Prognosen en gros: Technik in den Läden ist das große Ding für die Kunden - verkünden alle, die irgendwie mit Technik in den Läden zu tun haben. Dabei ist die Branche derart heterogen, dass sich beim Megathema Digitalisierung Standard-Strategien verbieten. Zudem hat der stationäre Handel noch ganz andere Bretter zu bohren.
Erlebnis vor Ort ist "ausbaufähig"
So heißt es in einer Studie: "Nur noch rund die Hälfte der Befragten ist der Meinung, dass das Verkaufspersonal über umfassendes Sortimentswissen verfügt. 2017 lag dieser Anteil noch bei 58 Prozent. Das Ladendesign halten aktuell nur 39 Prozent der Befragten für ansprechend (2017: 52 Prozent)."In einer anderen Studie wurde festgestellt: "Der stationäre Handel bleibt für deutsche Verbraucher relevant, doch das Erlebnis vor Ort ist oft ausbaufähig. Drei Viertel der Verbraucher legen Wert auf freundliche, aufmerksame und präsente Verkäufer – allerdings berichten 59 Prozent der Kunden, dass sie bei ihrem letzten Einkauf das Verkaufspersonal aktiv ansprechen mussten, um beraten zu werden. Nur 38 Prozent der Verkäufer konnten während des Gesprächs Informationen zu einem bestimmten Produkt geben." 1.000 Konsumenten wurden jeweils befragt.
Wer will einem Roboter hinterherlaufen?
Es ist die Zeit der Studien, Befragungen, Prognosen. Die Digitalisierung aller Prozesse fegt wie ein Orkan über die Handelsbranche, ein Abflauen ist nicht in Sicht, und alle wollen wissen, wie die Handelswelt nach dem Sturm aussieht.
WLAN im Laden - was hilft es?
Die Hamburger Unternehmensberaterin Kristine Fratz hat einmal über den Trend bei den Einzelhändlern gesagt: "Sie statten ihre Läden mit i-Pads und virtuellen Gadgets aus - und wundern sich, warum die Frequenz nicht schlagartig in die Höhe schießt. Was gewinnt der Händler effektiv durch WLAN, außer, dass der Kunde im Geschäft online vielleicht nach besseren Preisen suchen kann? Kunden kommen doch nicht wegen kostenlosem Internet ins Geschäft."Dass viele Kunden eigentlich gar nicht mehr kommen wollen, steht in einer Studie des Beratungsunternehmens Capgemini. "Nur 45 Prozent der Konsumenten finden ein stationäres Geschäft nützlich", heißt es nach einer internationalen Befragung. Und noch brutaler: Ein Großteil der Befragten würde lieber den stationären Handel überspringen und direkt beim Hersteller (67 Prozent) oder einem Onlinehändler (56 Prozent) bestellen.
Wieviel Technik braucht der Laden? Eigentlich immer noch unklar!
Gut, 6.000 Befragte in neun Ländern sind vielleicht als Datenmenge noch nicht wuchtig genug, um daraus eine Allgemeingültigkeit abzuleiten. Und wenn Capgemini gleichzeitig noch anbietet, dass man Händler auf dem Weg zu einem digitalen Store unterstützen kann, dann kann man ahnen, wie und zu welchem Zweck solche Studien komponiert werden.Wieviel Technik die Kunden in einem Ladengeschäft vertragen oder wollen, ist noch nicht abschließend geklärt. Capgemini will etwa herausgefunden haben, dass 70 Prozent der Konsumenten "ein mit Komfort und Entertainment angereichertes Erlebnis erwarten". Heißt, wenn man die Studie richtig liest, "die Nutzung technologischer Innovationen". Ja klar. Kunden wollen demnach anhand ihrer Einkaufsliste durch die Filiale navigiert werden und wünschen sich Zusatztipps, "basierend auf ihrer Einkaufshistorie und Onlinesuche".
Mit Technik fühlen - das wird interessant
Dann noch der schöne Satz: "Sie wollen Produkte nicht nur kaufen, sondern erleben, fühlen und sich über diese ausreichend informieren." Aber wozu braucht man dazu Technik? Also, etwa zum Fühlen? Gut, Produktinfos per QR-Code sind ja nichts Neues mehr - dass diese aber massenhaft gescannt werden, ist bisher unbekannt.
In eine andere Ergebniswelt taucht ein, wer sich durch die 192 Seiten des Soziologischen Forschungsinstituts an der Göttinger Georg-August-Universität arbeitet. Hierfür wurden streng objektiv-wissenschaftlich 30 kleine und mittlere Handelsbetriebe in Südniedersachsen befragt, was die Digitalisierung für sie bedeutet.
Bisher wenig.
Und deswegen werde für diese Betriebe der Wettbewerbsdruck noch höher, schreibt Studienautor Klaus-Peter Buss. "Trotzdem verfügen kleine und mittlere Fachhändler über Kompetenzen und Wettbewerbsstärken, die auch durch die Digitalisierung nicht in Frage gestellt werden." Damit meint er Kommunikation und Beratung. Die Klassiker, die möglicherweise von keinem angeblich so gewünschten Loyality-Programm ersetzt werden können.
Je kleiner, desto weiter weg ist die Digitalisierung
Buss hat in seiner Studie festgestellt, dass viele kleine Händler in seinem Befragungsgebiet von solchen Angeboten ohnehin meilenweit entfernt sind. Da berichten ihm Kunden, dass etliche Geschäfte weder eine Internetseite noch einen Vermerk bei Google plus mit Öffnungszeiten haben. "Vielen Händlern fehlt das Verständnis dafür, wie online funktioniert", wird ein Konsument zitiert. Onlinemarketing? Nie gehört.Technik begeistert die Techniker
Wieviele Studien über Technik in Läden in Umlauf sind, ist schwer zu ermitteln. Jeder bessere Dienstleister, Internetprovider, Technologieanbieter oder Berater bringt sich derzeit mit solchen Analysen in Stellung, unterstützt von den jeweiligen Verbänden wie Bitkom. Der Digitalverband sagte basierend auf einer Händlerumfrage bereits 2017 vorher, dass der Handel der Zukunft digital sei. Wie überraschend.Der Göttinger Wissenschaftler Buss schreibt jedoch: "Es gibt nicht DEN Handel." Aufgrund der unterschiedlichen Vertriebsformen und Warenarten sei von einer äußerst heterogenen Branche zu sprechen.
Keine Strategie-Blaupause für alle Handelsunternehmen
Folglich gibt es dann auch keine einheitliche Digitalisierungs- oder Technikstrategie, sowohl für die rückwärtigen Prozesse wie Lagerhaltung, als auch für den Verkauf auf der Fläche. Unternehmen, die im Massenmarkt unterwegs sind wie die großen Filialisten, können und müssen anders agieren als kleine, lokale Fachhändler.Wer 500 Filialen und mehr betreibt, für den ist beispielsweise die systematische Erhebung und Analyse von Kundendaten Pflicht. Wer ein Geschäft am Marktplatz einer Kleinstadt betreibt, der gewinnt, wenn er seine Kunden mit Namen ansprechen kann.
Dafür braucht er keinen Roboter, sondern ein gutes Gedächtnis.