Mit der Übernahme des Shops und Marktplatzes real.de durch die Schwarz-Gruppe werden ein paar Karten im deutschen Marktplatz-Business neu gemischt. Immerhin galt real.de trotz der Schwierigkeiten des Mutterkonzerns stets als aufregendes Plattformprojekt, das nun unter der Marke Kaufland weitergeführt werden soll. Weshalb dies aus Marktplatzsicht so spannend ist, beleuchtet etailment-Experte Marcel Brindöpke, Geschäftsführer des Plattform-Providers heyconnect.
Entsprechend dringend braucht es hier einen Gegenentwurf. Da der Bau eines Marktplatzes teuer, das Aufbauen von Reichweite auch nicht günstig ist und es zudem lange dauert, macht die Akquise mehr Sinn, als es alleine zu probieren.
Das Rational von Kaufland
Noch immer sind der Aufbau und der Betrieb von Marktplätzen ein absolut spezielles Wissen, das am Markt weder als Person noch im Produkt in rauen Mengen zu bekommen ist. Insofern ist real.de ein extrem guter Case, denn 14 Jahre Marktplatz-Know-how in Person von Gerald Schönbucher und zwei erfolgreiche Marktplatzkonzepte (Hitmeister und real.de) stecken dahinter.Entsprechend ausgereift ist das Produkt, das eingekauft wird. Oft wird unterschätzt, wie viel Reife ein komplexes Softwareprodukt besitzen muss, um wirklich gut zu sein - ohne dabei von veralteten Systemen belastet zu sein. Prominente Marktplätze, die ich aus Pietätsgründen nicht benenne, leiden darunter und mit ihnen sowohl Kunden als auch Lieferanten.
Die erworbenen Kompetenzen
Für Supermärkte wie Kaufland ist dieses Wissen Gold wert, insbesondere durch die Erfahrung von real.de im Food- und Non-Food-Bereich. Die Passfähigkeit ist hier hoch und verhilft der Gruppe zu einem Wissenssprung, der hoffentlich teuer vergütet wurde.Immerhin ist das Supermarkt-Business online ungleich schwerer als der Vertrieb von Kleidung oder Multimedia. Und die Verzahnung - ob Omnichannel oder Multichannel oder wie auch immer genannt - ist aufgrund der Stationärpräsenz der Geschäfte ungleich wichtiger als zum Beispiel zwischen den verbleibenden Filialen einiger Kaufhäuser und ihrem Onlineshop.

Das bestehende Business
Real.de verzeichnet ein GMV von über einer halben Milliarde Euro - wie viel das netto nach Retouren und Mehrwertsteuer ist, sei dahingestellt. Das Entscheidende ist, dass die Umsätze sich in Regionen bewegen, in denen auch das Thema Marktplatz liegt. Viele neue Marktplätze scheitern an dieser Hürde und bekommen nicht genug Traktion. Dann wird es einfach nur teuer und nicht rentabel.Sowohl die Käufer als auch die Lieferanten dürften zudem mit dem neuen Besitzer wenig Berührungsängste haben. Je nach Sortiment ein nicht zu vernachlässigendes Thema. Wäre real.de ein Hochglanz-Anbieter à la Breuninger und Kaufland imageseitig in der Nähe eines bekannten westfälischen Schlachthofes, so würde das Business sicher nicht 1:1 mitgehen: Kunden wandern ab, Lieferanten wenden sich ab, und das könnte dann den Case zum Kippen bringen.
Doch das derzeitige Volumen bietet dem Käufer die Chance draufzusatteln und dafür zu sorgen, dass weitere Invests auf extrem fruchtbaren Boden fallen.
Chancen gegen Amazon & Co.
Es wäre sicher nicht seriös zu behaupten, dass real.de beziehungsweise kaufland.de das nächste Amazon wird oder auch nur die Chance dazu hat. Dennoch hat die Plattform das Potenzial, an Multisortiment-Plattformen wie zum Beispiel otto.de heranzureichen, was den Umsatzanteil aus diesem Business angeht.Das hängt natürlich von vielen Entscheidungen ab, die es noch zu treffen gilt. Beispielsweise wie die Marktpositionierung unter der neuen Marke oder das Investitionsvolumen aussehen soll.
Dennoch gibt es Differenzierungspotenziale, zum Beispiel in der Art und Weise, wie Lieferanten behandelt werden (Amazon), wie ausgereift die Plattform ist, wie leicht man sich anbinden und auf der Webseite als Partner Business generieren kann (Otto, weil noch frisch dabei). Wenn dies im Einklang mit weiterem Kundenwachstum geschieht, so könnte sich das Flywheel in die richtige Richtung entwickeln.
Die Wertschöpfungskette
Aufgrund der Historie ist es für Kaufland leicht, auf eine bestehende und weitreichende Wertschöpfungskette zurückzugreifen, aber diese auch bereitzustellen. Was Real an Marktplatz-Know-how und Technologie mitbringt, ergänzt beziehungsweise erweitert Neckarsulm um die Logistikstandorte und die Lieferkette und Standorte - weit über 1.000, davon über 600 in Deutschland.Das verbessert den Werbedruck durch Beileger und Laufkundschaft. Auch die Möglichkeiten im Lieferangebot und der Warenverteilung dürften noch einmal besser sein. Damit steigt auch die Attraktivität von Lieferungen LEH-naher Sortimente.
Dieser Vorteil ist für den Marktplatz deshalb wichtig, weil es die Kauffrequenz erhöht und damit auch die Kundenmaßnahmen rentabilisiert. Ein zum Beispiel für Ottos neuen Marktplatz schwer aufzuholender Vorteil. Bisher ist Otto nicht die Kaufstätte für Produkte des täglichen Bedarfs. Dies kann sich ändern, muss aber im Laufe der Zeit teuer erkauft werden. Auch gibt es nicht diese Vielzahl potenzieller Standorte und Verteilzentren.