
Doch in der Regel genügt ein einziger Kontakt mit dem Nutzer nicht, um ihn zu einer Bestellung zu bewegen. Hat der Online-Shopper ein Produkt gekauft, liegt hinter ihm meistens eine längere Reise durch das Web.
Mit Hilfe einer Customer-Journey-Analyse lassen sich die Anteile der einzelnen Stationen relativ exakt ermitteln. Unser Ziel ist es, damit den Online‐Marketing‐Mix in Hinblick auf die tatsächliche Kosten‐Umsatz‐Relation (KUR) jedes eingesetzten Kanals neu zu bewerten, schreibt Ralf Rogosch, Geschäftsführer der Tengelmann New Media GmbH (TNM) in Mülheim/Ruhr, in einem Gastbeitrag für etailment.Bevor aus einer vagen Idee im Kopf des Kunden ein konkreter Kaufabschluss wird, bedarf es einer ganzen Reihe von Anstößen. Typisches Beispiel einer solchen Customer Journey: Schon Tage vor dem Kauf sieht der spätere Käufer in einem sozialen Netzwerk, dass einer seiner Freunde die Statusmeldung eines Unternehmens „geliked" hat, das einen Rabatt auf ein Produkt – etwa einen Grill – anpreist. Der Nutzer ist diesem Angebot zwar gefolgt, hat sich aber noch nichts gekauft, sondern die Seite wieder verlassen. Einige Tage später sucht der User, weil das Wetter besser geworden ist, über Google nach dem Grill und sieht eine Adwords-Anzeige des Shops, klickt darauf und bestellt das Gerät.
Falsche Budget-Verteilung
Im Performance-Marketing im Internet mit seinen unterschiedlichen Kanälen wie zum Beispiel Suchmaschinenoptimierung und -marketing, Display-Werbung. Social Media, Re-Targeting oder Affiliate-Programmen gilt heute meist noch das Last Cookie Wins-Prinzip, um einen Werbepartner für seinen Beitrag zur Konversion zu bezahlen. Dabei wird der Verdienst allein dem Werbemittel zugeschrieben, das der Kunde als Letztes vor dem Kauf angeklickt hat. Das entspricht jedoch nicht dem Anteil, den dieses Werbemittel am Zustandekommen der Kaufentscheidung hat und führt zu einer falschen Verteilung der Online-Marketingbudgets.
Eine Verprovisionierung nur des letzten Kontaktpunkts geht an der realen Wertschöpfung vorbei und bedeutet unter dem Strich, dass nicht das maximale Potenzial aus dem Marketingbudget herausgeholt wird. Bisher berücksichtigen die Kampagnenauswertungen zumeist auch nicht die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Kanälen, oder die zwischen Klicks und Views. Hier brauchen wir neue Eruierungsmethoden und ein kanalübergreifendes Controlling der Online-Werbemaßnahmen, statt dem bisherigen Tunnelblick ist die Vogelperspektive notwendig.
Customer-Journey-Analyse
Deshalb haben wir für unseren Kunden plus.de mit Hilfe des Berliner Dienstleisters AdClear im Herbst 2011 die systematische Erfassung der „Kundenreise“ gestartet. Die erste Zwischenbilanz nach der Analyse von 24.000 Customer Journeys fällt bereits sehr positiv aus. So konnten wir beispielsweise feststellen, dass die Display-Werbung zwar nur wenige direkte Verkäufe generiert, aber eine hohe aktive Unterstützung leistet. Zudem hat die Analyse gezeigt, dass viele Nutzer, die direkt zum Shop kommen, nochmals zu Gutscheinpartnern wechseln, um Rabatte zu erhalten, bevor sie kaufen. Hier muss dringend nachjustiert werden. Doch ohne eine Customer-Journey-Analyse kann man gar nicht beurteilen, ob zum Beispiel Gutscheinpartner oder -portale die bestehenden Sales ergänzen oder kannibalisieren. Das Gleiche gilt für den Einfluss der Contentportale, deren tatsächliche Wirkung erst in einer näheren Betrachtung sichtbar wird.

Valider Performance-Wert
Mit der Customer-Journey-Analyse, die Teil unseres Beratungsangebots zur Shop-Optimierung ist, können wir den Weg der Kunden bis zum Kauf sehr genau verfolgen und feststellen, wo die Realität von den bisherigen Annahmen abweicht und diese Lücke schließen, indem der Werbedruck anders verteilt wird. Auf Grundlage von Studien, die über mehrere Monate durchgeführt wurden, hat AdClear spezielle Parameter für die Bewertung von Kontaktpunkten innerhalb einer Customer Journey definiert. Die daraus abgeleitete Formel berechnet erstmals einen validen Performance‐Wert für jeden einzelnen Kanal im Online‐Marketing‐Mix.
Mit Hilfe des mathematischen Verfahrens lässt sich recht genau die Vertriebs‐ und Werbeleistung der einzelnen Kanäle bestimmen – das Ergebnis weist deren prozentualen Anteil am Sale aus. Das Verfahren basiert auf den harten Faktoren Aktivierung‐, Impuls‐ und Engagement‐Leistung des Kontaktpunktes sowie dessen Position vor dem Sale. Die Abweichungen bei der Kanalbewertung, so die bisherige Erkenntnis, zwischen den verschiedenen Modellen liegen bei 20 bis 30 Prozent.
Diese Differenzen bestätigt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie des US-Softwareherstellers Adobe, für die 1,7 Milliarden Besuche auf 225 Websites von US-Firmen aus den Bereichen Handel, Reise und Medien ausgewertet wurden. Sie hat u.a. nachgewiesen, das Social Media bei dem heute vorherrschenden Attributionsmodell benachteiligt und deutlich unterschätzt wird. Die Analyse zeigt u.a., dass falsche oder nicht vollständige Zuweisungen von Erfolgsmetriken meist zu Lasten des Social-Media-Kanals gehen.
Kundenspezifische Faktoren
Das entscheidende Manko aller bisherigen Attributionsmodelle besteht darin, dass sie standardisiert angewendet werden und keine kundenspezifischen Faktoren mit einbeziehen können. Unser Ziel ist es deshalb, mit Hilfe der Customer-Journey-Analyse den Online‐Marketing‐Mix in Hinblick auf die tatsächliche Kosten‐Umsatz‐Relation (KUR) jedes eingesetzten Kanals neu zu bewerten. Dieser ganzheitliche Ansatz der führt zu einem flexiblen und individuellen Attributionsmodell, bei dem nicht nur ein Maximum an KUR‐Kontrolle, sondern auch die leistungsgerechte Provisionierung an die Vertriebspartner in Echtzeit möglich ist.
Aber da sich die Rahmenbedingungen ständig ändern – etwa die Preise der Werbung auf den unterschiedlichen Kanälen oder das Auftreten von neuen Wettbewerbern – ist diese Analyse und die anschließende Optimierung nie abgeschlossen, sondern Teil eines permanenten Verbesserungsprozesses. Wir wissen aus eigener langjähriger Erfahrung, wo die Hebel im E-Commerce anzusetzen sind, wenn man erfolgreich sein will. Aber auch, wo falsch platzierte Investitionen nutzlos versickern.
Darum hat sich Tengelmann New Media inzwischen das Instrumentarium geschaffen, um anhand von genau definierten Keys Performance Indicators (KPIs) jederzeit den Erfolg oder Misserfolg einer einzelnen Marketingmaßnahme objektiv beurteilen zu können. Denn Bauchgefühl ist in diesem Geschäft fehl am Platze. Es geht immer darum, den Erfolg bestimmter Aktivitäten messbar zu machen und sofort entsprechend zu reagieren. Die Customer-Journey-Analyse ist dabei eine wichtige Hilfe.
Über den Autor:
Der Marketingexperte Ralf Rogosch beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit dem Thema E-Commerce. Als Geschäftsführer der Consulting- und Umsetzungsagentur Tengelmann New Media GmbH(TNM) in Mülheim/Ruhr, die als E-Commerce-Kompetenzzentrum der gesamten Tengelmann Gruppe fungiert, betreut er Kunden inner- und außerhalb des traditionsreichen Einzelhandelskonzerns. Zuvor zeichnete der 47-Jährige Kommunikationswissenschaftler (Zeitungswissenschaft) fast ein Jahrzehnt lang in verschiedenen Positionen bei Karstadt verantwortlich – unter anderem als Marketingleiter für karstadt.de.