Im Februar 2021 legte Kuaishou einen fulminanten Börsenstart in Hongkong hin, und die Wirtschafts- und Fachpresse berichtete ausführlich über die Kurzvideo-Plattform, die außerhalb des chinesischen Heimatmarktes unter dem Namen "Kwai" bekannt ist. Seitdem ist es in westlichen Medien ruhig um das Unternehmen geworden. Über den Wettbewerber Bytedance mit seinen beiden Apps Douyin (in China) bzw. Tiktok (außerhalb China) wird dagegen kontinuierlich berichtet. Grund genug für den Etailment-Experten Markus Caspari, sich im zweiten Teil der Serie über „Social Commerce in China“ einmal genauer mit Kuaishou zu beschäftigen.
Kuaishou wurde von Cheng Yixiao im Jahr 2011 gegründet. Yixiao arbeitete für den chinesischen "Facebook-Klon" Renren, bevor er anschließend "GIFKuaishou" gründete. Das Unternehmen sollte zunächst dabei helfen, GIF-Bilder zu erstellen – es war daher eher ein Werkzeug als eine echte Plattform. Erst im zweiten Schritt entwickelte sich das Unternehmen zu einem Social Network. Diese Entwicklung wurde von Su Hua getrieben, der zu einem späteren Zeitpunkt ins Unternehmen einstieg.

Fokus auf ländliche Regionen
Kuaishou konzentrierte sich von Beginn an auf ländliche Regionen und kleinere Städte in China – nicht wie viele andere Technologie-Unternehmen und Networks aus China auf die großen Ballungsgebiete. Durch diese Strategie konnte Kuaishou seine Community stark wachsen lassen und sich dem Wettbewerb partiell entziehen.Erst nachdem sowohl Kuaishou als auch Douyin enorm expandiert waren und als sich Kuaishou auch auf größere Städte fokussierte, entbrannte der intensive Wettbewerb um die Nutzer und ihre Nutzungszeiten. Und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als Bytedance im Jahr 2017 mit der Akquisition von Musical.ly, die vor allem im US-Markt sehr stark waren, seine internationale Expansion forcierte. Kuaishou wird nachgesagt, dass dort - im Vergleich zu anderen Social Networks - ein größerer Anteil der Nutzer Creator seien und demzufolge nur ein kleinerer Anteil ausschließliche Content-Konsumenten.
Ein wichtiger Pfeiler des Kuaishou-Geschäfts ist Livestreaming. Während in Westeuropa noch über den Einstieg bzw. Ausbau dieses Geschäftes nachgedacht wird, ist man in China wesentlich weiter. Insbesondere wird mit virtuellen Geschenken während des Livestreamings Umsatz generiert. Ein weiterer Umsatzbringer ist das Advertising.
Expansion nach Südamerika und Südostasien
Technode.com meldete im September 2022, dass sich Kuaishou im Rahmen einer Reorganisation noch stärker als bislang u.a. im Bereich E-Commerce engagieren möchte. Deshalb wird der CEO Cheng Yixiao persönlich die E-Commerce-Unit leiten. Ferner wurde berichtet, dass das Geschäft außerhalb Chinas ("Oversea Business") künftig ebenfalls eine Priorität sein wird.
Die Aktivitäten außerhalb des Stammlandes sind derzeit insbesondere auf Brasilien fokussiert. In Brasilien und in anderen Ländern operiert das Unternehmen die App unter der Marke "Kwai". In Indonesien betreibt Kuaishou die App unter dem Namen "Snackvideo".

Chinesische Nutzer verbringen täglich zwei Stunden mit der App
Für das zweite Quartal 2022 meldete Kuaishou insgesamt 347,3 Millionen "Daily Active User" (DAU), was einem Anstieg um 18,5% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bedeutet. Ähnlich verhält es sich mit der im Durchschnitt verbrachten Zeit pro Nutzer und Tag: Hier meldete das Unternehmen einen Zuwachs von 17,1% auf 125 Minuten im Vergleich zum Vorjahresquartal. Zur Einordnung: China hatte Ende Juni 2022 in seinem Heimatmarkt insgesamt 962 Millionen Short-Video-Nutzer.
Mitte August 2022 startete Kuaishou mit "Streamlake" sein erstes Enterprise-Produkt. Das AI-System kreiert virtuelle Idole für Unternehmenskunden und soll Kunden dabei helfen, Videos zu erstellen und zu bewerben.
Kuaishou vs. Tiktok: Die wichtigsten Erkenntnisse
Folgende Learnings können am Beispiel „Kuaishou vs. Tiktok“ generiert werden:• Häufig ist es nicht der "Erfinder" einer Idee oder Funktionalität, der diese zu großer Beliebtheit führt, sondern jemand, der diese adaptiert. Tiktok hat Kurzvideo-Formate perfektioniert bzw. skaliert, obwohl Kuaishou zuerst damit am Markt war. Wer jetzt ein "Social-Media-Déjà-vu" hat, der täuscht sich nicht: Eine ähnliche Situation kennen wir von der Stories-Funktionalität von Snapchat, die Instagram im Jahr 2016 inspirierte – bei Snapchat gab es sie schon seit 2013.
• In der Plattform-Ökonomie muss nicht immer zwangsläufig "The Winner Takes it All" gelten; offenbar ist auch noch Platz für weitere Marktteilnehmer, die sich ebenfalls positiv entwickeln können.
• Kuaishou zeigt, dass eine Differenzierung im Bereich Social-Media-Apps nicht über eine innovative Funktion läuft – die sowieso schnell kopiert werden kann - sondern beispielsweise durch Fokus auf bestimmte Nutzergruppen, in diesem Fall einen regionalen Fokus (Bewohner großer Städte vs. ländliche Regionen).
• Internationale Zwei-Marken-Strategien bei Social-Media-Apps mit chinesischen Mutterunternehmen sind nicht selten, wie Douyin & Tiktok, Kuaishou & Kwai und Xiaohongshu & RED zeigen.
Jüngst wurde zudem gemeldet, dass Kuaishou ein "Virtual Avatar Social Networking Layout" entwickele, bei dem Nutzer vier virtuelle Avatare freischalten lassen können. D.h. auch in diesem Bereich werden Kuaishou und Douyin von Bytedance im Wettbewerb stehen, denn Douyin hat kürzlich den virtuellen Raum "Douyin Xiaowo" vorgestellt.