Unternehmen brauchen das Vertrauen ihrer Kunden. Und das entsteht nicht zufällig. Ähnlich wie etwa Architekten Brücken und Häuser planen, lässt sich auch die Entwicklung von Vertrauen angehen. Doch bisher arbeiten noch die wenigsten Unternehmen so systematisch daran. Die gute Nachricht: Mit psychologischem Wissen über die Determinanten von Vertrauen und einer sinnvollen methodischen Vorgehensweise lässt sich viel ungenutztes Potenzial ausschöpfen. Dr. Eric Eller, Senior Managing Consultant bei Elaboratum, erläutert, wie das Konzept der Vertrauensarchitektur funktioniert.

Der Aufbau von Vertrauen ist für Onlinehändler eine Herausforderung. Während Kunden in der Anfangszeit des E-Commerce vor allem die Sorge umtrieb, ob sie die bestellte Ware tatsächlich bekommen würden – oder alternativ ihr Geld zurück –, treiben Onlinekunden heute ganz andere Fragen um: Was passiert mit meinen Daten? Kann ich die Ware problemlos retournieren? Und immer mehr auch: Vertritt das Unternehmen meine Werte?

Indem E-Commerce-Unternehmen systematisch Vertrauen in diesen Bereichen aufbauen, leisten sie einen nachhaltigen Beitrag zum Geschäftserfolg. Dazu ist es notwendig, die Grundvoraussetzungen für das Entstehen von Vertrauen zu verstehen.
Auch im E-Commerce, wo der persönliche Kundenkontakt meist entfällt, ist Vertrauen ein wichtiger Erfolgsfaktor.
© IMAGO / Panthermedia
Auch im E-Commerce, wo der persönliche Kundenkontakt meist entfällt, ist Vertrauen ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Wollen, Können und Einschätzen: Die Voraussetzungen für Vertrauen

Damit echtes Vertrauen zwischen Unternehmen und ihren Kunden entstehen kann, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Wollen, Können und Einschätzen. Und auch wirklich nur, wenn alle drei Voraussetzungen erfüllt sind, kann echtes Vertrauen entstehen.

1. Wollen

Kunden vertrauen den Unternehmen, die aus ihrer Sicht gute Absichten haben (also das Richtige wollen). Wenn dagegen die Absichten von Händlern unklar sind oder gar dem Kundeninteresse entgegengesetzt, entsteht Misstrauen. So beispielsweise, wenn Reiseportale Druck auf ihre Kunden ausüben.

Damit letztere möglichst schnell buchen, erzeugen einige Anbieter bei ihnen gezielt ein Gefühl der Dringlichkeit, indem beispielsweise bereits ausgebuchte Hotels angezeigt werden. Oder durch verschiedene Warnungen, wie etwa, dass die ausgewählten Termine besonders beliebt seien oder dass aktuell viele andere Kunden dasselbe Angebot ansähen und dieses jederzeit ausgebucht sein könne.

Dieses sogenannte "Pressure Selling" steht zurecht in der Kritik und es zerstört Vertrauen. Für nachhaltiges Vertrauen sollten Unternehmen den Fokus ihrer unternehmerischen Arbeit aufrichtig sowie eindeutig erkennbar auf die Bedürfnisse ihrer Kunden legen und Rahmenbedingungen schaffen, in denen ihre eigenen Interessen mit denen ihrer Kunden harmonieren.

2. Können

Gute Absichten allein reichen nicht aus: Nur ein Versprechen, das auch gehalten wird, führt zu Vertrauen. Je unmittelbarer und je häufiger Kunden erleben können, dass die Versprechen der Unternehmen gehalten werden, desto besser für die Entwicklung des Vertrauens. So ist es wenig überraschend, dass die Händler des täglichen Bedarfs, wie DM, Rossmann und Edeka, in puncto Vertrauen typischerweise besonders gut abschneiden. Diese Unternehmen stellen schließlich jeden Tag aufs Neue unter Beweis, dass sie halten, was sie versprechen.

Zumindest gilt das für die meisten ihrer Wertversprechen: etwa, dass sie täglich für ihre Kunden geöffnet haben, immer frische Ware bereitstellen und faire Preise haben. Gleichzeitig kommen bei den meisten Unternehmen aber auch Versprechen hinzu, bei denen Kunden gar so leicht feststellen können, ob diese gehalten werden oder nicht. Wenn beispielsweise die oben genannten Händler versprechen, dass ihre Produkte nachhaltig und fair produziert wurden, ist genau dieser Aspekt für Kunden nach dem Kauf in der Regel kaum überprüfbar.

Ob diese Versprechen gehalten wurden oder nicht, ist für Kunden in der Folge nicht wahrnehmbar. Also entsteht kein Vertrauen. Zur Entwicklung von Vertrauen sollten Unternehmen entsprechend darauf achten, möglichst präzise Versprechen zu formulieren und ihren Kunden im Anschluss möglichst kontinuierlich sowie eindeutig zu signalisieren, dass diese auch gehalten wurden.  

3. Einschätzen

Eine wesentliche dritte Voraussetzung: Die Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens muss für Kunden auch erkennbar werden. Sie müssen Unternehmen also möglichst gut einschätzen können, um ihnen zu vertrauen. Das stellt insbesondere neue und innovative Unternehmen vor Herausforderungen, bei denen Kunden wenig eigene Erfahrungswerte haben.

Um trotzdem eine Einschätzung treffen zu können, greifen Kunden in der Regel auf die Einschätzungen relevanter anderer Personen zurück. Das sind in der Regel Autoritäten (die die Situation vermeintlich besser einschätzen können) oder Peers (die einem selbst ähnlich sind und bereits in derselben Situation waren).

Im E-Commerce spielen durch die immer weiter schwindende Wissensasymmetrie zwischen Unternehmen und Kunden längst die Peer-Bewertungen die dominantere Rolle. Um ein Vertrauensurteil zu treffen, wollen Kunden also zunehmend wissen, wie sich andere Personen in derselben Situation entschieden haben – und welche Konsequenzen das für sie hatte.
Fast jeder Nutzer liest sie: Onlinebewertungen stellen die wichtigste Informationsquelle vor Kaufentscheidungen dar und schaffen so Vertrauen.
© IMAGO / Panthermedia
Fast jeder Nutzer liest sie: Onlinebewertungen stellen die wichtigste Informationsquelle vor Kaufentscheidungen dar und schaffen so Vertrauen.
Je ähnlicher diese Personen zu einem selbst und je ähnlicher ihre Situation zur eigenen Situation sind, desto aussagekräftiger sind ihre Erfahrungen für das eigene Vertrauensurteil. Entsprechend sind Kundenbewertungen ein effektiver Mechanismus zur Stärkung des Kundenvertrauens entlang der Customer Journey.

Vertrauenswürdigkeit und kurzfristige Umsatzziele schließen sich nicht gegenseitig aus 

Für Unternehmen ist Vertrauen ein grundlegender Erfolgsfaktor. Das gilt auch für E-Commerce-Unternehmen, bei denen der persönliche Kundenkontakt häufig entfällt. Die Entwicklung von Vertrauen sollte für Unternehmen deshalb an höchster Stelle stehen.

Echtes Vertrauen kann aber nur entstehen, wenn Unternehmen nachhaltig im Sinne der Kunden handeln und dafür sorgen, dass sich ihr Vertrauen für sie auszahlt. Das Ziel lautet Vertrauenswürdigkeit (nicht Conversion-Optimierung, nicht Umsatzsteigerung und auch nicht Customer Lifetime Value).

Nachhaltige Vertrauensentwicklung muss jedoch keineswegs im Wiederspruch mit kurzfristiger Umsatz- oder Wachstumssteigerung stehen. Es gilt, Kundenerlebnisse zu gestalten, die beide Seiten in Einklang bringen: Umsatz und Wachstum auf der einen Seite und Kundenvertrauen auf der anderen Seite.