Lebensmittel und Getränke sowie Drogerieartikel sind immer noch eher typische Offline-Kategorien. Der Marktanteil im E-Commerce ist homöopathisch. Das könnte sich schneller ändern, als manch einem lieb ist.
Ein paar Zahlen.
Rewe wird online im Lebensmittelhandel auf mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz taxiert, will aber in drei Jahren 800 Millionen Euro Umsatz mit seinem Online-Handel machen.
30 Millionen Euro hat Amazon schätzungsweise im zweiten Quartal in Deutschland mit Online-Lebensmitteln umgesetzt.
Noch profitiert der stationäre Handel von der Haptik-Romantik. Gucken, drücken, riechen. Das könnte sich rasch ändern. Jeder Dritte kann sich bereits vorstellen, in den nächsten fünf Jahren alle Produkte online zu shoppen, das sagt eine Studie der Agentur POSPulse in Kooperation mit den Wirtschaftsprüfern und Beratern von Ernst & Young (EY).

E-Food profitiert dabei auch von Testkäufern und sporadischen Kunden. Je positiver deren Einkaufserfahrung ist, je mehr das Vertrauen wächst, desto weniger spielt die Käsetheke vor Ort eine Rolle.
Vergessen wir bitte nicht: Jede ehrliche hausinterne Wettbewerbsstudie der Lebensmittelhändler bestätigt diesen, dass das Hauptkriterium für die Wahl der Einkaufstätte, für die Wahl zwischen Edeka, Rewe und Co schlicht die Parkplatz-Situation ist.
Tja.
Amazon braucht gar keine Parkplätze.
Und macht schon jetzt einen mehr als ordentlichen Job mit Pizza und Pampers.
In einem allerdings nicht repräsentativen Feldtest von POSPulse in Kooperation mit Ernst & Young (EY) gaben 83 Prozent der Tester Prime Now (quasi die Express-Lösung mit Frische-Anteil) beim Auswahlprozess bei der Darstellung der Produktinformationen die Note gut oder sehr gut. Der Bestellprozess wurde im Vergleich sogar mit 92 Prozent als gut bzw. sehr gut bewertet.

Fast die Hälfte der Studienteilnehmer hält es denn auch für sehr wahrscheinlich, den Dienst erneut in Anspruch zu nehmen. Fast jeder Dritte findet es zudem wahrscheinlich.
Die Studie, durchgeführt als Amazon im Sommer 2016 gerade mit seinem Frische-Express losstrampelte, zeigte aber auch: Die Kunden erwarten ein größeres Sortiment. „Um Supermärkten langfristig Konkurrenz zu machen, muss sich vor allem das Sortiment verbessern“, schreiben die Studienautoren. Auch Out-of-Stock dürfte online deutlich weniger toliert werden als im Laden.
Mit der Kooperation mit dem süddeutschen Regionalfürsten Feneberg hat sich Amazon im Online-Lebensmittelhandel für Amazon Prime Now da gerade ein ordentliches Pfund ins Haus geholt.

Das könnte auch Hemmschwellen gegenüber E-Food senken. Denn die Zahlen von EY zeigen, dass die größte Hürde offensichtlich darin besteht, den Verbraucher für den ersten Kauf zu aktivieren.
Hemmschwelle für den ersten Einkauf senken
Folgekäufe werden dann automatisch getätigt, wenn das Konzept überzeugt. Immerhin haben 75 Prozent der einmal aktivierten Online-Käufer mehr als einmal bei einem der Anbieter bestellt. Jeder Fünfte sogar häufiger als 10 Mal. Das bestätigt die Zufriedenheit mit dem Lebensmitteleinkauf online.
Kein Wunder also, dass beispielsweise Rewe gegenwärtig Neu-Kunden und Wiederbesteller mit schöner Regelmäßigkeit mit Gutscheinen, Rabatten und zusätzlichen Payback-Punkten an die digitalen Regale lockt.
Entscheidend wird aber vor allem sein, wie die Händler mit dem Ausbau von Services bei der Lieferung, individuellen Zeitfenstern oder Shop-Usability punkten können.
Orientieren muss sich der klassische Handel da allerdings nicht an den Kosten, sondern am Kunden - und an Amazon. Der Online-Riese setzt bei Amazon Prime Now da heute schon die Standards und gewöhnt den Kunden an Spitzenleistung im Lebensmittelsegment.
Dabei hat Amazon noch einen weiteren entscheidenden Vorteil. Aufgrund seiner Datenmacht wird Amazon das Sortiment nicht wahllos ausweiten, sondern kann entsprechend des Kundenverhaltens und der Customer Journey Frequenzbringer und passende Partner identifizieren. Anders als Handelsgruppen muss Amazon auch nicht auf innenpolitische Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen.
Auch nicht beim Preis. Der Start von Amazon Fresh zeigte jüngst, dass Amazon bei vielen Eckartikeln zu einem Preiskampf mehr als bereit ist.
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