Anfang Januar ist der norwegische E-Food-Marktführer Oda in Berlin im Testbetrieb gestartet, der Livegang erfolgte in der zweiten Februarwoche. Und das ehemalige Start-up, das in der Heimat einen Marktanteil von über 70% auf sich vereint, leitet auch schon die Expansion ins E-Food-Niemandsland rund um die Hauptstadt in die Wege. Grund genug für den Etailment-Experten Dr. Matthias Schu, sich Oda einmal genauer anzuschauen.
Um dieses Ziel zu erreichen, hat man sich auf die Fahnen geschrieben, mithilfe von Tech und Daten das "effizienteste Einzelhandelssystem der Welt" online aufzubauen - und auch namhafte Investoren wie die Rasmussen Group, Kinnevik, Prosus, Summa Equity, oder Verdane überzeugen können.

Warum Berlin?
Eine Befragung des Marktforschungsunternehmens Bilendi unter rund 1.000 Berlinern vom Oktober 2022 zeigt: Im Schnitt gehen die Menschen in Berlin jede Woche 2,6 Mal zu diversen stationären Ladengeschäften, wie Supermärkten, Discountern, Bäckern oder Metzgern, um Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs zu besorgen. Dafür brauchen sie 3 Stunden und 15 Minuten. Auf das Jahr hochgerechnet, macht das 169 Stunden oder 7 Tage."Oft stecken wir so tief in unseren Alltagsroutinen, dass wir gar nicht merken, dass es einfachere Alternativen gibt. Genauso ist es mit dem Wocheneinkauf", kommentiert dies Oda-Deutschlandchef Malte Nousch. Und merkt an: "Unsere Kundendaten aus Norwegen zeigen, dass die Menschen dort nur rund 30 Minuten mit dem Wocheneinkauf verbringen, wenn sie ihren Einkauf online erledigen."
Expansion ins Umland
Obwohl Berlin im Vergleich zum Rest Deutschlands als eher privilegiert beim Angebot von E-Food gilt, bietet die Region noch einiges an Potenzial, und erst 10 bis 15% der Berliner bestellen regelmässig online. So wundert es nicht, dass Berlin bei Odas Wettbewerbern Knuspr und Picnic ebenfalls auf der Roadmap steht.Anfang Januar 2023 startete Oda in Berlin den Testbetrieb und belieferte ausgewählte Testkunden. In der zweiten Februarwoche erfolgte das Go-Live und aktuell steht Oda allen Stadtberlinern offen. Eine erste Expansion ins Berliner Umland leitete Oda Anfang März in die Wege und kündigte an, noch im Frühling auch in Potsdam starten zu wollen. Weitere Standorte sind in Planung.
Der Shop: Skandinavische Schlichtheit
Beim Onlineshop kommt das gleiche Design zum Einsatz, das Oda bereits im finnischen Markt verwendet. Der Shop glänzt durch Schlichtheit und genügend Weißraum, was eine gute Übersichtlichkeit vermittelt.Navigations- und Filterelemente sind ansprechend gestaltet und an passenden Stellen mit Icons als visuellen Ankern versehen. Kategorie- und Produktdetailseiten entsprechen dem heutigen State-of-the-Art (vgl. hierzu ebenfalls: Der E-Food UX Report vom Februar 2023).

Ausgeklügelte Rezeptfunktion
Ein Highlight im Shop und potenzieller Angriffspunkt auf die Mealkit-Fraktion von Hello Fresh, Marley Spoon und Co. ist die Verknüpfung von Content und Commerce mit einer weitläufigen Rezeptauswahl. Hier glänzt die Shop-Funktion am rechten Rand, wo nach Einstellung der Portionen (ein bis zehn Esser sind möglich) die Zutaten in der richtigen Menge mit nur einem Klick in den Einkaufswagen (der auch als solcher dargestellt ist), befördert werden können.So gesehen zwar erstmal kein Novum, aber Oda hat hier noch eine wertvolle Zusatzfunktion auf Lager: sowohl die Möglichkeit, die Marke von vorgeschlagenen Produkten zu ändern, als auch das direkte Abwählen von Produkten, die man vielleicht noch daheim hat. Basics, die man normalerweise in vielen Haushalten vorrätig findet, wie Honig, Salz oder Essig, sind per se nicht angewählt und können vom Kunden separat dazugeklickt werden, ohne diese noch später in der Warenkorbansicht bearbeiten zu müssen. Für Kochfreudige eine echte Erleichterung.
Neben dem Onlineshop sind zudem für mobil-affine Kunden auch die Einkäufe per App möglich.
Das Sortiment
Das Sortiment besteht zum deutschen Go-Live aus 9.000 Artikeln, soll aber in Folge sukzessive auf 12.000 Artikel ausgebaut werden. Zudem hat Oda eine Partnerschaft mit Bio Company geschlossen und mehr als 400 Produkte von deren Eigenmarke gelistet.Die Zusammensetzung des Sortiments zielt auf Supermarktkunden ab, rund 11% sind Bio-Produkte, 12% im Preiseinstieg. Zudem wählt auch Oda den Weg regionaler Lieferanten als Differenzierungskriterium und Value Proposition und hat rund 25% regionale Lieferanten im Berliner Sortimentsportfolio.

Fulfillment: Von Ragow-Mittenwalde in die Hauptstadt
Beim Fulfillment verfolgt Oda einen Zentrallageransatz. Das zentrale Distributionszentrum liegt rund 30 Kilometer vor den Toren Berlins in Ragow-Mittenwalde mit direktem Autobahnanschluss zur A13. Von dort startet Oda auch die weitere Expansion ins Berliner Umland, um den sogenannten "Speckgürtel" zu erschliessen, der bisher noch von den meisten Lieferdiensten außen vor gelassen wird.Im zweiten Expansionsschritt soll dann, ergänzt um einen Hub&Spoke-Ansatz mit Distributionspunkten, an denen umgeladen wird, die Adressierung von mittelgroßen Städten in 2 bis 2,5 Stunden Fahrentfernung rund um Berlin erfolgen.
Schlägt man auf der Landkarte einmal einen ungefähren Kreis um Mittenwalde, zeigt sich, dass so auch Braunschweig, Wolfsburg, Halle (Saale), Leipzig, Chemnitz, Dresden, Cottbus oder auch Frankfurt/Oder ohne Weiteres in den Genuss einer Lieferdienstabdeckung kommen können. Oda hätte dort den First-Mover-Vorteil.
Auslieferung am Folgetag zwischen 6 und 22 Uhr
Die Auslieferung selbst erfolgt für Berlin mit einer eigenen Flotte von 30 aktiv gekühlten 3,5-Tonnen-Diesel-Transportern von Ford mit Kastenaufbau. Ein Test mit 40 E-Transit läuft derzeit im Heimatmarkt in Oslo; bis 2025 soll zudem die gesamte Oda-Flotte elektrifiziert sein. Ausgeliefert wird im Zweischichtbetrieb nach Ablauf der Testphase zwischen 6 und 22 Uhr. Bis zu 30 Haushalte können mit einer Tour abgedeckt werden.
Je nach gewähltem Zeitfenster liegen die Liefergebühren zwischen 0 und 3,99 Euro. Ein Mindestbestellwert besteht nicht, unter 40 Euro Bestellwert wird jedoch ein Kleinmengenzuschlag von 2,99 Euro fällig. Ab 99 Euro ist die Lieferung gratis.
Pappkarton statt Kunststoffbox
Die Kommissionierung im Zentrallager erfolgt mit einem Zonen-Picking-Ansatz und selbst entwickelter Picking-Software in den drei Zonen trocken, gekühlt und gefroren. Die Zonen selbst sind mit Ausnahme der Tiefkühlzone mit Förderbändern, sogenannten Conveyer-Belts ausgestattet, die die stapelbaren Karton-Transportboxen, die sowohl zum Picken als auch zur Auslieferung benutzt werden, von Station zu Station transportieren.Mit Fokus auf den DACH-Raum ist hier besonders hervorzuheben, dass Oda nicht wie branchenüblich auf Mehrwegbehälter und Papier- oder Plastiktragetaschen für Kommissionierung und Auslieferung setzt, sondern auf zusammenfaltbare Pappkartons. Diese kann der Kunde bei sich daheim im Altpapier recyclen oder bei der nächsten Lieferung dem Fahrer zurückgeben. Bis 2019 hatte Oda in Norwegen branchenübliche NLP- (Norsk Lastbaerer Pool) Plastikboxen mit einem Fassungsvermögen von maximal 35 Kilogramm sowie Plastiktüten im Einsatz. Diese wurden jedoch ab Ende 2019 durch die heutigen Einwegkartons ersetzt, da so pro Order im Vergleich zu den früheren NLP-Boxen und Plastiktüten eine 30-prozentige CO2-Einsparung pro Bestellung realisiert werden konnte.
Fazit
Es wird spannend sein zu sehen, wie Oda seine Position mit den Werten "große Auswahl" und "hohe Qualität" im Osten der Republik ausbaut und die weitere Expansion ins E-Food-Niemandsland rund um Berlin aufgleist. Auch die von einigen Testern schmerzlich vermissten norwegischen Produkte sollen demnächst im Sortiment zu finden sein.Auch wenn an anderer Stelle manch einem Branchenbeobachter das Konzept von Oda zu "normal" oder nicht "fancy" genug scheint: Bei hohen Qualitätsstandards und Zuverlässigkeit bei Frische und Auslieferung hat Oda meines Erachtens sehr gute Chancen, seinen Platz im immer noch deutlich unterversorgten deutschen E-Food-Markt erfolgreich zu besetzen.