Während Deutschland vor allem auf Amazon und Amazon Go starrt und die Technologie-Führerschaft in den USA verortet, könnten Alibaba und JD.com, die Riesen aus China, das Gesicht des Einzelhandels deutlich rapider verändern. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Wer den Handel der Zukunft sehen will, der sollte nicht ins Silicon Valley fahren, sondern nach China. Denn vor allem dort wird im Glauben an den hybriden Kunden quasi jede sich bietende Technologie genutzt, um die Kanäle intelligenter zu verbinden, lebendiger zu gestalten, und das Kundenerlebnis zu verbessern.

Einkaufserlebnis über alle Kanäle verschmelzen

Beispiel Single's Day: Der Single's Day in China war 2017 ein gewaltiges Verkaufsevent und eine gigantische Einkaufsmaschine. Das lag auch daran, das beispielsweise Alibaba in geradezu hemmungsloser Verspieltheit eine nahtlose Verbindung zwischen der Online- und der Offline-Welt herstellte und dabei das Einkaufserlebnis exponentiell aufwertete.

So wurde die Eröffnungsgala von Alibaba gleich auf drei nationalen TV-Stationen gezeigt und darüber hinaus auf Youku, dem Youtube-Pendant, als Livestream übertragen sowie direkt in der Taobao-App flankiert. Die Nutzer konnten damit nicht nur das Programm sehen, sie konnten auch die Outfits direkt auf Taobao oder Tmall kaufen. Sie hatten zudem Zugang zu einer virtuellen Umkleidekabine und Vorschauoptionen für ihren neuen Look.

Alibaba - Vernetzter Handel

„Catch the Cat“ war eine weitere erfolgreiche Gaming-Kampagne am Single's Day. Nutzer konnten auf die Apps Taobao oder Tmall zugreifen und diese nutzen. Mit Augmented Reality oder AR-Technologie sollten sie per Smartphone virtuelle Katzen fangen, die zufällig erscheinen, aber mit einer bestimmten Marke verwandt sind. Einmal erwischt, können die Nutzer dann Rabatte oder Gutscheine für den Online- oder Offline-Shop der Marke erhalten. Obendrein wurden Stores von Herstellern in vernetzte Kampagnen eingebunden. 

Digitale Vernetzung im Smart-Store

Auch sonst verschwimmen die Grenzen. In Stores sorgen RFID und AR-Technologien dafür, das Kunden über ein "Cloud Shelf" auf zusätzliche  Produktinformationen zugreifen können. Während die digitale Vernetzung hierzulande noch, wie beispielsweise bei Karstadt, im Experimentierstadium ist, ist die Technik in China zunehmend Alltag für den mobilen Kunden.  

Anders als Amazon mit seinem einem Vorzeige-Markt Amazon Go, plant JD.com in China gleich Hunderte von unbemannten Convenience Stores. Das Store-Konzept verwendet Kameras für  die Gesichtserkennung, um Kunden zu identifizieren, nutzt Bilderkennung und Wärmekameras, um Bewegungen und Artikelauswahl zu verfolgen und flankiert dies mit RFID-Technologie.
 Sensoren im Smart-Store von JD.com. Bessere Technik als Amazon Go?
© JD.com
Sensoren im Smart-Store von JD.com. Bessere Technik als Amazon Go?
© JD.com
Neben 500 Mini-Stores mit automatischem Checkout, will der Händler bis 2023 rund 1000 Hightech-Supermärkte unter der Marke 7Fresh eröffnen.  
Auch Alibaba erprobt hyper-technologisierte Märkte. Die Hema-Stores dienen zudem als dezentrale Hubs für Online-Bestellungen.

Vernetzter Hema Supermarket von Alibaba

Beobachter glauben aber, dass die Technologie von JD.com derzeit besonders weit fortgeschritten ist und auch eher als Amazon Go, dass bei einer großen Anzahl an Kunden ins Schlingern gerät, große Menschenmengen bewältigen kann.

Die Kassenfreien Mini-Märkte machen nicht nur den Kunden das Einkaufen ohne Schlange stehen bequemer. Sie bringen dem Händler zugleich Zugriff auf wertvolle Daten und Erkenntnisse über die Vorlieben der Kunden.

Von der Datenmacht profitieren bei Alibaba sogar kleine Tante-Emma-Läden in China – im Tausch gegen eigene Daten. „Den Corner Shops wurde das Ende durch die Digitalisierung vorausgesagt. Jetzt zeigt sich, dass sie im E-Commerce sehr gut bestehen können – nur mit einem verbesserten Geschäftsmodell. Dafür geben wir ihnen Daten, welche Produkte in ihrer Gegend online besonders gefragt sind. Und wir geben ihre Daten an die Firmen weiter, die wiederum sehen, wie sich die Nachfrage entwickelt“, sagt Alibaba-Europachef Terry von Bibra. So lassen sich dann beispielsweise zielgenau Sortimente gestalten, Ressourcen und Lieferketten optimieren.

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