Die richtige emotionale Ansprache der Kunden im Kaufprozess macht die Produkte und das Preisgefüge zwar nicht wettbewerbsfähiger, kann aber dazu führen, dass sich die Kunden nach dem Kauf zufriedener fühlen und dass sie deshalb gerne wiederkommen.
Wieder einmal zeigt Booking.com wie E-Commerce anders geht. Auf den ersten Blick wirkt die Seite wie eine ganz normale Preis-Vergleichs- und Buchungsmaschine. Und man würde oberflächlich betrachtet argumentieren – und gestresste Wettbewerber tun das – dass diese Form des Onlinekaufs ja nur den zielgerichtet vorgehenden Schnäppchenjäger adressiert.
Doch das ist mitnichten so.
Die aufgeräumte und bei jeder Buchung immer gleiche Mechanik der Seite entlastet den User und gibt Raum für das Wesentliche, für die gezielte und keineswegs emotionslose Auswahl der richtigen Reise- oder Urlaubsunterkunft. Und in jedem Schritt des Kaufprozesses gibt die Seite dem Nutzer das Gefühl, dass er gerade das Richtige tut.
Vom Pain Point zur positiven Verstärkung
Wenn Experten die Customer Journey analysieren und nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen, sprechen sie oft von den so genannten Pain Points, den Schmerzpunkten. Hier muss der Shop die richtigen Antworten parat haben. Er muss Ängste nehmen, Vertrauen aufbauen und dem Kunden das Gefühl geben, die richtige Entscheidung zu treffen und sich nicht mehr auf anderen Seiten umschauen zu wollen.Der Begriff Pain Points ist negativ und steht damit in gewissem Kontrast zu dem, was der Kaufvorgang eigentlich erreichen will. Sehen wir von Produkten des täglichen Bedarfs ab, so geht es dem Kunden immer darum seine Lebenssituation zu verbessern eventuell sogar zu bereichern. Dies zu inszenieren und dem User das Gefühl zu geben, dass er durch den Kauf ein klein wenig besser, cooler, smarter wird, gilt als die hohe Schule der Verkaufspsychologie.
Und viele Händler schlagen jetzt die Hände über dem Kopf zusammen, weil sie wissen, dass das wahrlich nicht einfach zu inszenieren ist. Die Produktdaten von den Herstellern sind all zu oft sachlich und profan und vor allem für alle Händler gleich.
Soll jeder Datensatz angefasst und veredelt werden? Und rechnet sich ein solcher Aufwand überhaupt? Die Suche nach einfacheren Wegen hin zum emotionalen Verkaufen gleicht der Suche nach dem heiligen Gral der Branche.
Die Heldenreise
UX-Experte Enes Ünal hat ein Muster gefunden, dass so einfach zu implementieren und gleichzeitig so wirkungsvoll ist. Und er hat tatsächlich ein Beispiel eines erfolgreichen US-Anbieters gefunden, der genauso vorgeht und damit die Konkurrenz, die schon immer emotional versucht zu verkaufen, das Fürchten gelehrt hat.
Ünals Konzept heißt Heldenreise. Es ist ein klassischer Ansatz des Geschichtenerzählens, der so in jedem zweiten Hollywoodfilm nacherlebt werden kann und den jeder Filmhochschüler im ersten Semester lernt.
Der Held – vulgo Kunde – will eigentlich seine Ruhe haben. Er hat viele erfolgreiche Schlachten geschlagen, aber bei der jetzt anstehenden Aufgabe will er eigentlich nicht aus seiner Komfortzone. Hier setzt das große erste „A“ aus der Marketing-Formel AIDA an, die Attention, die Aufmerksamkeit. Es benötigt einen inspirativen Impuls um im Helden Neugier zu wecken.
Bei Airbnb ist das der Ansatz: „Probier doch mal, ob Du aus deinem Urlaub nicht etwas Besonderes machen kannst, wenn du zum Beispiel von Anfang an die Idee einplanst, näher an Land und Leute zu kommen als all-inclusive“.
Der Held ist zwar angeregt, aber er scheut den Aufwand. Er weiß auch nicht, ob das mit Airbnb überhaupt funktioniert. Hier erfolgt klassische Vertrauensbildung. Die Buchung ist einfach, die Plattform sicher die Bewertungen zeugen von der Qualität der Angebote.
Die Bewertungen nehmen bei Ünal die Position des „Mentors“ ein. Das ist Gandalf, der Frodo versichert, er sei auf dem richtigen Weg. Gleiches könnte ein Influencer tun, der aus Sicht des Kundenhelden nicht zu weit von dessen Lebenswelt entfernt ist. Oder ein sachverständiger Experte.

Die Schlacht am Kaufknopf
Auf dem Höhepunkt der Heldenreise tritt der Kunde in die entscheidende Schlacht ein. Er soll den Kaufknopf drücken. Hierzu muss er gerüstet sein mit dem Wissen über die Funktionsweise der Plattform, die Abläufe des After-Sales-Prozesses und von allem, was dann kommt. Direkt nach der „Schlacht“ kommt eine ganz spannende Phase. Der Held fällt eigentlich in ein Loch. Er ist erschöpft, ausgelaugt. Hier – und das versäumen viele Onlineshops – wäre Raum, für eine unmittelbare Belohnung, die den Eindruck das Richtige getan zu haben verstärkt. Das könnte ein Gutschein für die nächste Buchung sein, eine Mechanik zur Weiterempfehlung an Freunde, ein Stück kostenlosen aber wertvollen Contents. Bei Booking.com ist es meist ein Destinations-Guide. Ein PDF mit ein paar Tipps zum gewählten Reiseziel.
Nun teilt sich die Heldenreise in zwei Äste. Da wäre zum einen die unmittelbare Erkenntnis über den erlebten Buchungsprozess. Bei Ünal ist das die die „Rückkehr mit dem Elixir“. Der Held hat etwas geleistet und gelernt und möchte dies vielleicht weitertragen, etwa zu Mitreisenden für die er gebucht hat. Shares, Tell-a-friend, Weiterleitungen oder Empfehlungsgutscheine sind das Mittel der Wahl, um das zu unterstützen.

- Vor der Abreise: Hast Du an alles gedacht? Jack und Jill freuen sich auf Dich.
- Zum Zeitpunkt des Aufenthalts: Ist alles ok oder können wir helfen? Hier die Hotline-Nummer. Und übrigens: Wusstest Du das ganz in der Nähe das Museum XY steht?
- Und nach der Reise natürlich das ehrliche Sammeln von Feedback, inklusive zugehöriger Reaktion. Jeder Beschwerdeführer bekommt einen 10%-Gutschein für die nächste Buchung. Günstiger können Sie Traffic nicht akquirieren und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit erhöhen. Machen Sie das zum Standard.