Krisenzeichen, heißt es, die gebe es jetzt für 2019 überall zu sehen. Das hat Folgen für Konsum und Handel. Aber: Gegessen wird immer. Die Frage ist nur was? Aber auch da sind wir Deutschen Krisen- und Konsum-erprobt.

Der irrste Werbespot des bisherigen Jahres kommt von Haribo. Da werden Erwachsenen Dialoge und Stimmen von Kindern in den Mund gelegt, während sie Gummibärchen essen. Bei einer Konferenz im Büro oder an einer Bushaltestelle. Wo da der Witz ist, ist nicht klar.

Die Logik dahinter verstehen wir schon, bekanntlich macht Haribo seit Jahrzehnten Kinder froh und Erwachsene ebenso. Der Goldbär steht wie keine zweite Süßware als Transmissionsriemen zwischen Jung und Alt, eine bunte Gelatinefigur als Symbol für eine klassenlose Gesellschaft, sozusagen.

Also, dachte sich die Werbeagentur, verschmelzen wir das doch alles, Erwachsene sind auch Kinder, und Kinder sind auch Erwachsene. Selbstverständlich voll ironisch. Uff.

Haribo Pico-Balla TV-Spot 2019

Keine Bären, keine Vampire

Nun hat Haribo ein paar nicht so frohe Wochen hinter sich. Denn weil es mit der Software für das neue Warenwirtschaftssystem nicht so lief wie erhofft, gab es ausgerechnet im Weihnachtsgeschäft Lieferschwierigkeiten mit Bärchen, Vampiren und vielem mehr. Sehr schlecht, zumal die Deutschen neuerdings feststellen, dass man auch mit anderen Gummis froh werden kann als mit denen von Haribo. 

Kaum zu glauben. Wir dachten immer, dass Haribo Kernprodukte für Deutschland herstellt, sozusagen Bausteine für das Konsumfundament der Haushalte liefert. Wie Nivea-Creme, Alpina-Weiß und Tesafilm. Der Verbraucher hatte sich bisher bedingungslos dem Bonner Goldbären unterworfen, weil das Zeug von Lekkerland in den Zähnen kleben blieb und Katjes zu pastellfarben war.

Die Konsumstimmung sinkt

Doch der Konsument neigt neuerdings überraschenderweise zur Neuorientierung, und manchmal hat er halt auch keine Lust mehr, einzukaufen. Oder etwas weniger. Der Handelsverband Deutschland hat in seinem monatlichen "Konsumbarometer" im Januar eine so schlechte Verbraucherstimmung wie seit Oktober 2016 nicht mehr ausgemacht. 

Das verwundert niemanden. Denn wer seit Dezember die Zeitungen durchblättert, wird von Krisenprophezeiungen attackiert, dass jedermann denken muss: 2019 kommt sie, die große Rezession. Denn dann kommt der "harte" Brexit der Briten, und danach verfällt Europa in den Zustand von Nord-Korea.

Das ähnelt alles der Zeit, als in Deutschland der Mindestlohn eingeführt wurde - und unmittelbar danach wie auf Bestellung Studien aufpoppten, in denen Massenarbeitslosigkeit vorhergesagt wurde. 

Passiert ist nichts. 

Gut, das Bruttoinlandsprodukt ist im Jahr 2018 nur um 1,5 Prozent gestiegen, in den beiden Jahren davor waren es jeweils 2,2 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag bekannt gegeben hat. Was für eine Katastrophe! 
Steffen Gerth, Redakteur bei Der Handel und Etailment
© Aki Röll
Steffen Gerth, Redakteur bei Der Handel und Etailment
Die staatlichen Haushalte erzielten 2018 einen Rekordüberschuss in Höhe von 59,2 Milliarden Euro (2017 waren es noch 34 Milliarden Euro). "Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen beendeten das Jahr nach vorläufigen Berechnungen zum fünften Mal in Folge mit einem Überschuss", schreiben Deutschlands erste Statistiker.
Eine Zahl übrigens, mit der man alle Schwätzerhetzer, die wegen der sogenannten "Flüchtlingskrise" sagenhafte Kosten auf "die Gesellschaft" zukommen sehen, schnell zum Schweigen bringen kann. 

Schlechte Stimmung, steigende Aktienkurse

Also, warum haben die Verbraucher jetzt schlechte Stimmung?
Haben sie zu viel in den Zeitungen gelesen, was sie verunsichert?
Oder zu viel Untergangs-Quatsch auf Facebook, gestreut von der Sorte Deutschen, die beim Thema Deutschland und Untergang Kernkompetenz besitzen?  Merkwürdig ist ja, dass zu dem aktuellen Rezessions-Geraune die Aktienindizies nicht passen. Seit Weihnachten geht es sowohl mit dem Dax wie auch mit dem Dow Jones wieder leicht bergauf. Gewiss, vielmehr bergab kommt es ja auch nicht mehr gehen.

Paradox ist die Lage schon. Einerseits wird eine verschlechterte Konsumstimmung gemessen, doch von der anderen Seite hört man das Flehen, dass die Deutschen gegen die drohende Rezession ankaufen sollen. Die Krise weggkaufen, sozusagen.

Kein Wunder, die sogenannten Wachstumsimpulse für die deutsche Wirtschaft kamen von Konsum und Investitionen, wie Albert Braakmann, bei den Bundesstatistikern Leiter der Abteilung "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Preise" anmerkt. "Der Konsum trug mit einem Wachstumsbeitrag von 0,7 Prozentpunkten knapp die Hälfte zum Wachstum des BIP bei."

Konsum ist mehr als Einkaufen

Nun ist für das Bundesamt Konsum mehr als nur Einkaufen in Läden oder Onlineshops, sondern die Ausgaben für Essen, Wohnen, Bekleidung, Gesundheit, Freizeit, Bildung, Kom­munikation, Verkehr sowie Beherbergungs- und Gaststätten­dienst­leistungen. 
Und da die Mieten stetig steigen, steigen auch die Konsumausgaben - dagegen kann kein Mieter etwas machen. Dafür zählt er dann volkswirtschaftlich zu den High-Performern. Hurra!

In Großbritannien dagegen kaufen die Konsumenten derzeit wirklich ein wie Hulle, und je mehr der Brexit-Irrsinn tobt, desto lauter klingeln die Kassen des britischen Einzelhandels. Denn auf der Insel wird neuerdings gehamstert, weil alle Angst vor einem EU-Abschied ohne Austrittsvereinbarung haben.
Es gibt neuerdings Facebook-Gruppen, in denen diskutiert wird, mit welchen Lebensmitteln und Medikamenten Depots angelegt werden sollten, weil Gefahr droht, dass diese nach dem Brexit-Termin Ende März kaum noch zu bekommen sein werden. 


Wenn man Diane Coyle glauben darf, dann steht der Insel in der Tat eine aufregende Zeit bevor. Die angesehene Ökonomin und Chefin einer Beratungsfirma sagte dem "Guardian", dass auch sie dieser Tage etwas mehr Produkte in ihren Einkaufswagen lege als notwendig. Sicher ist sicher. Denn die Versorgungsketten der Supermarktketten seien auf hohe Umschlaggeschwindigkeit ausgerichtet, man brauche stets schnellen Nachschub, um die Regale zu füllen. "Wenn wir auch nur eine Verzögerung von zwölf Stunden haben, werden bestimmte Produkte ausgehen." Das würden wir ja gerne sehen, dass bei Tesco die Regale so leer sind, wie sie damals in den letzten Tagen des Schlecker-Imperiums waren. Wenn es dann heißt wie früher in der DDR: "Hamwa nich" und die Briten nur noch von Lammfleisch und Guinness leben. So wie vor dem Zweiten Weltkrieg etwa.

Ein Land und sein "Nüscht-Pulver"

Apropos DDR - auch dort gab es Kernprodukte: IMI fürs Geschirrspülen, f6 für die Tabakfreunde - und Hallorenkugeln für alle, die es süß und klebrig mochten. Doch früher war nicht alles gut, auch nicht in der DDR. Denn neuerdings wird neuerdings darüber gesprochen, dass die Schokokugeln aus Halle heute anders schmecken würden als damals. Damals hieß: krümelig, irgendwie komisch. Und das aus gutem Grund: "Wir haben da immer 'Nüscht-Pulver' reingerührt", sagte Halloren-Betriebsleiter Ralf Schlusnus der Deutschen Presse-Agentur. 
© etailment
 Aus was aber dieses Pulver bestanden hat, ist auch einem Kugel-Veteranen wie Schlusnus (der Mann heißt wirklich so) unklar. "Ich tippe aber auf Stärke oder irgendeinen Milchpulverersatz." Heute sorgten hochwertige Zutaten dafür, dass die führende Kugel der DDR besser schmecke. Freundin und Expertin I. aus I. kann hier nur zustimmen, und eine validere Marktforschung ist kaum denkbar.

Die Rotstern-Bärchen der DDR

Gummibärchen gab es sogar in der DDR, jedenfalls steuerte I. aus I. hierzu valide Informationen dazu bei - nämlich dass die Bärchen von der Firma Rotstern hergestellt wurden, aber keinen besonderen Namen trugen.

Okay. Wie diese Bärchen wohl geschmeckt haben mögen? Denn wer die volkseigenen Kaugummis kennenlernen musste, hat einiges durchgemacht. Da krümelte es gewaltig im Mund. Obs auch an einem "Nüscht-Pulver" lag?

Unter DDR-Teenagern waren die landestypischen Kaugummis so uncool wie die Jeans aus heimischer Produktion - wer mit einer Hose der Marken Wisent, Boxer und Shanty zum Jugendtanz aufschlug, der konnte sicher sein, vom anderen Geschlecht mit herzlicher Verachtung gestraft zu werden. Gekauft wurde derlei, die Älteren erinnern sich, in einem Laden der Konsumgenossenschaften. Deren Lebensmittelläden ja auch "Konsum" hießen.

Die historische Lehre, die wir diese Woche daraus ziehen? Den Konsum in seinem Lauf... Den Rest können Sie sich ja denken.    

Und wenn Sie jetzt sagen: Damals™ war ja nicht alles schlecht, dann erinnern wir uns doch bitte gemeinsam an den Schlagergesang von Frank Schöbel.

Frank Schöbel - Potpourri 1967 - 1986

Schönes Wochenende.

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