Inflation, Lieferengpässe, Klimawandel – der unüberlegte Konsum hat seine Unschuld verloren. Immer mehr Verbraucher entscheiden sich für den Kauf gebrauchter Produkte. Dennoch ist der Re-Commerce kein Selbstläufer - egal ob beim klassischen Refurbisher oder bei Händlern und Marktplätzen, die neben neuer auch aufbereitete Ware verkaufen. Was beim Handel mit Secondhand-Produkten zu beachten ist und welche Maßnahmen das Vertrauen der Kunden speziell bei gebrauchter Technik erhöhen, erklärt Simon Gabriel, Gründer von MySwooop, in diesem Gastbeitrag.
Doch dem Smartphone in der Schublade stehen womöglich goldene Zeiten bevor. Und der Elektroschrottberg könnte künftig drastisch schrumpfen. Dieser Eindruck zumindest entsteht, schaut man auf die Entwicklung im Re-Commerce. „Reduce, reuse, recyle, recover“ – in Zeiten von sinkenden Einkommen und steigendem Umweltbewusstsein sind das mehr als reine Buzzwords. Insbesondere das Kaufverhalten der nachhaltig denkenden und handelnden Generation Z sorgt dafür, dass Re-Commerce boomt.

"Neo-Ökologie" mit enormem Umsatzpotenzial
Laut einer aktuellen Studie von Visa- haben 82% der Deutschen bereits am Re-Commerce teilgenommen.
- haben 49% bereits gebrauchte Ware gekauft, 47% selbst Gebrauchtwaren verkauft.
- haben 92% in den letzten drei Monaten aktiv Maßnahmen ergriffen, um die Umwelt zu schonen.
Zahlen, die deutlich zeigen, wo die Reise hingeht. Ein ökonomisches Potenzial im Wert von 900 Milliarden Euro birgt der Übergang zur Kreislaufwirtschaft in Europa bis zum Jahr 2030 Schätzungen zufolge. Die Neo-Ökologie, so nennt das Zukunftsinstitut den Megatrend, gekennzeichnet vom wachsenden Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein der Menschen, ist in vollem Gange – und Re-Commerce ein wichtiger Bestandteil davon.
Wer bisher nur bis ans Ende der Lieferkette und nicht weiter gedacht hat, wird sich in Zukunft umstrukturieren müssen. Man erinnere sich nur an träge Konzerne, die ihre Ladentüren damals vor dem Onlinehandel verschlossen haben. Viele von ihnen sind mittlerweile traurige Geschichte.
Luft nach oben
Doch so beliebt Re-Commerce mittlerweile auch ist – es besteht noch deutlich Luft nach oben. 91% der Menschen wären laut der Visa-Studie dazu bereit, häufiger an Re-Commerce teilzunehmen. Wären, wenn nicht…? Ein Hinderungsgrund sind offenbar Qualitätsbedenken (16%), außerdem wünschen sich 31%, dass es einfacher oder bequemer ist, an Re-Commerce zu partizipieren.Gebrauchtware hat zwar schon lange nicht mehr das angestaubte Trödel-Image alter Zeiten, dennoch gibt es unter Verbrauchern nach wie vor offenbar eine Skepsis in Bezug auf die Funktionsfähigkeit der Artikel. Was braucht es also, um die 91 dem Re-Commerce gegenüber aufgeschlossenen Prozent hundertprozentig zu überzeugen? Neue Lösungen müssen her, wenn "neu" nicht mehr die Lösung für alles ist.
Transparenz, Garantien und Testmöglichkeiten
Um das Vertrauen seitens der Verbraucher zu steigern, ist es wichtig, die Zustände von aufbereiteter ("refurbished") Technik verständlich und transparent zu kommunizieren. Auch eine Garantieerweiterung, z.B. auf 36 Monate, kann Anreize schaffen.Testzeiträume zur Überprüfung von Geräten sowie eine "No-questions-asked"-Rückversandpolitik sind weitere Wege, um die Attraktivität von gebrauchter Technik zu steigern. Eine weitere vertrauensbildende Maßnahme: Die Zusammenarbeit mit stationären Händlern.
Ob klassischer Re-Commercer und Refurbisher, Marktplätze, auf denen auch Refurbisher verkaufen, ob Anbieter von Device-as-a-Service oder Gerätevermieter: Wichtig ist, dass alle Player am gleichen Strang ziehen. Das Wachstum des Marktes bietet genug Möglichkeiten für alle Anbieter.
Hohe Qualität sollte aber gewährleistet werden, damit sich in den Köpfen der Kunden festsetzt, dass refurbished so gut wie neu sein kann. Oder sogar noch besser – für den Geldbeutel und fürs Gewissen.