Die Größe macht's im Einzelhandel schon lange nicht mehr. Wer heute noch zu viel Fläche hat, wird es morgen bereuen. Ein Hamburger Baumarktbetreiber hat das verstanden, Ceconomy und Ikea wollen jetzt auch in kleineren Dimensionen denken. Und hier kommen wieder die Karstadt-Kaufhof-Häuser ins Spiel.
Aber jetzt wird drauflostransformiert. "Vorstand und Aufsichtsrat haben entschieden, die vorhandenen Mittel zu verwenden, um die Transformation des Unternehmens schnellstmöglich voranzutreiben", informierte der neue Finanzvorstand Bernhard Düttmann. Beispielsweise soll das durch die Aufgabe des defizitären Russland-Geschäfts eingesparte Geld in den Umbau des Konzerns gesteckt werden.
Oli Pocher hier, Antoine Monot da
Es läuft halt nicht nur in Russland nicht gut. Im Vergleich zur internationalen Konkurrenz habe man zu hohe Kosten, klagte Düttmann. Kleinere Filialen, zentrale Logistik - so soll Zukunft besser werden, zumindest nach Plan. Aber vielerorts werden ja Pläne gemacht, die den Belastungstest mit der Wirklichkeit nicht standhalten.
Margenkiller Black Friday
Wofür beide Unternehmen stehen, ist unklar. Warum soll man seinen Toaster bei Media-Markt, seinen Fön bei Saturn einkaufen? Unklar. Der eine ist so gut wie der andere. Einmal bietet Rot Schnäppchen, einmal Blau. Schnäppchen gibt's halt immer. Und spätestens beim Black Friday fressen die Rabatte die Margen bei Rot und Blau gleichermaßen auf.Die Folge: Der Ceconomy-Umsatz stagniert bei 21,4 Milliarden Euro im zurückliegenden Geschäftsjahr. Aber der Gewinn (Ebita): minus 11,8 Prozent. Bitter. Immerhin, online ging es leicht voran, um fast 13 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro, das sind jetzt 12 Prozent des Gesamtumsatzes.
Sich den Markt kleinreden
Doch den Markt spiegeln diese Zahlen nicht mehr. Ceconomy rechnet mit jährlich 4 Prozent Umsatzwachstum des Onlinehandels für Unterhaltungselektronik in den Märkten, wo man aktiv ist. Durchschnittlich.
Wohin mit der überflüssigen Fläche?
Aber wer ein derart gewaltiges Filialnetz hat wie Media-Markt-Saturn, muss dafür halt eine Legimation finden und an den stationären Handel glauben. Allerdings ist die angekündigte Verkleinerung der Flächen schon richtig. Nur: Was macht man mit dem überflüssigen Platz? Man kann ja bei den Häusern oder Filialen nicht einfach einen Teil wegsprengen.Dem Elektronikhandel wird es so gehen wie den Baumärkten, die in den fetten Jahren eine Flächengröße aufgebaut haben, dass einem schwindelig wird, und die jetzt immer zusehen müssen, wie sie diese öden Lagerhallen beleben. Man muss heute genau so wenig in einen Baumarkt, um eine Bohrmaschine zu kaufen, wie man in einen Media-Markt muss, um ein Waffeleisen zu kaufen.
"Horst" ist klein und schick
Der Hamburger Baumarktbetreiber Philipp Möller hat das verstanden. Mit seinem neuen Baumarkt "Horst" im Stadtteil Bahrenfeld bietet er auf nur noch 750 Quadratmeter eine schicke Fläche mit einem reduziertem Sortiment, das der städtische Heimwerker braucht, inklusive Workshops wie Blumenständerbasteln und Services wie Geräteverleih.Der Laden ist so schick, dass er vor einigen Tagen vom Handelsverband Deutschland zu einem der sechs "Stores of the Year 2019" gewählt wurde - obwohl Möller sich nicht einmal dafür beworben hatte. Der Verband selbst hat das erst im November 2018 und ohne großes Werbetamtam eröffnete Projekt entdeckt und schnell noch in die Wahl genommen.
Erreichbarkeit ist das neue Erlebnis
Möller betreibt in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern noch insgesamt sieben klassische Hagebau-Baumärkte, aber wenn das Horst-Modell Schule macht, dann müssen die Flächen-Giganten von Hornbach, Obi und Bauhaus einpacken, beziehungsweise zurückbauen. Und umbauen. Kleiner, schöner, erreichbarer muss alles werden. Für die schweren Jungs, die am Wochenende schwarz ihre Eigenheime hochziehen, kann es ja vor der Stadt die freudlosen Abholstationen für Zementsäcke und dicke Bretter weiter geben.
Sich Zukunftsfragen stellen - das gilt auch für die meisten Verbundgruppen, die Altvorderen des mittelständischen Stationärhandels. Gerne hören sie auf ihren Kongressen, dass sie ja das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind.
Die Verbundgruppen brauchen Wirbelsäulengymnastik
Doch diese Sonntagsreden sind nur noch Phrasen. Denn die Koopertionen brauchen längst intensive Wirbelsäulengymnastik. Wir haben hier schon zigmal geschrieben, dass ihre komplizierte Struktur mit Mitgliedern nicht mit der modernen Handelswelt zusammenpasst, die immer onliner wird.Womit wir wieder bei der Unterhaltungselektronik sind. Hier musste zuletzt Stefan Müller, der Vorstandschef der Verbundgruppe Expert zugeben, "dass wir online deutlich unterproportional vertreten sind". Das ist mal ehrlich. Wenn sich Müller darüber freut, dass manche seiner Händler 6 Prozent ihrer Umsätze im Internet erzielen, dann muss man sich fragen, ob die nicht Zeitungen lesen.
6 Prozent Onlineanteil! Donnerwetter!
6 Prozent! Und das sind die Guten. Da will man gar nicht wissen, was so die Schlechten schaffen. Bei 5 Prozent Umsatzanteil lag 2018 der gesamte Expert-Durchschnitt, bis 2020 will man 7,8 Prozent schaffen. Auf die Frage, ob das nicht etwas kläglich ist, sagte Müller: "Wir haben nicht vor, alle Händler zu Onlinehändlern zu machen. Wir haben ein anderes Geschäftsmodell."
Zu früh dran
Nach wie vor soll das Web vor allem für Frequenzen in den Verbundgruppen-Läden sorgen, sonst meckern die Inhaber. Doch sie merken nicht, dass ihnen die Frequenzen vor allem die großen Onlineshops, nicht zuletzt Amazon, wegnehmen. Dort tobt die Preisschlacht, und hier können Expert- und Euronicshändler nicht mehr mithalten.Müllers Vorgänger Jochen Ludwig hatte das wohl irgendwie erkannt, kam damit aber nicht weiter, und ging, kaum dass er den Vorstandsposten erklommen hatte. Innerhalb der Verbundgruppe sagen viele, dass Ludwig für Expert zwei, drei Jahre zu früh gekommen war, weil die Verbundgruppe in der neuen Zeit gedanklich noch nicht angekommen ist.
Ikea, auch so ein Flächengigant, arbeitet sich in diese neue Zeit hinein. Wenn die Schweden in den nächsten drei Jahren in dreißig Metropolen weltweit neuartige Innenstadthäuser eröffnen wollen, wie das "Handelsblatt" schreibt, dann hat das denselben Grund, den auch Horst-Chef Möller als Grund für sein Geschäft angibt: Erreichbarkeit. Die Kunden wollen nicht mehr eine halbe Stunde über die Autobahn anreisen, um sich einen Stuhl zu kaufen.
Die Ware muss zum Kunden
Sie wollen ihre Zeit nicht mehr damit verplempern, dass sie zur Ware kommen - die Ware muss zu den Menschen kommen. Offline wie online. Weswegen auch Ikea seine bisher eher mauen Internet-Umsatzanteile (knapp 8 Prozent) deutlich steigern will. Es wird Zeit.Bleibt nur noch zu diskutieren, wo die innerstädtischen Flächen sind, die man braucht. Denn auch wenn diese kleiner sind, als ein klassisches Ikea-Haus - groß genug sind sie allemal. Wo findet man die in deutschen Citys? Richtig: bei Karstadt und Kaufhof. Wenn nämlich jetzt, nach dem Zusammenschluss, die Sanierungswelle erst einmal bei Kaufhof beginnt, dann wird sie auch zu Karstadt hinüberschwappen. Für die große Öffentlichkeit lebt das Konstrukt noch von guter PR - Warenhausgigant, Stephan Fanderl als großer Retter, und so weiter.
Blau ist der neue Herr im gemeinsamen Haus
Aber intern dürfte die Stimmung langsam gruselig werden, wenn man die Berichte von einer Mitarbeiterversammlung Ende Januar in Köln liest. Da soll Fanderl die Kaufhof-Belegschaft im Freien, in der Kälte neben den Müllcontainern versammelt haben - ohne Rederecht des Betriebsrates, wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt. So was macht man, um zu zeigen, wer der Herr im neuen gemeinsamen Haus ist.Der Knall zwischen Grün (Kaufhof) und Blau (Karstadt) wird schon noch kommen. Und wenn bei beiden Häusern erstmal lossaniert wird, dann werden auch viele Innenstadtflächen frei. Zugreifen werden dann einige. Möglicherweise Ikea. Möglicherweise Amazon. Ceconomy? Vielleicht auch.