Amazon ist längst nicht mehr nur ein Handelsriese. Der Gigant aus Seattle wird mehr und mehr auch zur Werbemacht. Dabei zeigt Amazon nicht nur mit den Amazon Marketing Services Muskeln, sondern auch über die Amazon Advertising Platform (AAP). Damit können Werbetreibende auf alle relevanten Werbenetzwerke zugreifen und diese mit den Käuferdaten von Amazon verbinden. Doch was kann das Modell? Nils Zündorf, Amazon-Experte der Digital-Agentur factor-a, zeigt es an zwei Beispielen auf.

Die dritte Revolution im Media-Geschäft ist seit kurzem begehbar. Während die Amazon Marketing Services Search Engine Advertising  (SEA) zu neuer Kraft verhelfen, holt die Amazon Advertising Platform Display-Werbung aus ihrem Dilemma: der Unterbrechung im falschen Moment.

In beiden Fällen erneuert Amazon bekannte Werbemodelle durch die Information, was Menschen kaufen, gekauft haben oder bald kaufen werden. Für die Werbung sind diese Daten die stärkste Währung bisher. Ihre Aussagekraft übertrifft Daten zum Suchverhalten von Menschen auf Google oder ihren Likes auf Facebook spielend. Die Media-Macht, die Amazon damit in der Hand hält, zeigt sich besonders anschaulich im Display-Geschäft: Das US-Unternehmen besitzt einen der größten Batzen an Publisher-Inventar. Kauft also z.B. ein Versicherungsunternehmen Werbeplatz von Amazon, kann das Team auf spiegel.de Werbung für User schalten, die jüngst auf der Handelsplattform kostspieliges Haus- und Gartengerät erworben haben. Kurz gesagt: Es geht nicht mehr um Werbung auf Amazon, sondern Werbung von Amazon.

Das Einstiegsbudget ist hoch

Kann jeder Markenhersteller seine Display-Werbung nun also an Amazons Kaufdaten anschließen und erhält Starkstrom in Sachen Umsatz und Branding?

Erste Cases, die wir bei factor-a für renommierte Markenhersteller gefahren haben, zeigen beeindruckende Zahlen zum Return on Advertising Spend, aber auch bereits vermutete Herausforderungen: Das Einstiegsbudget für die Amazon Advertising Platform ist hoch, kleine, agile Tests sind anfangs jedoch wichtig, ebenso ein lückenloses Monitoring, sonst laufen Kampagnen z.B. in leere Warenbestände, weil die Plattform sie nicht automatisch abschaltet. Im Team von factor-a konnten wir zwei agile Tests im Juni dieses Jahres für große Markenhersteller fahren. Im Folgenden möchte ich einige der Erfahrungen und Ergebnisse zu diesen Cases teilen.

Case 1: Klare Segmente für Leuchten und Leuchtmittel

Kunde: International erfolgreicher deutscher Markenhersteller aus dem Segment Haushaltswaren

Ziel: Absatz- und Umsatzsteigerung

Budget: 10.000 Euro

Laufzeit: 14 Tage im Juni 2017 auf Amazon.de und externen Seiten

Erwartung ROAS: zwischen Faktor 3 und 5

Ergebnis ROAS: Faktor 18

Ausgangspunkt für diese Kampagne waren ein B2C-Sortiment von Leuchten und Leuchtmitteln, das Budget lag bei 10.000 Euro. Ziel des Herstellers war es Erfahrungswerte für die Planung seiner Amazon-Advertising-Aktivitäten in Zukunft zu erhalten. Die Kampagne wurde mit zwei Wochen über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum geplant: Reguläre Cases basieren meist auf einem Zeitraum von ein bis zwei Monaten. Das bedeutete für diesen Case hohes Bieten in Einzelauktionen, um in kurzer Zeit genügend Auktionen zu gewinnen, sowie eine dichte Werbetaktung.

Ein Ziel der Testkampagne war es, Kategorien im Leuchtmittel-Sortiment zu identifizieren, die sich besonders gut für zukünftige Kampagnen eignen. Dafür haben wir Produktlinien aus sechs verschiedenen Bereichen ausgewählt, von der Energiesparlampe über eine Hängeleuchte bis zum Außenlicht. Im nächsten Schritt haben wir diese Auswahl anhand von Segmenten innerhalb der Zielgruppe zusammengefasst.

Amazon bietet dafür zum Einen so genannte Lifestyle-Segmente, also Kategorien, die sich aus dem Surf- und Kaufverhalten der Nutzer formen. Zum Anderen gibt es die In-Market-Segmente, die auf dem Suchverhalten der vergangenen Wochen basieren und aus denen sich eine konkrete Kaufabsicht ableiten lässt. Auf Grundlage dieser Segmente haben wir zum Beispiel für Außenleutchen Gartenliebhaber und Eigentumsbesitzer angesprochen und für eine Hängeleuchte im Vintage-Stil Design-Enthusiasten, die in den Wochen zuvor in der Kategorie Decken und Hängeleuchten gestöbert haben. Für die Kategorie Leuchtmittel, also Glühbirnen und Zubehör konnten wir hingegen ein Segment von Kunden erstellen, die bereits in der Vergangenheit Produkte des Herstellers gekauft haben.

Die Kampagne lief 14 Tage im Juni – also außerhalb der Saison – bei Stamm- und Neukunden und übertraf den angenommenen ROAS in allen Produktkategorien: Mit 10.000 Euro Einsatz konnten wir eine Umsatzssteigerung von 165.000 Euro erzielen. Jeder investierte Euro erwirtschaftete somit 18,30 Euro Umsatz und Abverkäufe im sechsstelligen Bereich. Erfolgreich war die Kampagne auch mit Blick auf Reichweite und Branding Mit einem Tausender-Kontakt-Preis (TKP) von nur 2,08 Euro konnten wir in zwei Wochen über vier Millionen Ausspielungen erzielen. Dabei besuchten 2,5 Prozent der angesprochenen Nutzer im Nachgang eine Produktdetailseite der beworbenen Marke.

Das wichtigste Fazit: Die Erstellung von Segmenten ist ein Schlüsselwerkzeug für Advertising auf Amazon. Durch die Segmentbildung können Hersteller differenzierte, dynamische Vehikel innerhalb der Kampagne schaffen. Voraussetzung dafür ist ein hinreichend breites Sortiment abseits von Nischenprodukten wie Katzenhaarbürsten.

Case 2: Retargeting für lange Entscheidungsprozesse

Kunde: Europäischer Markenhersteller aus dem Segment Haushaltswaren

Ziel: nachhaltige, skalierbare Umsatzsteigerung

Laufzeit: 14 Tage im Juni 2017 auf Amazon.de sowie externen Seiten (z.B. web.de, gmx.de, chip.de)

Erwartung ROAS: zwischen Faktor 3 und 5

Ergebnis ROAS: Faktor 15,3

Die Rentabilität einer Amazon-Advertising-Kampagne hängt naturgemäß von der Produktkategorie, dem Preis und der Markenbekanntheit ab. Dass ein ROAS-Faktor zwischen 10 und 20 keine Seltenheit ist, zeigt jedoch auch das zweite Beispiel.

Das Ziel war hier eine nachhaltige und skalierbare Umsatzsteigerung. Denn anders als im ersten Case sollte diese Kampagne deutlich langlebigere Produkte bewerben: hochwertige Staubsauger. Der Entscheidungsprozess bis zum Kaufabsschluss für diesen Produkttyp erstreckt sich meist über ein bis zwei Wochen, viele Interessenten springen im Zuge des Prozesses wieder ab.

Der Fokus der Kampagne lag somit darauf potenzielle Kunden in der laufenden Entscheidungsfindung anzusprechen, ihr Interesse zu stabiliseren und zu unterfüttern. Den beworbenen Zielgruppen gemein war, dass sie in den letzten Wochen auf der Produktdetailseite eines Staubsaugers auf Amazon.de waren, aber noch keinen über die Plattform gekauft hatten. Innerhalb dieser Zielgruppe haben wir verschiedene Segmente identifiziert und kombiniert. Darunter war z.B. ein Segment mit Kunden, die bereits Produkte für mehr als 100 Euro oder hochwertige Küchenausstattung über Amazon erworben hatten.

Die Besonderheit dieser Kampagne: Um die Kunden im Entscheidungsprozess umfassend zu erreichen wurden auch Ausspielungen auf externen Seiten gebucht. Rund 5,2 der 6,6 Millionen Kampagnen-Ausspielungen wurden auf Desktop- und mobilen Seiten außerhalb des Amazon-Universums geschaltet.

Retargeting-Möglichkeit über die ASIN

Als sehr stark in puncto Gesamtumsatz, aber auch Umsatz pro Ausspielung, erwies sich dabei das Inventar der United Internet AG. Plattformen wie web.de und gmx.de bieten neben ihrer hohen Reichweite auffällige Platzierungen. Webseiten wie Chip.de aus der Heise- Gruppe lieferten wiederum conversionstarke Kunden, die sich bereits mit technischen Produkten auseinandergesetzt hatten. Insgesamt erzielten externe Seiten in dieser Kampagne eine Umsatz-Rentabilität pro Euro von rund 14 gegenüber rund 25 auf Amazon.de. Besonders erfolgreich war in diesem Fall auch der Einsatz einer neuen Retargeting-Möglichkeit über die ASIN, die Amazon-Standard-Identifikationsnummer von Produkten. Das neue Retargeting erlaubt es Kunden anzusprechen, die eine ASIN des Herstellers oder der Konkurrenz angeklickt, aber noch nichts gekauft haben. Diese Art des Retargeting sollte in unseren Augen zum Standard-Setup für Produkte mit längeren Entscheidungsprozessen gehören – insbesondere wenn bereits ein Investement in Keyword-Kampagnen via Amazon Marketing Services besteht und Kunden darüber angesprochen wurden. 

Mit diesem Gesamt-Setup und einem Einsatz von 10.000 Euro Budget über zwei Monate im Juni 2017 konnte die Kampagne rund 161.000 Euro Umsatz über die beworbenen Produktlinien hinweg erwirtschaften. Das bedeutete rund 43.000 Euro Umsatz der beworbenen Lagereinheiten (Stock Keeping Units oder SKUs) sowie 6,6 Mio Impressionen auf externen und Amazon-Seiten und ein TKP von rund.1,50 Euro.

Unser Fazit bei factor-a zur Amazon Advertising Platform:

  • Amazon-Segmente können sowohl für Abverkaufsziele als auch für Branding genutzt werden.
  • Kampagnen auf Amazon haben trotz ihres höheren TKPs eine sehr hohe Rentabilität. Über alle von uns betreuten Setups konnten wir das beobachten. Dies ist auf die native Einbettung in die in Amazonwelt und die Nähe zum Kaufabschluss zurückzuführen.
  • Entscheidend für Hersteller ist dabei durchweg ein Auge auf die Buy Box und den aktuellen Warenbestand über das Vendor-Central-Tool zu haben, da Amazon Kampagnen nicht automatisch beendet, wenn das Produkt aktuell nicht erhältlich oder gerade von einem anderen Händler verkauft wird. Dies stellt für Hersteller manuell, also ohne automatisches Monitoring, z.T. eine Herausforderung dar.
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