Der Onlinehandel kennt keine Grenzen. Gerade im Ausland gibt es eine Reihe von attraktiven Märkten, die Händlern aus Deutschland viele Chancen bieten. Aber wo fängt man hier am besten an? Wir bieten eine erste Orientierungshilfe.

Es sei einmal dahin gestellt, ob im Jahr 2020 der globale Online-Handel tatsächlich die teilweise prognostizierten 3,5 Billionen Euro erreichen wird. Fakt bleibt, dass nach wie vor immer mehr Güter online gekauft werden: von Möbeln über Mode bis zu Lebensmitteln.

Warum sich Internationalisierung lohnt

Das Potenzial ausländischer Märkte ist enorm. Dazu ein paar Beispiele:
  • China: 64 Prozent der chinesischen Internetnutzer kaufen online ein. Elektrogeräte, Kleidung und Babyprodukte. Und dabei sehr gern ausländische Markenprodukte, die einen guten Rufen besitzen. 800 Mrd. Euro schwer ist nach Schätzungen dieser Markt.
  • USA: 79 Prozent der Verbraucher kaufen online, davon rund die Hälfte auch bei Händlern aus dem Ausland.

Man muss aber gar nicht so weit in die Ferne schweifen. Auch der europäische Markt bietet Offerten, denn 60 Prozent aller europäischen Internetnutzer kaufen mindestens einmal im Monat online ein. Mit Wachstumsraten im zweistelligen Bereich entwickelt sich Frankreich hier rasant.

Die Kunden ticken anders

Die Frage, wie der Shop möglichst einfach und kostengünstig auf einen weiteren Markt angepasst werden kann, mag sich dem Händler zwar unmittelbar aufdrängen. Das bedeutet aber, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Denn nach dem klassischen Motto von den anderen Ländern und den anderen Sitten, haben sich bei den Kunden verschiedene Vorlieben herausgebildet. Es gibt aber eine globale Gemeinsamkeit. Das Smartphone ist aus dem (Shopping-) Alltag nicht wegzudenken. In China beispielsweise wächst die Zahl der Bestellungen, die per mobilem Gerät aufgegeben werden, derzeit um 30 Prozent pro Jahr. Auch in Großbritannien entwickeln sich die mobilen Umsätze rasant. Allerdings wird in beiden Ländern sehr gern via App gekauft. In China hat das auch damit zu tun, dass dort auch der Anteil von Mobile Payment deutlich höher als bei uns ist. Aber gleich das Risiko eingehen, und eine App für einen fremden Markt zu entwickeln? Das bedeutet enorme Vorleistungen, von denen bei allem Optimismus nicht klar ist, ob sich der Aufwand am Ende auch rentiert.

Marktplätze für den Einstieg wählen

Die Nutzung eines bereits etablierten Marktplatzes ist für den Händler eine verhältnismäßig einfache Methode, um international zu expandieren. Er profitiert dabei von den bereits vorhandenen Kunden, vielfach auch von schon funktionierenden Logistikdiensten und nicht zuletzt auch von einer bei den Kunden eingeführten App.
Etablierte Marktplätze wie Tmall in China sind für Händler eine risikoarme Möglichkeit, in den grenzüberschreitenden Handel einzusteigen
© Screenshot vom Autor
Etablierte Marktplätze wie Tmall in China sind für Händler eine risikoarme Möglichkeit, in den grenzüberschreitenden Handel einzusteigen
Aus Sicht des Händlers kann es sehr hilfreich sein, sich einem Dienstleister anzuvertrauen, der technische und administrative Verbindungen zu einer ganzen Reihe von Marktplätzen unterhält. Das verringert die Komplexität, was etwa die Anbindung der eigenen Warenwirtschaft, Kunden und Produktverwaltung betrifft. Beispiele für erfolgreiche Online-Marktplätze gibt es mehr als genug.

  • In China führt an Tmall kein Weg vorbei. Das zum Alibaba-Konzern gehörende Angebot vereint bald 60 Prozent des E-Commerce-Marktes auf sich.
  • Noch eine Randerscheinung aber mit Potential ist dagegen Amazon in China. Genau das kann aber auch die Chance einer guten Sichtbarkeit bieten.
  • Tesco in Großbritannien ist zwar als Lebensmittelhändler gestartet, entwickelt sich aber immer stärker Richtung Marktplatz. Einkaufen können hier die Inhaber der Tesco-Clubkarten. Insgesamt entwickelt sich das Angebot zu einem ernst zu nehmenden Herausforderer der beiden in Großbritannien etablierten Marktplätze von Amazon und ebay.
  • Trade Me haben in Neuseeland bereits die Hälfte der E-Commerce-Kunden einmal genutzt.
  • Cdiscount ist hierzulande kaum bekannt, aber mit 18 Millionen Besuchern eine echte Größe in Frankreich, direkt nach Amazon.

Jede Menge Hausaufgaben

Selbst wenn ein Dienstleister bei der Integration ausländischer Marktplätze in das eigene Geschäftsmodell unterstützt, gibt es für den Händler einige Aufgaben zu lösen.
  • Steuern: Die korrekte steuerrechtliche Behandlung von Umsätzen, die im Ausland erzielt wurden, ist einer der größten Stolpersteine. Jedes Land hat seine eigenen Anforderungen. So muss in der EU beispielsweise unter Umständen Umsatzsteuer im Zielland abgeführt werden, allerdings nur dann, wenn das Volumen einen regionalen Schwellenwert überschreitet. Dazu müssen Prozesse und ein Controlling geschaffen werden. Daneben kann es auch einzelstaatliche Regelungen geben, die Steuern auf Importe-, Waren- oder auch Dienstleistungen regeln.
  • Übersetzungen: Damit die Kunden im Ausland auch Vertrauen zu den angebotenen Produkten und zum Händler fassen, kommt dem sprachlichen Auftreten eine besondere Bedeutung zu. Bei der internationalen Expansion ist deshalb unbedingt auch ein Budget für professionelle Übersetzungen einzuplanen, damit missverständliche oder unangemessene Formulierungen vermieden werden können.
  • Abwicklung: Die Ware muss sicher und nach allen rechtlichen Maßgaben abgefertigt zum Kunden. Zwar bieten einige Marktplätze sofort buchbare Versanddienstleistungen an (am bekanntesten ist sicherlich "Versand durch Amazon", in der Regel muss sich der Händler aber selbst um einen Partner für die Abwicklung bemühen. Deswegen eignen sich für den Start am ehesten Artikel, die sich einfach verpacken und transportieren lassen und die eine hohe Marge besitzen.

Nun mal langsam – Erfahrungen sammeln

Wer als Anbieter auf einem Marktplatz im Ausland startet, muss sich auch mit einer gesunden Portion Misstrauen der Kunden auseinandersetzen. Das bedeutet für die Praxis, dass es um nichts weniger geht, als die Käufer rundherum zu überzeugen. Produktqualität, Einkauf, Lieferung und Kundenservice spielen also eine wichtige Rolle, um sich die so dringend notwendige Reputation bei den Konsumenten zu erarbeiten. Deswegen ist es auch besser, die ersten Erfahrungen mit dem neuen Markt schrittweise zu sammeln und langsam auszuweiten.
Amazon spielt in China noch keine vergleichbare Rolle wie bei uns. Das steigert die Chancen auf größere Sichtbarkeit auf diesem Marktplatz
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Amazon spielt in China noch keine vergleichbare Rolle wie bei uns. Das steigert die Chancen auf größere Sichtbarkeit auf diesem Marktplatz

  • Beginnen Sie auf Marktplätzen, die bereits eine treue Kundschaft und entsprechend garantierte Nachfrage haben.
  • Vielleicht bietet ein Marktplatz, der ohnehin bereits aktiv genutzt wird, eine internationale Erweiterung? Dann kann auch ein Test dieses Kanals gut geeignet sein, um erste Erfahrungen zu sammeln.
  • Versenden Sie die Ware aus dem eigenen Land.
  • Parallel dazu kann damit begonnen werden, sich mit den Anforderungen und Vorschriften hinsichtlich des Versands, der Retouren und Steuern und anderen rechtlichen Aspekten einzuarbeiten.

Sind die Erfahrungen aus dieser ersten, eher passiven Phase, positiv, kann mit einer aktiveren Marktbearbeitung begonnen werden.

  • Erweitern Sie schrittweise das Produktangebot auf den Marktplätzen.
  • Erstellen Sie eigene Angebote und Produktbundles in der Landessprache und kalkulieren Sie entsprechend auch bereits in der Landeswährung.
  • Installieren Sie einen Kundenservice in der Landessprache.
  • Damit beginnt auch die Umsetzungsphase der Prozesse in Hinblick auf steuerliche, rechtliche und buchhalterische Fragen.

Wenn eine weitere Ausweitung des Angebots vielversprechend erscheint, kann der nächste Schritt in der Schaffung eines eigenen internationalen Angebots bestehen. Auch hier bietet sich ein iterativer Ansatz an.

Zunächst wird eine lokalisierte Version des Shops eröffnet, der alle Basisfunktionen in der Landessprache umfasst. Dazu gehören auch die Zahlungsabwicklung und ein Support-Angebot. Zur Vermarktung bieten sich bewährte und risikoarme Marketing-Maßnahmen wie Re-Targeting, E-Mail und Social-Media-Kampagnen an. Ziel dieser Phase ist es, den Ruf des Unternehmens zu steigern und den Kundenservice auf das gleiche Niveau zu heben, wie es für Bestellungen aus dem Inland gilt.

In der finalen Phase wird die lokalisierte Version ausgebaut und ist dann funktional identisch mit dem ursprünglichen Angebot, inklusive der mobilen Optimierung. Jetzt kann auch in Search Engine Marketing investiert werden. Wichtig in allen Phasen ist letztlich, seinen Zahlenhaushalt im Blick zu behalten, um regelmäßig Optimierungspotenzial zu nutzen.



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Matthias Schu ist seit 2011 in Digital Business, Projektmanagement und Beratung in Handel und Industrie tätig. Derzeit Leiter Projekte E-Commerce bei coop@home, dem Online Supermarkt der Schweizer Coop Gruppe.
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Terry von Bibra ist Alibaba Group General Manager, Europe. Er war vor seinem Einstieg bei Alibaba Retail Officer Omnichannel bei Karstadt und verantwortete die unternehmensweite Omnichannel-Transformation. Davor hatte er eine zentrale Rolle im Aufbau von Amazon in Europa inne.
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