Tina Müller setzt als neue Chefin von Douglas aufs Onlinegeschäft. Ihre Marktplatzpläne sorgen im Fachhandel für Unruhe, es werden erhebliche Auswirkungen für die gesamte Branche befürchtet. Und die angriffslustige Tina Müller ist nicht das einzige Problem für kleine Händler.
Alle Kraft dem Onlinehandel, scheint ihr Motto zu sein. Gleich vier weibliche Digitalexperten hat Müller dafür angeheuert, sie will Douglas zum "größten Beauty-Service-Marktplatz Deutschlands" machen, wie die ehemalige Opel-Marketingchefin dem "Manager Magazin" sagte.
Die Sorgen der kleinen Händler
Falko Diener wertet diesen Marktplatz-Plan als Versuch, Douglas "zum Amazon der Parfümbranche umzubauen, um nicht mehr so stark dem Preiskampf ausgesetzt zu sein". Mehr Eigenmarken, mehr eigene Kollektionen sind zu erwarten. Diese Vision dürfte auch Zalando aufschrecken, schließlich ist Deutschlands größter Onlinemodehändler Ende 2017 ins Beauty-Geschäft eingestiegen.Für Diener und seine Kollegen wird die Arbeit deswegen nicht einfacher. Seit gut anderthalb Jahren baut er das E-Commerce-Geschäft des Münchner Mittelständlers Cityparfümerie auf. Das über 25 Jahre alte, inhabergeführte Unternehmen positioniert sich als Premiumhändler, betreibt zehn Filialen in Bayern und forciert jetzt das Geschäftsmodell eines Multichannelhändlers.
In den Filialen die Marken sichtbar machen
Die Filialen sind dabei Gold wert, sagt Diener, "wir können hier die Marken sichtbar machen". Die stationären Mitarbeiter hätten mittlerweile Ängste verloren, wonach die Onlinekonkurrenz ihnen die Daseinsberechtigung nimmt. Und Click & Collect laufe erstaunlich gut.
Parfüm garantiert gute Margen
Etwa zehn Prozent des Gesamtumsatzes erzielt die City Parfümerie bereits im Netz, was das genau heißt, sagt Diener nicht, nur soviel: das gesamte digitale Geschäft erlöst bisher so viel wie eine sehr gute stationäre Filiale.Diener ist ein alter Hase im Internetgeschäft, er war schon in der Branche zu den überdrehten Zeiten des Neuen Marktes um die Jahrtausendwende. Nun macht er in solidem Mittelstand und in Parfüm. "Das ist ein interessanter Bereich. Die Margen sind gut, die Retourenquoten überschaubar."
Retourenquote? Lächerlich gering!
Retouren erschweren bekanntermaßen jedes Onlinegeschäft, doch bei den feinen Düften und Schönheitsprodukten ist dies das kleinste Problem. Daher ist Diener amüsiert, wenn manche Onlinehändler großzügig mit 120 oder gar 180 Tagen Rückgaberecht werben, was grandios klingt, aber niemand braucht und deswegen faktisch nicht genutzt wird. "Und wenn, dann kommt das Produkt sogar meist verschweißt zurück. Also alles kein Problem."Es könnte also gar nicht so schlecht sein - wenn es nicht Tina Müller gäbe. Deren Schaffenskraft dürfte dem Mittelstand erheblich zu schaffen machen. Schon jetzt steht Douglas für 325 Millionen Euro Umsatz im Onlinegeschäft, das ist gemessen am Gesamtumsatz des Unternehmens (mit europaweit 1.700 Filialen rund 2,6 Milliarden Euro) zwar bescheiden, doch auf diesen Wert kommt so schnell kein zweiter Onlinehändler in dieser Branche.
Ein Douglas-Marktplatz freut die Hersteller
Wenn der Marktführer jetzt einen Marktplatz forciert, den die Hersteller mit eigenen Shops bestücken können, "droht eine große Konkurrenz für kleine Händler", fürchtet Diener. Denn viele Marken dürften dankbar sein für so eine Plattform. Und für Douglas wäre das auch günstig, würde man nur noch Verkaufsprovisionen kassieren. Wie Amazon auf seinem Marktplatz. Sollte es dazu kommen, droht eine weitere Verdichtung des Marktes.Doch bis es soweit ist, muss Douglas den künftigen Marktplatz erst einmal ordentlich aufbauen und bekannt machen - also mit viel Ressourcen und viel Werbung, die wiederum viel Geld kostet. Die Frage ist auch, ob alle Hersteller Lust auf einen Beauty-Marktplatz haben, auf dem sie 15 oder mehr Prozent Verkaufsprovision an den Betreiber abführen müssen - und dann auch noch die ganze Arbeit haben und das Risiko tragen. Vielleicht überlegen sich hier manche Produzenten, den Verkauf über die eigene Website, Pop-up-Stores oder exklusive Handelspartner zu forcieren.
Wenn Aldi am Valentinstag mitverdienen will
Der Markt ist jedenfalls in starker Bewegung, und dafür sorgt nicht nur Douglas. Denn von den traditionell sehr guten Branchenumsätzen zum Valentinstag wollten auch auch Aldi und dm-Drogeriemarkt profitieren. Beim Discounter wurden Duftwässerchen von Calvin Klein und Joop für 29,99 angeboten; bei dm gab es unter anderem Armani, Chloé sowie ein Duft- und Bodylotion-Set von Jean Paul Gaultier für 59,95 Euro.
Woher kommt die Ware vom Discounter?
Sein Münchner Kollege Diener sieht die Konkurrenz etwas gelassener. "Diese Marken zählen eher zur Massenware, die es schon längst in der Drogerie oder im Baumarkt gibt. Davon verkaufen wir unterproportional. Jetzt wird es eben noch weniger werden." Der Valentinstag sorgte trotzdem auch in diesem Jahr wieder für eine schöne Sonderkonjunktur bei der City Parfümerie.
Viel spannder wird allerdings die Frage sein, wo Aldi seine Ware beschafft. Direkt vom Hersteller? Einem ordentlichen Großhändler? Oder gar aus irgendwelchen dubiosen Graumarktquellen aus Spanien, Polen oder Holland, von wo Parfümartikel in großen Stückzahlen zum Teil deutlich unter dem normalen Einkaufspreis der Hersteller oder Distributoren angeboten werden. Das sind oft Restbestände - schlimmstenfalls sogar gefälschte oder gepanschte Artikel. Die Branche ächzt seit Jahren unter Produktfälschungen.
Teurer Duft neben billigen Eigenmarken
Dass Aldi falsche Tatsachen verkauft, kann man ausschließen. Doch wenn starke Parfümmarken im Discounter-Regal neben billigen Aldi-Pflegeprodukten stehen, dann nehmen es die Hersteller in Kauf, dass ihre Marken abgewertet, sprich, verramscht werden.
Warum ist Aldi besser als Amazon-Marktplatz?
Amazon schlecht, Aldi gut? So verknappt kann man es ja formulieren. Zum Coty-Markenkosmos zählt ja auch Calvin Klein. Der Hersteller hatte nach dem EuGH-Urteil ein Standardschreiben an Händler verschickt mit der freundlichen Bitte, Coty-Produkte vom Amazon-Marktplatz zu nehmen. Man gab sich kooperativ und drohte nicht sofort mit juristischen Konsequenzen.
Die Münchner Cityparfümerie verkauft allerdings nicht via Amazon, weil das Unternehmen einfach keine Interesse daran hat, bis zu 20 Prozent Verkaufsprovision abzuführen. "Das ist Hardcore. Diese Prozente geben wir lieber an unsere Kunden weiter", sagt Digitalchef Diener.
Parfumdreams ist auch auf Amazon aktiv - daran hat sich vorerst nichts geändert. "Wir haben bisher keine Coty-Produkte aus dem Shop genommen, da noch das Urteil vom Landgericht Frankfurt gilt, das Urteil vom Oberlandesgericht Frankfurt steht noch aus", sagt Geschäftsführer Kai Rechnen, der darauf verweist, dass das EuGH nur eine Empfehlung ausgesprochen habe. Das Oberlandesgericht müsse die Rahmenbedingungen der Luxemburger Richter jetzt in einem Urteil berücksichtigen. "Das steht noch aus."
Strenge Onlinevorgaben von Herstellern
Renchen verweist darauf, dass der EuGH gegen pauschale Plattformverbote ausgesprochen hat. Vielmehr dürfen Händler weiterhin Marken auf Drittplattformen anbieten - wenn sie die Wahrung des Luxusimages des jeweiligen Produktes gewährleisten. Also die Präsentationsbedingungen der Hersteller befolgen.Wie streng diese ausfallen können, zeigt Falko Diener anhand der Marke Clarins. Will man diese im eigenen Webshop anbieten, muss man deren Präsentationsvorgaben zu 100 Prozent erfüllen. Produktfotos, Farbe, Design - alles schreibt Clarins vor. Der Händler muss das dann nachbauen. Das Resultat ist dann eine Art Shop-in-Shop, der optisch überhaupt nicht zum Webdesign des Händlers passt.
Manch Unternehmer mag diesen erheblichen Aufwand für Programmierung und Abstimmung jetzt scheuen - weswegen faktisch doch von einer Benachteiligung der Händler zu sprechen ist. Also ist nicht nur Tina Müller ein Problem für den Parfümhandel. Vielleicht aber ein sehr großes.