Je nach Tageszeit kann das Kaufverhalten von Kunden stark variieren. Das neue Amazon-Produkt Amazon Marketing Stream gibt Sellern und Vendoren neue Möglichkeiten, die Effektivität ihrer Ad-Kampagnen über den Tagesverlauf nachzuvollziehen. Etailment-Experte Christian Kelm erklärt, wie Amazon Marketing Stream funktioniert und wie Händler es nutzen können, um ihre Anzeigenstrategien zu optimieren.

"Fünfzig Prozent bei der Werbung sind immer rausgeworfen. Man weiß aber nicht, welche Hälfte das ist." (Henry Ford, 1863-1947) Oder doch? Ist Amazon Marketing Stream die ultimative Antwort auf die verlorenen 50 Prozent?

Amazon ermöglicht es Partnern und Werbetreibenden seit Kurzem, Kampagnendaten nahezu in Echtzeit zu erhalten, ohne die API wiederholt aufrufen zu müssen. In der Vergangenheit war der Zugriff auf skalierte Kampagnenberichte auf pull-basierte API-Aufrufe beschränkt, die tägliche Leistung lieferten.
Grundlage für künftige Dayparting-Strategien: Amazon Marketing Stream liefert Ads-Kampagnenmetriken über ein Push-Modell stündlich an die AWS-Konten von Werbetreibenden.
© Amazon
Grundlage für künftige Dayparting-Strategien: Amazon Marketing Stream liefert Ads-Kampagnenmetriken über ein Push-Modell stündlich an die AWS-Konten von Werbetreibenden.

Worum geht es?

Aus Pull wurde Push – statt jedes Mal anfragen zu müssen, bekommt man jetzt die Daten aktiv. Stündlich statt täglich zusammengefasste Verkehrs- und Konversionsdaten, weniger Drosselung, zusätzliche Berichtsdimensionen und bessere Einblicke in Deltas anstelle von Aggregaten.
Früher musste die API den ganzen Tag über mehrmals aufgerufen werden, was zu einer Drosselung und einem weniger effizienten Arbeitsablauf führte. Heißt: Es gab nur Tageszusammenfassungen und zudem Abrufbegrenzungen. Man konnte sich die Daten zwar stündlich selbst erzeugen und berechnen – aber es war mit mehr technischem Aufwand verbunden, die Daten für die jeweiligen Zeiträume zu erheben.
Veröffentlichung Amazon Marketing Stream Beta
© Screenshot
Veröffentlichung Amazon Marketing Stream Beta

Löst das jetzt Probleme?

Noch ein Zitat von Henry Ford: "Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kann ebenso seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen." Lasst uns damit doch anfangen – halten wir die Uhr doch mal an – aber wann?

Was wir dafür benötigen? Stundenbasierte Daten über unser Amazon-Advertising. Das kann vielfältig aussehen – belassen wir es einfach mit 24/7. Natürlich kann jeder Händler beliebig entscheiden, wie viele Daten er auf 7 Tage und 168 Stunden runtergebrochen sehen will. So zeigen sich dann für die jeweiligen Stunden und Tage verschiedene Datenpunkte:
Darstellung: Letzte 30 Tage
© Amalyze
Darstellung: Letzte 30 Tage
Diese Möglichkeit kann genutzt werden, um besondere saisonale Ereignisse detaillierter zu analysieren und zu verstehen. Bei sich wiederholenden Events wie Valentinstag (tagesgebunden) oder Ostern (regelgebunden – erster Sonntag nach dem 21.März) können nun die richtigen Entscheidungen wiederholt getroffen werden oder man kann aus Fehlern lernen.


Aufgeteilt werden die Daten zum Beispiel in die Bereiche:

  • Einblendungen (Impressions)
  • Klicks
  • CtR (Click through Rate / Klickrate)
  • Werbeausgaben
  • CpC (Cost per Click)
  • CpM (Cost per Mille)
  • Umsatz (Attribution 14 Tage)
  • Bestellungen (Attribution 14 Tage)
  • Einheiten pro Bestellung
  • CvR (Attribution 14 Tage) (Conversion-Rate)
  • ACOS (Attribution 14 Tage) (Advertising Cost of Sale / Verhältnis der Werbeausgaben zum erzielen Werbeumsatz)
  • CpO (Attribution 14 Tage) (Cost per Order / Kosten pro Bestellung)

Der erste und einfachste Weg sollte es nun sein, die jeweiligen Stunden mit "schlechten" Daten zu stoppen. Wobei bitte jeder für sich entscheidet, was "schlecht" bedeutet – vielleicht sagen wir ab jetzt lieber "zielführend" und "nicht zielführend" – was wiederum bedeutet: Jeder sollte das Ziel seiner Werbung kennen!

Zeitbasierte Optimierung
© Amalyze
Zeitbasierte Optimierung
Halten wir es erstmal mit Henry Ford und den 50%. Einfache Schieberegler ermöglichen es, die Werbeausgaben auf 50% zu setzen. Automatisch werden nun die Stunden deaktiviert, die einen übermäßigen Anteil an schlechter Performance mit sich bringen:
Werbeausgaben auf 50% gesetzt
© Amalyze
Werbeausgaben auf 50% gesetzt
Im obigen Beispiel sieht man sehr schön, dass 50% weniger Werbekosten mit nahezu 50% weniger Einblendungen und Klicks einhergehen, auch im Umsatz werden nur noch 55% erreicht. Wo sind jetzt die angeblich 50%, die immer rausgeworfen sind?

Andere Beispiele zeigen mit 50% der Werbeausgaben immerhin noch über 60% Umsatz. Datenreihen in 10%-Werbeausgabenschritten zeigen jedoch accountspezifische Unterschiede. Einige Beispiele schaffen mit den letzten 40% Werbeausgaben nur einen Zuwachs von knapp über 30% Werbeumsatz, andere jedoch nur noch knapp 20% Zuwachs. Weitere Beispiele zeigen mit den letzten 10% Werbeausgaben nur noch knapp 3% mehr Werbeumsatz. Also, stoppen wir diese Kosten doch bitte endlich! Oder doch lieber nicht?

Stunden ausschalten ist nur der erste Schritt

Es gibt so einiges zu beachten - je klarer man dauerhaft Umsatz macht über alle 10%-Stufen bzw. über den ganzen Tag verteilt, desto eher kann Dayparting helfen.

Ist der Umsatz schnell entstanden, sollte der Rest aber nicht gänzlich gestoppt werden. Es gilt den vollständigen Funnel im Blick zu behalten. "Awareness Consideration Purchase" (Zu deutsch: Aufmerksamkeit Erwägung Kauf) oder die kleine Customer-Journey – stoppt man nun also einfach willkürlich, kann es schnell spannend werden und man verliert wichtige Bereiche wie die Awareness komplett oder schränkt den Bereich der Consideration deutlich ein.

Heißt also: Stunden ausschalten ist nur der erste Ansatz - aber je nach Account und Strategie nicht die einzige Lösung! Wem das zu kompliziert ist, hier ein Beispiel:
26% Werbeausgaben führen in diesem Beispiel zu 100% Werbeumsatz.
© Amalyze
26% Werbeausgaben führen in diesem Beispiel zu 100% Werbeumsatz.
Wer Produkte verkauft, die sehr teuer sind, sagen wir 400€ aufwärts, wird in seinen Daten ggf. sehen, dass man mit 40% Werbekosten 100% Werbeumsatz erreicht. Nun sollte man die anderen 60% aber nicht einfach ausschalten, wenn es zur Strategie gehört, den gesamten Funnel anzusprechen, also die ganze Reise von Awareness über Consideration zu Purchase.

Was kann man jetzt mit Dayparting machen?

Fünf Stunden des Tages zeigen hier im Beispiel (0 Uhr bis 5 Uhr) eine deutlich höhere ACOS-Situation. Das gesamtheitliche Ziel sind zum Beispiel 20% bei aktuellen gesamt 23%. Die Reduzierung um diese fünf Stunden senkt jedoch den ACOS nur um 1,5% auf 22,3%, bei Erwartung des gleichen Kundenverhaltens:
Dayparting: Fünf Stunden deaktiviert
© Amalyze
Dayparting: Fünf Stunden deaktiviert
Doch das ist nicht alles, insgesamt wird ein Budget von über 4.000 € pro Monat freigemacht, aufs Jahr gut 50.000 €. Dayparting kann daher zusätzliches Webebudget "befreien".

Die durch das Budget erzeugten Werbeumsätze lagen bei einem ACOS von 35% und damit weit über dem 20er-Ziel-ACOS. Das übergeordnete Ziel des Dayparting ist es also, deutlich unprofitable Zeiten zu stoppen und Budget freizumachen, zum Beispiel für andere Tageszeiten, aber auch andere Produkte.

Nun zeigt sich, dass Dayparting auf Account-Ebene ggf. nicht die erste Wahl sein muss, sondern eine Segmentierung Sinn ergeben kann. Man will für Armbänder, Ohrringe und Halskette lieber spezifisch sehen, was wie performt und nicht den Schmuck im Allgemeinen. Zum Glück kann man hier jegliche Aufteilungen vornehmen und diese mit zeitbasierten, aber auch zielbasierten und regelbasierten Optimierungen verbinden und priorisieren. Je genauer man also die Einschränkungen vornimmt, desto klarer wird der stündliche Erfolg erkennbar:

Verschiedene Optimierungsansätze
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Verschiedene Optimierungsansätze
Fast jeder Filter ist im Bereich gesponserte Produkte möglich und dank der Segmentvorschau kann man sofort erkennen, wie viele Einblendungen, Klicks, Werbeausgaben oder wie viel Umsatz das Segment anteilig ausmacht.
Für Fortgeschrittene: vielfältige Filter für Segmente
© Amalyze
Für Fortgeschrittene: vielfältige Filter für Segmente

Zurück zu den Wurzeln

Hier sollte die Arbeit beginnen. Zuerst definiert man, welchen Bereich seiner SP-Kampagnen man steuern möchte. Automatische Kampagnen, Eigenschutz, generische Begriffe oder Angriffe auf bestimmte Marken sind nun ohne viel Aufwand steuerbar und messbar. Selbst Segmente für bestimmte Suchbegriffe oder andere Targets sind direkt filterbar und anzeigengruppen- und kampagnenübergreifend managebar.

Alles in allem heißt es mit den neuen Möglichkeiten schlicht back-to-the-roots, aber bitte nicht alles auf Neustart setzen. Eine neue Werbe- oder Kampagnen-Struktur muss man nicht aufbauen – man kann einfach stündlich genau loslegen. Das sollte der erste Ansatz beim Dayparting sein: ein Verständnis für seine eigene Werbung auf Stundenbasis. Eine Möglichkeit der Anpassung in diesen Bereichen und eine verbesserte Ausnutzung der täglichen Budgets in den relevanteren Zeiträumen.

Es bleibt dabei weiterhin jedem selbst überlassen, was gemacht werden soll, und ohne Werbeziel ist leider auch weiterhin der Weg egal! Wer an ROAS- oder ACOS-Schönungen interessiert ist, kann hier punkten, sollte dabei aber immer bedenken: 10% ACOS sind genauso 10€ von 100€ wie 10.000€ von 100.000€ - der reine prozentuale Wert gibt immer nur das Verhältnis wieder, aber nicht den eigentlichen Erfolg oder das Erreichen des Zieles.

Aber die angeblichen unbekannten 50% Werbeausgaben, die rausgeworfen sind, gibt es so nicht mehr – jeder entscheidet selbst, was damit gemacht wird!

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