PayPal-Deutschlandchef Arnulf Keese im Gespräch über Mobile Payment, den Konkurrenten Yapital, die Zukunft des Bezahlens und den Widerspruch zwischen Sicherheit und Bequemlichkeit.
(Holt ein kleines Brieftäschchen hervor.) Einen 100-Euro-Schein, einen Fünf-Euro-Schein, eine EC- und eine Kreditkarte und eine Firmenkreditkarte.
Und wie lange werden Sie diese Geldbörse noch brauchen?
Nicht mehr allzu lange. Wir müssen noch ein wenig warten, aber wenn Sie mich in zwei Jahren noch einmal fragen, vielleicht schon nicht mehr.
Sie teilen also die These von PayPal-CEO David Marcus, dass man in wenigen Jahren kein Portemonnaie mehr braucht?
Vor allem teile ich die Ansicht der Konsumenten, die wir befragt haben und die in deutlicher Mehrheit sagen: "Ich will keine Geldbörse mehr mit mir rumschleppen." Was noch nicht heißt, dass die alle schon mobil bezahlen, aber sie können es sich gut vorstellen.
Dennoch lässt der Durchbruch für mobile Zahlungslösungen seit Jahren weltweit auf sich warten. Auch PayPal hat nur hier und dort ein paar Tests gestartet.
Wir sehen heute noch sehr viele unausgereifte Lösungen. Die Nutzererfahrung ist oftmals völlig unzureichend. Die mobile Revolution findet ja nicht als Selbstzweck statt, sondern dort, wo Probleme gelöst werden. Wir probieren verschiedene Anwendungsmöglichkeiten aus, um festzustellen, wo lösen wir Probleme, wo ist die Bequemlichkeit für den Nutzer so hoch, dass Mobile Payment die richtige Lösung ist. Zum Beispiel testen wir in Berliner Restaurants die Zusammenarbeit mit dem iPad-Kassensystem Orderbird und in der Stadt Oldenburg QR-Codes im Schaufenster. Beides wird sehr gut angenommen.
Werden Sie die Beacon-Technologie auch in Deutschland testen?
In den USA testet PayPal die Bluetooth Low Energy (BLE) Technologie bereits an rund 10.000 Standorten. Innerhalb der nächsten Monate werden wir auch in Deutschland erste Tests pilotieren. BLE hat viele Vorteile, es ist breit verfügbar, wahnsinnig schnell und ohne WLAN, GSM- oder GPS-Empfang nutzbar. Das ist eine dieser technischen Innovationen, mit denen man sehr viel machen kann, wenn der Konsument es will.

Wir fragen uns eher, wie wir die meisten Probleme für den Kunden lösen können und das sehen wir im Moment eher in anderen Bereichen. Es geht nicht darum, die Karte durch das Handy zu ersetzen. Das mobile Bezahlen in der Offlinewelt wird in sehr unterschiedlichen Ausprägungen stattfinden, da es in den jeweiligen Kontext eingebettet sein wird. Sie werden sich künftig nicht mehr in die Supermarktschlange einreihen, um zu bezahlen. Das mobile Bezahlen wird das Problem des Anstellens abschaffen.
Wie soll das Ihrer Meinung nach funktionieren?
Sie können von diesem Konferenzraum einen Kaffee in der Kantine bestellen und gleichzeitig bezahlen. Künftig können Sie von hier aus vermutlich auch ein Menü bei McDonalds um die Ecke bestellen, gleichzeitig bezahlen und dann später abholen, ohne in der Schlange zu stehen. Wenn Sie ein Taxi brauchen, bestellen Sie es per MyTaxi und können es schon heute mit PayPal bezahlen. Das sind die Anwendungsfälle, wo mPayment bereits heute Probleme löst. Der gesamte Prozess des Auswählens, Kaufens und Bezahlens wird durch die mobile Revolution sehr viel anders aussehen als heute. Das Bezahlen ist dabei das Bindeglied, tritt aber als Prozess völlig in den Hintergrund.
Das hieße aber doch auch, dass es für jede Zahlungssituation künftig eine oder mehrere spezielle Lösungen gibt?
Das Payment der Zukunft ist sicherlich nicht so monolithisch wie wir es gewohnt sind. Der Kontext und die Kontrolle des gesamten Kontextes sind der Schlüssel zum Erfolg. Nehmen Sie eine App wie Uber. Da sagen Sie einmal, ich will mit PayPal bezahlen, und dann tritt das Zahlen völlig in den Hintergrund. Nehmen Sie die kleinen Restaurants in Berlin, die Orderbird nutzen, für die lohnt sich keine eigene App. Da funktioniert die PayPal-App. Bei MyTaxi oder Uber sind wir in die App integriert. Deshalb hat PayPal Braintree gekauft, damit die App-Entwickler die Entscheidung für den Nutzer treffen. Der Konsument hat dann die Möglichkeit zu entscheiden, welche Apps per PayPal bezahlen sollen. Mobile Payment heißt nicht, an der Kasse stehen und mit dem Handy bezahlen, sondern zu sagen, ich will ins Kino und im nächsten Moment das Ticket zu haben.

Wir haben die beste Position aufgrund unserer Erfahrung im Onlinehandel. Vielen anderen fehlt allein schon die Kunden- und die Händlerbasis. Der Kunde unterscheidet nicht zwischen Internet-Bezahlung oder Mobile Payment und er weiß, dass er PayPal vertrauen kann.
Apropos Onlinehandel. Kommt der "In-Context-Checkout", also das Bezahlen ohne Wechsel auf die PayPal-Seite, auch nach Deutschland?
Wir haben das bei digitalen Gütern bereits ausprobiert, weil der Konsument in einem Spiel für einen virtuellen Goldbarren, der 2 Euro kostet, nicht die Webseite wechseln will. Wir prüfen, in welchen Bereichen In-Context-Checkout darüber hinaus sinnvoll ist. Wir wollen die Lösung mit zusätzlichen Angeboten abrunden und vermutlich in diesem Jahr ausrollen. In einigen Bereichen wird es klappen, in anderen, bei höherwertigen Gütern nicht - auch hier hängt viel vom Kontext der Bezahlung ab.
Über welche "zusätzlichen Angebote" denken Sie nach - etwa Ratenkredite?
Etwas das den Händlern ermöglichen wird, noch leichter mehr Umsätze zu erzielen. Mehr will ich dazu noch nicht verraten.
Händler kritisieren vor allem die hohen Gebühren von PayPal. Werden sie günstiger, wenn die Kreditkartenentgelte reguliert werden?
Wie heißt es so schön? Die Klage ist der Gruß des Kaufmanns. Wir sind ein Investment in Umsatzwachstum. Nach der letzten IZH-Studie erzielen Händler, die PayPal einsetzen, eine Umsatzsteigerung von 23 Prozent. Dafür zahlen sie vielleicht 2 Prozent, mit der Rechnung sind offenbar viele Händler zufrieden. 80 Prozent der Top-1000 Onlineshops nutzen PayPal.
Die Europäische Zentralbank plant aus Sicherheitsgründen strengere Regeln für Zahlungen im E-Commerce - Stichwort: "SecuRe Pay". Was halten Sie von den Plänen?
Wir müssen uns damit befassen, wie mit jeder anderen Regulierung auch - wir sind Bank - und Sicherheit ist ein wichtiges Thema. Wenn man aber bei jeder Transaktion künftig PIN und TAN eingeben soll oder eine Hardware-Verifikation erfolgen muss, dann wäre dies der plötzliche Herztod jeder Art von Benutzerfreundlichkeit - und außerdem, welche Sicherheitslösung aus der Vergangenheit hat denn das Problem gelöst? Um Autos sicher zu machen, kann man den Motor auf 20 km/h drosseln oder Airbags einbauen. Die Konsumenten wollen Sicherheit, ohne Einbußen bei der Bequemlichkeit.
Aber die EU macht nicht immer, was die Markteilnehmer sich wünschen...
... wir bringen uns in die Diskussionen ein und unsere Stimme hat dabei auch Gewicht. Auch bei der SEPA-Lastschrift konnten wir so für den E-Commerce eintreten.
Interview: Hanno Bender, Sybille Wilhelm
Zur Person: Arnulf Keese (46) ist seit 2011 Geschäftsführer von PayPal Deutschland, seit 2006 gehört er dem Unternehmen an. Der diplomierte Physiker blickt auf berufliche Stationen als Geschäftsführer bei Giropay, StarFinanz, QXL Ricardo zurück und gehörte von 1996 bis 1999 der Geschäftsführung von AOL Deutschland an.
Zum Unternehmen: Die eBay Inc.-Tochter PayPal ist eine Macht im weltweiten Zahlungsverkehr. In Deutschland gibt es nach Unternehmensangaben 12 Millionen aktive PayPal-Nutzer, weltweit soll es 143 Millionen Mitgliedskonten in 193 Nationen und 26 Währungen geben. Mit rund 1,3 Milliarden Euro Gebührenumsatz war PayPal mit einem Plus von 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr der Hauptwachstumstreiber des Ebay-Konzerns.
Dieses Interview ist in der April-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Der Handel erschienen. Zum kostenfreien Probeexemplar geht es hier. Lesen Sie Der Handel auch auf dem iPad.