
Heute “ziehen” sich gute Verkäufer solche Situationen, um mit potenziellen Kunden ins Gespräch zu kommen und Konsumenten nutzen “Mobile” wie selbstverständlich als Einkaufshilfe: Shop-Suche, Preisvergleiche, Zusatzinformationen, Gutscheine. Zu Hause, unterwegs und im stationären Handel. Für Verbraucher Alltag, für viele Händler jedoch noch nicht. Eine Infografik fasst die Auswirkungen dieses Paradigmenwechsels im Einkaufsverhalten kompakt zusammen. Wir analysieren die wichtigsten Punkte.
Anders als hier, stellt die Grafik "The State Of Mobile Retailing" dabei nicht nur quantitativ die neuen Nutzergewohnheiten in den Vordergrund, sondern zeigt auch Unterschiede zwischen Kunden und Händlern in der Wahrnehmung eines sich durch “Mobile” verändernden Einkaufsverhaltens auf. Dieses lässt sich anhand von 5 ineinandergreifenden Faktoren festmachen.
1. Paradigmenwechsel I: “Mobile” macht Konsumenten überhaupt erst zu Cross-Channel-Nachfragern
Vor 5 Jahren wurde noch klar abgegrenzt: Online war online und stationär war stationär. Pricing, Lockvogel-Angebote und Rabatte waren klar getrennt. Heute wird “Cross-Channel” jedoch erwartet: Wer zufällig abends noch in der Mall auf eine Aktion aufmerksam wird, aber gerade keine Zeit mehr hat, erwartet, dass er dieselben Konditionen online wieder findet, so dass er sich gegebenenfalls auf dem Heimweg just noch informieren und bestellen kann. Umgekehrt gilt das Gleiche: Wer die Wartezeit beim Arzt oder Friseur (“Kommen Sie bitte in einer Stunde wieder”) mit Einkaufen überbrücken möchte, zückt das Smartphone, informiert sich auf dem Weg Richtung Shopping-Mall über Online-Angebote und erwartet, dass diese auch stationär gelten, und dass er bestenfalls – in der Kürze der Zeit – im Laden direkt auf ein In-Store-Terminal zusteuern kann.
“Mobile” gibt Konsumenten also die Chance, Kaufentscheidungen bestmöglich vorzubereiten und Shopping dabei flexibel in und um ihren Alltag herum zu integrieren. Während Smartphone-Nutzer jedoch mit zunehmender Vertrautheit mit ihrem Gerät derlei informationsbezogene Wechselwirkungen zwischen den Vertriebskanälen als “Pflicht” ansehen, halten viele Händler diese Disziplin noch für die “Kür”.
2. Growing Gap: Das Smartphone als Shopping-Kompass der Verbraucher
Hier hakt es seitens des Handels noch mit der strategischen Ausrichtung: Verbraucher interpretieren Mobile Commerce anders als Händler. Die Growing Gap besteht darin, dass Kunden ihr Mobilgerät noch primär zur Informationsgewinnung nutzen wollen (Wo, Was, Wann, Wie viel?), Händler aber primär ihren Fokus darauf legen, über mobile Geräte Sales zu generieren.
Denn Mobile Commerce auch heute (noch), dass Verbraucher mobil recherchieren möchten. Erst dann geht es für sie auch ums Shopping. Hinzu kommt: Die Nutuungsituationen sind unterschiedlich. Hier das eher auf Inspiration angelegte Tablet, dort das Smartphone für die schnelle Information und den zielgerichteten Einkauf.
3. The More They Know, The More They Buy: Informierte Kunden kaufen mehr. Vielleicht aber woanders? Wer dieses Risiko in Kauf nimmt, gewinnt.
Hier lässt sich zum Beispiel durch Transparenz punkten: Anders als die Allianz Media Markt und Idealo, die potenzielle Kunden via “Sofort verfügbar”- Attribut hinters Licht führen wollte, sollten Händler mit offenen Karten spielen: Anbieter objektiver Preisvergleiche oder Erfahrungsberichte direkt im eigenen Shop, oder dem eigenen Informationsangebot verlinken beziehungsweise per Iframe einbinden. “Mobile” Verbraucher werden sich eh informieren und im Zweifelsfall woanders stationär kaufen oder online bestellen. Ergo ist es nicht zielführend sich “einzuigeln”. Wer jedoch – gerade für den flüchtigen Moment und die entsprechend kurze Aufmerksamkeitsspanne mobiler Recherche/Shopping – innerhalb seiner Online-Markenumgebung oder innerhalb seines stationären Shops gezielt für Offenheit sorgt, Informationsasymmetrien abbaut und somit zur Kaufentscheidungshilfe avanciert, wird auch davon profitieren können. Auch wenn er nicht der Preisführer ist.
4. Der Amazon-Effekt: Information erzeugt Loyalität - Kunden in der eigenen Markenumgebung halten
Hierbei gilt es, sich am Prinzip der Selbstkannibalisierung zu orientieren, das auch Amazon erfolgreich gemacht hat: So stellt der Amazon Marketplace nicht nur eine Erweiterung für das eigene Sortiment dar, sondern dient auch als eine Art Plattform-interne Preisvergleichssuche. Gerade dieser Effekt sorgt für Orientierung und Sicherheit. Kunden haben dadurch das Gefühl, verglichen zu haben und verbleiben auf der Plattform. Die Erfahrungen im Amazon Marketplace zeigen, dass Verbraucher auch online nicht unbedingt rational und preissensibel handeln, sondern sich auch an anderen Kriterien orientieren: Je mehr Kunden über die Preise der Wettbewerber wissen, um so eher sind sie bereit, sich nicht am günstigsten Angebot zu orientieren, sondern auch andere Kriterien verstärkt in ihre Kaufentscheidung mit einfließen zu lassen. Es zählt kundenseitig also oftmals nicht der günstigste Preis, sondern lediglich das Wissen um die Relation dessen, der allgemeine Überblick über das Preisgefälle, um eine Kaufentscheidung zu treffen, beziehungsweise sich überhaupt zum Kauf zu entscheiden. Je kürzer dabei die “Mobile Aufmerksamkeitsspanne” des Kunden in seiner jeweiligen Alltagssituation, desto mehr erzeugt auch ein durch den Retailer initiierter Informationsgewinn an Loyalität.
Wer am Beispiel des Amazon Marketplace die Stirn runzelt, hat auch Recht: Das Beispiel eignet sich zwar gut, um eine Veränderung im Einkaufsverhalten durch Transparenz zu belegen, ist aber an einem entscheidenden Punkt angreifbar: Wer den uninformierten Kunden auf seiner Plattform so umfassend informiert, dass dieser letztlich ein Wettbewerberangebot wählt, verliert mehr als Amazon, denn der Branchenprimus fängt derlei entgangenen Gewinn schließlich durch die Verkaufsprovisionen und Fulfillment-Gebühren seiner Händler auf.
5. Paradigmenwechsel II: "Mobile" schwächt signifikant die Kaufbereitschaft auf Basis unvollständiger Informationen. Dadurch gerät Preissensibilität in den Hintergrund.
Dennoch: Der, durch mobile Geräte "Bestinformierteste Kunde aller Zeiten", stellt mehr Chance als Risiko dar: Wer sich um das Preisgefälle keine Gedanken mehr machen muss, ist anfälliger für andere Entscheidungskriterien. Der Preis ist bis dato vielfach nicht rationaler Fixpunkt, sondern letztlich oftmals nur noch ein Rettungsanker und Orientierungshilfe im Überangebot an Ware und Information innerhalb immer komplexer erscheinender Einkaufswelten. Dieses ist so breit gestreut, dass Verbraucher sich im Alltag nur noch schwerlich einen Überblick verschaffen können. Ergo klammern sie sich zwangsläufig an den “besten Preis”. Der “beste Preis” ist dabei jedoch gar nicht rationales Ziel, sondern lediglich Mittel zum Zweck, um mit einer Kaufentscheidung im hektischen Alltag überhaupt noch zufrieden sein zu können.
Bisher.
In der mit mobilen Endgeräten ausgestatteten “Always On”-Gesellschaft, in der Informationen dosiert und jederzeit in kurzen Zeitfenstern des eigenen Alltags verfügbar gemacht werden können, dreht sich der Wind jedoch: Wo der Zugang zu Information steigt, steigt auch das Bedürfnis, für sich wieder eine – vom Preis unabhängige – Kaufentscheidung treffen zu können. Und das bestenfalls innerhalb eines kurzen Zeitfensters. Darin liegt dann letztlich das eigentliche Potenzial von Mobile Retail: Eine wechselseitige Verzahnung der Kanäle, die ”Mobile”- Nutzern das Gefühl vermittelt, ad hoc per Smartphone in eine konsistente Einkaufsumgebung einzutreten, innerhalb derer sie sich umfassend informiert, beraten und begleitet fühlt: Von der Wartezone beim Arzt in den Web Shop, in die Mall. Und wieder zurück.