Kunden wollen gekannt werden, wie früher im Laden um die Ecke. Möglich wird das unter anderem durch Location-Based-Marketing. Wie das funktioniert, erklärt Marketing-Experte Max Weiland in einem Gastbeitrag.

Der Tante-Emma-Laden von früher ist bei Kunden längst ein Mythos. Was war das schön ... Ja, was eigentlich? Die engen Räumlichkeiten? Das begrenzte, teure Warenangebot? Natürlich nicht. Die Legende ist geprägt durch die Person "Tante Emma".

Kam ein Kunde in den Laden, wurde er mit Namen begrüßt und Tante Emma wusste sofort, was er brauchte und üblicherweise kaufte. Oder was er vielleicht brauchen konnte, obwohl er es selbst noch gar nicht ahnte. Die Werbung von Tante Emma erfolgte direkt im Dialog mit dem Kunden im Geschäft.

Das historische Tante-Emma-Konzept hatte allerdings gravierende Nachteile: Es war nicht skalierbar und auf großen Verkaufsflächen von einigen hundert Quardatmetern oder mehr mithin wirtschaftlich nicht umsetzbar. Daran hätten auch Horden von Tante Emmas am Point of Sale nichts geändert. Folglich verschwand Tante Emma von der Bildfläche.
Jeden Kunden persönlich zu kennen, das ist das Tante-Emma-Prinzip, das heute in digitaler Form eine Renaissance erfährt.
© IMAGO / United Archives
Jeden Kunden persönlich zu kennen, das ist das Tante-Emma-Prinzip, das heute in digitaler Form eine Renaissance erfährt.

Tante Emma spricht über das Smartphone zum Kunden

Die Renaissance des Tante-Emma-Konzepts wird heute auf digitaler Basis umgesetzt, auf modernen, großen Verkaufsflächen, bei hoher Kundenfrequenz und attraktiven Preisen. Tante Emma 2.0 trägt der Kunde heute auf seinem Smartphone stets bei sich. Diese digitale Tante Emma heißt Location-Based-Marketing (LBM).

LBM kann mit erhöhter Zufriedenheit und Bindung der Kunden und gleichzeitig steigendem Umsatz auf der bestehenden Fläche punkten und funktioniert nicht nur im Lebensmitteleinzelhandel, sondern im gesamten Retailbereich.

Die Informationen, die Tante Emma für ihre kleine Zielgruppe früher alle noch im Kopf hatte, sind heute für große Kundenstämme digital in der App eines Händlers gespeichert und werden maßgeblich auch aus seinem Onlineshop gespeist.
Intelligent ausgewertet, lassen sich damit passgenaue Angebote strukturieren, die den Kunden dank bluetoothbasierter Signale (Beacons) quadratmetergenau und in Echtzeit im Geschäft als Push-Nachricht auf dem Smartphone erreichen. So wachsen Online- und Offline-Kanäle zusammen.

Location-Based-Marketing darf nicht lästig sein

Location-Based-Marketing ist besonders leistungsstark bei großen Kundenzahlen, wenn zudem viele digitale Profile für die eigenen Kunden existieren. Dann lohnt es sich, die technisch notwendige Hardware am POS zu installieren und eine LBM-Lösung zu implementieren.

Wichtiger noch aber ist, dass der Retailer sein neues Verkaufstool sinnvoll nutzt. Die digitale Tante Emma sollte eines nämlich nicht sein: lästig. Denn sonst deaktivieren die Kunden flugs die Erlaubnis für die Zusendung von Push-Nachrichten.

Die nette personalisierte Begrüßung per Push-Nachricht am Eingang oder vor dem Geschäft - okay. Der Hinweis auf neue Sportschuh-Angebote in Froschgrün ist ebenfalls in Ordnung, wenn der Kunde sich in der Vergangenheit online oder offline bereits für Sportbekleidung interessiert hat oder als Froschgrün-Fan bekannt ist.
Mithilfe von Location-Based-Services lassen sich passgenaue Angebote je nach Standort des Kunden jederzeit ausspielen.
© IMAGO / Panthermedia
Mithilfe von Location-Based-Services lassen sich passgenaue Angebote je nach Standort des Kunden jederzeit ausspielen.
Nicht zielführend wäre der Push bei Kunden, die bislang nur als Interessenten für Businesskleidung in gedeckten Farben in Erscheinung getreten sind. Dort wäre vor dem entsprechenden Regal eher eine Nachricht auf dem Smartphone angebracht, dass die regelmäßig gekauften Business-Schuhe in passender Größe zwar im Geschäft nicht verfügbar sind, im Onlineshop aber gerade günstig angeboten werden.

Auswertung von Kundenreaktionen ist Pflicht

Location-Based-Marketing muss persönlich, passgenau, informativ und flexibel sein, damit es Mehrwert für Kunden und Händler generiert. Die stetige Überprüfung, ob das eigene LBM-Konzept diese Ansprüche erfüllt, ist für den Retailer deshalb Pflicht. 

Das beinhaltet die Auswertung, wie der Kunde auf eine Push-Nachricht reagiert hat - im Store oder mit Onlineaktivitäten - und letztlich, ob der Umsatz in der Zielgruppe damit nachhaltig gesteigert werden konnte.

Die Analysen vermitteln eine gute Grundlage für die Optimierung von LBM-Kampagnen. Sie tragen dazu bei, die eigenen Kunden noch besser zu verstehen, und helfen, das Shopping-Erlebnis weiter zu verbessern. Nichts anderes wollte Tante Emma vor Jahrzehnten auch - nur dass das heute digital, auf großer Fläche und ohne Kittelschürze funktioniert.

Dieser Artikel erschien zuerst in Der Handel.

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