Lesen Sie Der Handel auch auf dem iPad.               

Hubert Kluske spricht auf dem Branchentreff etailment Summit. Das aktuelle Programm, Anmeldung und weitere Infos finde Sie hier.